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BFH, Urteil vom 05.08.2010 – V R 13/09

§ 71 AO, § 1 Abs 1 UStG 1999, § 3 Abs 1 UStG 1999, § 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 35 AO

1. Im Bereich des Sonderdelikts aus § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann in Bezug auf die Hinterziehung von Umsatzsteuern Täter nur sein, wer die rechtliche Erklärungspflicht für die Voranmeldungen und die Jahreserklärungen zu erfüllen hat (vgl. BGH-Urteil in BFH/NV 2004 Beilage 2, 163, sowie z.B. Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz 1403; Joecks in Franzen/Gast/ Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 Rz 155). Zu den Erklärungsverpflichteten gehört unter anderem auch der Verfügungsberechtigte i.S. des § 35 AO (BFH-Entscheidungen vom 16. März 1995 VII R 38/94, BFHE 177, 209, BStBl II 1995, 859; vom 7. April 1992 VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213; aus steuerstrafrechtlicher Sicht BGH-Entscheidungen vom 8. November 1989  3 StR 249/89, Zeitschrift für wirtschaft, Steuer, Strafrecht –wistra– 1990, 97; vom 17. Februar 1998  5 StR 624/97, wistra 1998, 225; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz 118.1 und 118.3).

2. Verfügungsberechtigter i.S. des § 35 AO ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH jeder, der nach dem Gesamtbild der Verhältnisse rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und als solcher nach außen auftritt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Entscheidungen vom 10. Mai 1989 I R 121/85, BFH/NV 1990, 7; vom 27. November 1990 VII R 20/89, BFHE 163, 106, BStBl II 1991, 284; vom 24. April 1991 I R 56/89, BFH/NV 1992, 76; in BFH/NV 1993, 213; vom 19. Mai 2009 VII B 207/08, nicht veröffentlicht –n.v.–). Eine rechtliche Verfügungsmacht besteht danach, wenn der Verfügungsberechtigte die Pflichten des gesetzlichen Vertreters –mittelbar– durch die Bestellung der entsprechenden Organe erfüllen lassen kann (s. Boeker in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 35 AO Rz 10, 14; Jatzke in Beermann/Gosch, AO § 35 Rz 10, 11, 19). Der „Auftritt nach außen“ liegt vor, wenn der faktische Geschäftsführer sich gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit als solcher geriert, das Auftreten gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit aber weisungsabhängigen Personen überlässt (BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 76; vgl. auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 25. Juni 2008  12 K 407/04, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2008, 1434).

3. Die Haftung gemäß § 71 AO entfällt, wenn derselbe Vermögensschaden für den Fiskus auch bei steuerehrlichem Verhalten eingetreten wäre (vgl. Jatzke in Beermann/Gosch, a.a.O., § 71 Rz 15). Die Haftung ist im Fall der Nichtabgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Nichtentrichtung fälliger Steuerbeträge auf den Betrag begrenzt, der bei rechtzeitiger Abgabe und Zahlung unter gleichmäßiger Befriedigung aller Gläubiger hätte getilgt werden können (BFH-Beschlüsse vom 27. März 2006 VII B 117/05, BFH/NV 2006, 1254; vom 22. Oktober 2009 V B 108/08, BFH/NV 2010, 170).

Schlagworte: faktischer Geschäftsführer, Grundsatz der anteiligen Tilgung, Haftung für Steuerschulden, Pflichtverletzung und Kausalität, Schuldner, Zahlungsmöglichkeit