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BFH, Beschluss vom 28.08.2012 – I B 69/12

GmbHG §§ 35, 38, 39

1. Für rechtsfähige und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, für Personen, die geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, für alle Fälle der Vermögensverwaltung und für andere einer juristischen Person ähnlichen Gebilde, die als solche der Besteuerung unterliegen, sowie bei Wegfall eines Steuerpflichtigen handeln die nach dem bürgerlichen Recht dazu befugten Personen (§ 58 Abs. 2 Satz 1 FGO). Juristische Personen des privaten Rechts werden durch ihre Organe vertreten, die wie die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen ihrerseits geschäftsfähig sein müssen, um prozessfähig zu sein (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 58 FGO Rz 18). Ist die juristische Person eine GmbH, wird diese gerichtlich und außergerichtlich durch ihren Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG).

2. Legt der Geschäftsführer sein Amt nieder, verliert die GmbH ihre Prozessfähigkeit. Hieran ändert der seit dem 1. November 2008 geltende § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nichts. Nach dieser Vorschrift wird die Gesellschaft bei einer Führungslosigkeit, also beim Fehlen eines Geschäftsführers, von ihren Gesellschaftern gesetzlich vertreten, wenn ihr gegenüber Willenserklärungen abzugeben oder Schriftstücke zuzustellen sind. Das betrifft etwa die Zustellung einer Klageschrift. Darin erschöpft sich die Prozessführung aber nicht. Einen prozess kann die GmbH nur führen, wenn ihre Vertreter nicht nur zur Passivvertretung, sondern auch zur Aktivvertretung befugt sind, also auch Willenserklärungen mit Wirkung für die Gesellschaft abgeben können. Eine solche Rechtsmacht haben die Gesellschafter in den Fällen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nicht (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2010 – II ZR 115/09, DB 2010, 2719; zustimmend Altmeppen in Roth/ Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl., § 35 Rz 28; K. Schmidt, GmbHR 2011, 113 ff.; MünchKommGmbH/Stephan/ Tieves, § 35 Rz 247).

3. § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG kann auch nicht analog auf die Aktivvertretung angewandt werden, denn es fehlt an der Planwidrigkeit der Regelungslücke. § 35 Abs. 1 GmbHG ist gemessen an seinem Sinn und Zweck nicht ergänzungsbedürftig, weil – anders als in den Fällen der Passivvertretung – kein Bedürfnis für eine subsidiäre Selbstorganschaft besteht. Die Beschränkung des Gesetzes auf den Fall der Passivvertretung erklärt sich durch das gesetzgeberische Ziel, die Möglichkeit, durch eine Abberufung der Geschäftsführer Zustellungen und den Zugang von Erklärungen an die Gesellschaft zu vereiteln, zu unterbinden (BTDrucks 16/6140, S. 42); der Gesetzgeber wollte die Führungslosigkeit der GmbH nicht zur Gänze ausschließen (vgl. K. Schmidt, GmbHR 2008, 449, 451; ders. in Burghard/Hadding/Mülbert/Nietsch/ Welter [Hrsg.], Festschrift für Uwe H. Schneider, 2011, 1157, 1169). Diese begrenzte Zielsetzung erfordert eine Einbeziehung der Fälle der Aktivvertretung nicht; der Geschäftsverkehr muss insoweit nicht geschützt werden. Sollen Rechte der Gesellschaft wahrgenommen werden, ist es den Gesellschaftern unbenommen, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen und dadurch die aktive Geschäfts- und Verfahrensfähigkeit der GmbH wieder herzustellen (zutreffend LG Bonn, Beschluss vom 26. Mai 2009 – 30 T 426/09, NJW-RR 2009, 1342; Stephan/Tieves, a.a.O., § 35 Rz 246).

4. Der Geschäftsführer kann im Grundsatz jederzeit und fristlos seine Organstellung durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung wirksam beenden, ohne dass ein wichtiger Grund objektiv vorliegen oder er einen solchen in seiner Erklärung angeben müsste (BGH, Urteile vom 8. Februar 1993 II ZR 58/92, BGHZ 121, 257; vom 26. Juni 1995 II ZR 109/94, GmbHR 1995, 653; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 38 Rz 41, m.w.N.; Scholz/Schneider, GmbHG, 11. Aufl., § 38 Rz 87).

5. Die Amtsniederlegung ist nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn das Interesse des Rechtsverkehrs an der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft durch die Amtsniederlegung vollständig beseitigt wird, beispielsweise weil ein Alleingesellschafter, der zugleich Geschäftsführer ist, sein Amt niederlegt und darauf verzichtet, einen neuen Geschäftsführer zu bestellen (BayObLGZ 1999, 171, m. w. N.; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
ZIP 2008, 646; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, Beschluss vom 17. Dezember 2010 I-25 Wx 56/10, juris, m. w. N.). Zur Unzeit legt der Geschäftsführer sein Amt nach dem Rechtsgedanken der §§ 627 Abs. 2, 671 Abs. 2 BGB nieder, wenn die Gesellschaft hierdurch handlungsunfähig wird und sich in einer Krise befindet (Wachter, GmbHR 2001, 1129, 1132; ähnlich Kleindiek, a.a.O., § 38 Rz 44).

Schlagworte: Amtsniederlegung, Erklärung und Wirksamkeit, Folgen der Amtsniederlegung des Alleingeschäftsführers, Geschäftsführer, Gesellschafter, gesetzliche Vertretung, Prozessfähigkeit, Rechtsmissbrauch, Unzeit und Rechtsmissbrauch, Wichtiger Grund