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BFH, Beschluss vom 11.03.2008 – VII B 214/06

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 96 Abs 1 FGO, § 76 Abs 1 FGO, § 69 AO, § 34 Abs 1 AO, § 92 InsO, § 93 InsO, § 128 HGB

1. Die Sperrwirkung von § 93 InsO erstreckt sich nur auf die Haftung des Gesellschafters aus § 128 HGB und nicht auch auf die Haftung aus § 69 AO.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) soll die Haftung im Falle eines Gesamtschadens –ebenso wie die Haftung der Gesellschafter nach § 93 InsO– der Gesamtheit der Gläubiger zugute kommen. Im Interesse der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger schließen diese insolvenzrechtlichen Vorschriften aus, dass sich einzelne Gläubiger durch einen schnelleren Zugriff Sondervorteile verschaffen (BGH-Urteil vom 4. Juli 2002 IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245, BStBl II 2002, 786). Wie der Senat unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte von § 93 InsO bereits entschieden hat, erstreckt sich die Sperrwirkung von § 93 InsO nur auf die Haftung des Gesellschafters gemäß § 128 des Handelsgesetzbuchs und nicht auf etwaig bestehende außergesellschaftsrechtliche Individualhaftungsansprüche, sodass eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme nach § 69 AO auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich ist (Senatsbeschluss vom 2. November 2001 VII B 155/01, BFHE 197, 1, BStBl II 2002, 73).

2. Die Frage nach dem Umfang und der Zumutbarkeit einer Sachaufklärung durch das FG ist einer allgemeinen Klärung nicht fähig, denn ihre Beantwortung hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.

Die Rechtsfrage zum Umfang der dem Gericht nach § 76 Abs. 1 FGO obliegenden Sachaufklärungspflicht ist einer allgemeinen Klärung nicht fähig. Denn ihre Beantwortung hängt von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Dies gilt insbesondere für die mit der Frage angesprochene Zumutbarkeit einer Sachaufklärung und für die Beweiserheblichkeit von Unterlagen. Die Art und Weise der Sachaufklärung und der hierzu notwendigen Beweiserhebung und die Auswahl der Beweismittel steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Regelmäßig hängt die Einschränkung der richterlichen Sachaufklärungspflicht bei einem Verstoß des Beteiligten gegen die ihm obliegende Mitwirkungspflicht, z.B. durch Nichtvorlage von Urkunden, von dem Grad der Pflichtverletzung, von der Beweisnähe und von der Zumutbarkeit sowie der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit der Mitwirkung des Beteiligten einerseits und der weiteren Aufklärung durch das Gericht andererseits ab (vgl. Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 76 Rz 50, m.w.N.). Mit seinem Vorbringen kleidet der Kläger die nachfolgende Rüge des Übergehens von Beweisanträgen (s. Nr. 4) in eine auf die Besonderheiten des Streitfalls bezogene Frage. Dies kann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen.

3. Ein erwarteter Kapitalzufluss vermag nur dann die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers auszuschließen, wenn dieser aufgrund verbindlicher und nachweisbarer Zusagen fest mit einem Zahlungseingang rechnen konnte.

Die bloße Erwartung eines Kapitalzuflusses kann nach der Rechtsprechung des Senats den gesetzlichen Vertreter einer GmbH nur dann entlasten, wenn er aufgrund von verbindlichen und nachweisbaren Zusagen fest mit einem Zahlungseingang rechnen konnte (Jatzke in Beermann/Gosch, AO, § 69 Rz 62, m.w.N.). Allein das Vertrauen darauf, die Steuerrückstände durch Realisierung von Außenständen ausgleichen zu können, reicht für einen Haftungsausschluss nicht aus (Senatsentscheidungen vom 24. März 2004 VII B 317/03, BFH/NV 2004, 1069, und vom 20. Januar 1998 VII R 80/97, BFH/NV 1998, 814).

4. Ein Haftungsschuldner, der sich zur Reduzierung seiner Mitwirkungspflicht auf die Unerreichbarkeit der bei einem Insolvenzverwalter befindlichen Unterlagen beruft, hat zumindest Angaben aus dem Gedächtnis zu machen, die die Existenz und den Inhalt der vermeintlich nicht erreichbaren Unterlagen belegen. Die nicht näher substantiierte Behauptung, dass sich Unterlagen bei einem Insolvenzverwalter befänden, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Schlagworte: Haftung für Steuerschulden, Sperrwirkung, Vollstreckung