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BFH, Beschluss vom 09.01.1990 – VII B 56/89

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 34 AO 1977, § 69 AO 1977

1. Die Rechtsfrage, ob im Rahmen der Geschäftsführerhaftung (§§ 34, 69 AO 1977) die Verpflichtung zur gleichrangigen Befriedigung der Arbeitnehmer hinsichtlich der Löhne und Gehälter und des FA hinsichtlich der darauf entfallenden Lohnsteuern –notfalls unter anteiliger Kürzung der Löhne– im Widerspruch zum gesetzlichen Ausbau der sozialen Sicherung der Arbeitnehmer und zum Bestreben nach Fortbestand des Unternehmens steht, ist wegen höchstrichterlicher Klärung nicht von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO (vgl. BFH-Rechtsprechung; Literatur).

2. Zur Geschäftsführerhaftung gemäß §§ 34, 69 AO 1977: Eine sachwidrige und zweckwidrige Verwendung hinsichtlich der Lohnsteuer liegt nicht nur dann vor, wenn der Unternehmer die Gelder im Wege der Entnahme für sich selbst (persönlich) verwendet, sondern auch dann, wenn die Lohnsteuer nicht an das FA abgeführt, sondern für andere betriebliche Zwecke verwendet wird (vgl. BFH-Rechtsprechung; hier: Verfahren wegen Nichtzulassungsbeschwerde).

Der Senat hat sich in seinem Beschluß vom 17.Juli 1984 VII S 9/84 (Steuerrechtsprechung in Karteiform –StRK–, Abgabenordnung 1977, § 69, Rechtsspruch 7) auch mit den wirtschaftlichen und sozialpolitischen Fragen auseinandergesetzt, die die von ihm entwickelte Verpflichtung des Arbeitgebers oder Betriebsleiters zur anteiligen Kürzung der Löhne zum Zwecke der gleichrangigen Befriedigung der Arbeitnehmer und des FA bei insgesamt nicht ausreichenden Zahlungsmitteln aufwerfen. Er hat dazu ausgeführt, daß das natürliche Bestreben des Unternehmers oder Geschäftsführers, zunächst die für den Fortbestand des Betriebs unumgänglichen Verpflichtungen zu befriedigen, und der hohe Rang, der der Erhaltung des Betriebs und seiner Arbeitsplätze nach der bestehenden Rechts- und Sozialordnung zukommt, es nicht rechtfertigen, die Abführung der auf die ausgezahlten Löhne entfallenden Lohnsteuer an das FA zurückzustellen. Denn anderenfalls würde der Betrieb mit Mitteln fortgeführt, die dem Unternehmer nicht gehören und die ihm auch nicht von den Berechtigten (Arbeitnehmer, Fiskus) hierfür zur Verfügung gestellt worden sind. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind damit insgesamt durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt und somit nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

Es liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers (Kläger) vor, wenn die Lohnsteuern als für den Arbeitgeber wirtschaftlich fremde Gelder sach- und zweckwidrig verwendet worden sind. Dies steht nicht in Widerspruch zu den von der Beschwerde genannten Urteilen in BFHE 75, 206, BStBl III 1962, 342, und in BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364. Aus den zitierten Urteilen geht nicht hervor, daß eine sach- und zweckwidrige Verwendung hinsichtlich der Lohnsteuer nur dann vorliegt, wenn der Unternehmer die Gelder im Wege der Entnahme für sich selbst (persönlich) verwendet. Der BFH ist vielmehr (unausgesprochen) in den genannten Urteilen davon ausgegangen, daß eine sach- und zweckwidrige Verwendung der einbehaltenen Lohnsteuer auch vorliegt, wenn diese nicht –wie gesetzlich vorgeschrieben (§ 41a Abs.1 des Einkommensteuergesetzes –EStG–)– an das FA abgeführt, sondern für andere betriebliche Zwecke verwendet wird. Der Kläger verkennt in diesem Zusammenhang, daß nach den BFH-Urteilen der Arbeitgeber hinsichtlich der Lohnsteuer nicht nur gegenüber den Arbeitnehmern, sondern auch gegenüber dem FA eine treuhänderische Stellung einnimmt.

 

Schlagworte: betriebliche Zwecke, Grundsatz der anteiligen Tilgung, Haftung für Steuerschulden, Pflichtverletzung und Kausalität, Sanierungsversuche, Verschulden