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BFH, Beschluss vom 13. September 2016 – X B 146/15

§ 162 AO, § 15 EStG 2002, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO

1. Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen.

Sofern die Kläger die Höhe der vom FG zugrunde gelegten Aufschlagsätze rügen, die im Widerspruch zueinander stünden, richtet sich ihr Vorbringen gegen die Richtigkeit der Schätzung. Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG im Rahmen einer Schätzung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Steuerschätzungen (Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 21. Januar 2009 X B 125/08, BFH/NV 2009, 951, Rz 19). Ein zur Zulassung der Revision berechtigender erheblicher Rechtsfehler aufgrund objektiver Willkür kann allenfalls in Fällen bejaht werden, in denen das Schätzungsergebnis des FG wirtschaftlich unmöglich und damit schlechthin unvertretbar ist. Ein Verstoß gegen Denkgesetze führt bei Schätzungen erst zur Zulassung der Revision wegen willkürlich falscher Rechtsanwendung, wenn sich das Ergebnis der Schätzung als offensichtlich realitätsfremd darstellt (Senatsbeschluss in BFH/NV 2009, 951, Rz 20). Hiervon kann im Streitfall jedoch nicht im Geringsten ausgegangen werden, da sich die Schätzungen des FG an den Mittelwerten der jeweiligen Jahre orientiert haben und im letzten Jahr der Schätzung berücksichtigt worden ist, dass das Restaurant Mitte des Jahres 2008 geschlossen wurde.

2. Es besteht weder für das FA noch für das FG die Pflicht, ein aufgrund einer Schätzungsmethode gewonnenes Ergebnis durch die Anwendung einer weiteren Schätzungsmethode zu überprüfen oder zu untermauern. Es ist Sache der Tatsacheninstanz zu entscheiden, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, wenn diese geeignet ist, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen.

Die Kläger meinen, das FG sei von dem Senatsurteil vom 25. März 2015 X R 20/13 (BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743) dadurch abgewichen, dass es die Befugnis des FA zu einer nur auf einer Richtsatzschätzung basierenden Umsatzschätzung auch ohne vorgenommene Geldverkehrsrechnung bejaht hat. Demgegenüber habe der angerufene Senat in seinem Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 dargelegt, dass individuelle Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen (z.B. Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung) vorrangig heranzuziehen seien.

Eine Divergenz ist indes nicht gegeben, da die genannten Aussagen zu unterschiedlichen Sachverhalten ergangen sind. Der angerufene Senat hat den Vorrang der die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigenden Schätzungsmethoden, zu denen er die Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung und die Aufschlagkalkulation zählt, in Relation zum Zeitreihenvergleich ausgesprochen, und zwar in den Fällen, in denen die Buchführung des Steuerpflichtigen formell nicht ordnungsgemäß ist, materielle Unrichtigkeiten aber nicht konkret nachgewiesen werden konnten.

Im Streitfall hat das FG jedoch die materielle Unrichtigkeit der Buchführung aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalls (Mängel in der Kassenführung, fehlende aufzubewahrende Unterlagen, Ergebnis der Teilkalkulation) bereits bejaht.

Der Senat hat in dem vermeintlichen Divergenzurteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 (unter Rz 61) zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht, wonach der Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode hat. In diesem Zusammenhang hat er konkret den Senatsbeschluss vom 27. Januar 2009 X B 28/08 (BFH/NV 2009, 717) genannt, in dem unter 3.b ausgeführt wird, dass das FG nicht dadurch, dass es keine Vermögenszuwachsrechnung erstellt, gegen seine Aufklärungspflicht verstößt. Weder das FA noch das FG sind grundsätzlich verpflichtet, das aufgrund einer Schätzungsmethode (hier die Nachkalkulation anhand betriebsinterner Daten) gewonnene Ergebnis noch durch die Anwendung einer weiteren Schätzungsmethode zu überprüfen oder zu untermauern. Es ist Sache der Tatsacheninstanz, zu entscheiden, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, wenn diese geeignet sei, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen.

3. Wird gerügt, das FG habe entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt und somit gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, ist darzulegen, dass der vom FG zugrunde gelegte Sachverhalt dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht. Es müssen die Aktenteile genau bezeichnet werden, die das FG nach Ansicht des Klägers nicht berücksichtigt hat.

Auch die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler können nicht zur Zulassung der Revision führen.  Soweit sie in Bezug auf den Ansatz des Schankverlustes einen Verstoß gegen den klaren Akteninhalt rügen, erfüllen sie nicht die Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Wird gerügt, das FG habe entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt und somit gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, ist darzulegen, dass der vom FG zugrunde gelegte Sachverhalt dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht. Es müssen die Aktenteile genau bezeichnet werden, die das FG nach Ansicht des Klägers nicht berücksichtigt hat (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2012 III B 212/11, BFH/NV 2013, 78, Rz 9). Die Kläger führen lediglich an, dass ein Schankverlust in der Kalkulation nicht angesetzt worden sei, ohne indes zu konkretisieren, aus welcher Akte oder welchem Schriftsatz sich dies ergeben soll. Zudem steht diese Behauptung in Widerspruch zur Aussage des Zeugen S, der in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2015 laut Protokoll bekundet hat, er sei beim Schankverlust mit 50 % (Spirituosen) und 10 % (offene Weine auf der Basis von 138 €) an die obere Grenze gegangen.

Schlagworte: Formelles Steuerrecht, Schätzungsbefugnis