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BFH, Urteil vom 05.02.1985 – VII R 124/80

§ 226 Abs 3 AO 1977, § 34 Abs 1 AO 1977, § 69 AO 1977, § 191 Abs 1 AO 1977, § 5 AO 1977, § 134 FGO, § 578 ZPO, § 579 ZPO, § 580 ZPO, § 35 Abs 1 GmbHG

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Haftung des Geschäftsführers
einer GmbH voraussetzende Pflichtverletzung kann auch dann erfüllt sein, wenn der gesetzliche Vertreter ungeachtet der erkennbar entstehenden Steueransprüche für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit keine Sorge trägt. Dabei kann je nach den Umständen des Falles ein bestimmtes pflichtgemäßes Verhalten auch schon vor der Entstehung der Steuerforderung geboten sein, wenn die Entstehung absehbar war (Festhaltung an dem BFH-Urteil vom 23.4.1974 VII R 141/71; vgl. BFH-Urteil vom 16.1.1980 I R 7/77, FG Münster; zur engeren Auffassung hinsichtlich des Zeitpunkts der Pflichtverletzung vgl. Literatur und das BFH-Urteil vom 26.4.1984 V R 128/79).

Es ist allerdings streitig, ob die Verpflichtung des gesetzlichen Vertreters, auch schon vor Fälligkeit der Steuerschulden für ihre künftige, fristgerechte Entrichtung Sorge zu tragen, auch dann besteht, wenn die Steuerforderung noch nicht entstanden ist. Die Streitfrage ist im vorliegenden Fall von Bedeutung, weil die Pflichtverletzung der Klägerin in der Gestaltung der Verträge vom 20./21.April 1978 angenommen worden ist, während die Umsatzsteuer bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (§ 13 Abs.1 Nr.1 Buchst.a Satz 1 UStG). Der V. Senat des BFH hat –ohne daß die Streitfrage entscheidungserheblich gewesen wäre– in BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776, 779 ausgeführt, daß ein Geschäftsführer seine steuerlichen Pflichten schon dann verletzt, wenn er sich durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise außerstande setzt, eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. Auch Tipke/Kruse (Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11.Aufl., § 69 AO 1977 Tz.13) verlangen für die Haftung nach § 69 Satz 1 AO 1977, daß die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im Zeitpunkt der Pflichtverletzung entstanden sind. Dagegen ist der erkennende Senat in seinem Urteil vom 23.April 1974 VII R 141/71 (BFHE 112, 539) für die Anwendung der §§ 103, 109 der Reichsabgabenordnung (AO) davon ausgegangen, daß die die Haftung auslösende Pflichtverletzung auch schon vor der Entstehung der verkürzten Steueransprüche begangen werden kann (Verletzung der Überwachungspflicht zur Verhütung der bestimmungswidrigen Verwendung von Heizöl). Auch nach Ansicht des I. Senats des BFH (Urteil vom 16.Januar 1980 I R 7/77, BFHE 130, 230, BStBl II 1980, 526) kann die Pflichtverletzung des gesetzlichen Vertreters einer juristischen Person darin liegen, daß er ungeachtet bestehender oder zu erwartender Steueransprüche über die Mittel der juristischen Person anderweitig verfügt.

Der erkennende Senat hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Er vermag auch aus der Regelung in den §§ 34, 69 AO 1977 keinen Hinweis auf die Einschränkung der Pflichten des Vertreters in zeitlicher Hinsicht zu erkennen. Der Schadensersatzcharakter der Haftungsregelung setzt nur voraus, daß die Pflichtverletzung für die Steuerverkürzung ursächlich war. Diese Voraussetzung kann –wie im Streitfall– auch dann erfüllt sein, wenn der gesetzliche Vertreter ungeachtet der erkennbar entstehenden Steueransprüche für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit keine Sorge trägt. Dabei kann je nach den Umständen des Falles ein bestimmtes pflichtgemäßes Verhalten auch schon vor der Entstehung der Steuerforderung geboten sein, wenn die Entstehung absehbar war (im Ergebnis ebenso: FG Münster, EFG 1982, 594; Helsper in Koch, Abgabenordnung – AO 1977, 2.Aufl., § 69 Anm.3 und 7; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung, 14.Aufl., § 69 Anm.3c).

Schlagworte: Grundsatz der anteiligen Tilgung, Haftung für Steuerschulden, Mittelvorsorgepflicht, Pflichtverletzung und Kausalität