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BAG, Beschluss vom 04.02.2013 – 10 AZB 78/12

ArbGG §§ 3, 5

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG.

2. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.

3. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten jedoch in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht berufen. Die Fiktion der Norm gilt auch für das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Sie greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen (BAG 26. Oktober 2012 – 10 AZB 60/12- Rn. 16, NZA 2013, 54; 15. März 2011 – 10 AZB 32/10- Rn. 11, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44; 3. Februar 2009 – 5 AZB 100/08 – Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43; 20. August 2003 – 5 AZB 79/02 – zu B I 2 bis 4 der Gründe, BAGE 107, 165). An der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ändert es nichts, wenn zwischen den Prozessparteien streitig ist, wie das Anstellungsverhältnis zu qualifizieren ist (BAG 6. Mai 1999 – 5 AZB 22/98 – zu II 3 b der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 33). § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift sogar ein, wenn objektiv feststeht, dass das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person selbst dann keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen, wenn die der Organstellung zugrunde liegende Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist (BAG 20. August 2003 – 5 AZB 79/02 – zu B I 3 der Gründe, aaO).

4. Für Ansprüche der Klagepartei aus dem der Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegenden Vertrag sind deshalb die ordentlichen Gerichte ohne Weiteres zuständig (vgl. BAG 20. Mai 1998 – 5 AZB 3/98- zu II 1 der Gründe, NZA 1998, 1247).

5. Anders kann es jedoch dann liegen, wenn und soweit der Rechtsstreit nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis betrifft, sondern eine weitere Rechtsbeziehung besteht. Insoweit greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ein (BAG 23. August 2011 – 10 AZB 51/10- Rn. 13, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 69 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 46; 15. März 2011 – 10 AZB 32/10- Rn. 11, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44; 3. Februar 2009 – 5 AZB 100/08 – Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Organvertreter Rechte auch mit der Begründung geltend macht, nach der Abberufung als Geschäftsführer habe sich das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis – wieder – in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt (BAG 6. Mai 1999 – 5 AZB 22/98 – zu II 3 c der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 33).

6. Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kann ferner dann gegeben sein, wenn die Klagepartei Ansprüche aus einem auch während der Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis nach Abberufung als Organmitglied geltend macht. Zwar liegt der Berufung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH eine vertragliche Abrede zugrunde, die regelmäßig als ein Geschäftsführerdienstvertrag zu qualifizieren ist und mit der das Arbeitsverhältnis grundsätzlich aufgehoben wird (vgl. bspw. BAG 3. Februar 2009 – 5 AZB 100/08- Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43; 5. Juni 2008 – 2 AZR 754/06- Rn. 23, AP BGB § 626 Nr. 211; 19. Juli 2007 – 6 AZR 774/06 – Rn. 10, BAGE 123, 294). Zwingend ist dies aber nicht. Zum einen kann die Bestellung zum GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Bestellung zum Geschäftsführer
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einer GmbH auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen. Zum anderen bleibt der Arbeitsvertrag bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer der GmbH bestellt wird, da eine wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses die Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB voraussetzt (vgl. BAG 15. März 2011 – 10 AZB 32/10 – Rn. 12, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44; 3. Februar 2009 – 5 AZB 100/08 – Rn. 8, aaO). Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag können dann nach Abberufung aus der Organschaft und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden. Dies gilt auch für die während der Zeit der Geschäftsführerbestellung auf dieser arbeitsvertraglichen Basis entstandenen Ansprüche (BAG 29. Mai 2012 – 10 AZB 3/12 – Rn. 13).

7. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat an der organschaftlichen Stellung nichts geändert, die Organstellung des Organs einer juristischen Person bleibt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt (BGH 26. Januar 2006 – IX ZR 282/03- Rn. 6, ZInsO 2006, 260; Uhlenbruck in Karsten Schmidt/Uhlenbruck Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz 4. Aufl. S. 707). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens macht aus gesetzlichen Vertretern der Schuldnerin keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes (GMP/Germelmann/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 5 Rn. 45).

 

Schlagworte: Anstellungsvertrag, Arbeitnehmer, Arbeitnehmerstellung, Arbeitsgericht, Arbeitsverhältnis, Geschäftsführer, Gesellschaftsorgan, Grundsätzlich keine Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften, Rechtsweg, Verhältnis von Organstellung und Anstellungsvertrag, Vorstand