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BFH, Urteil vom 05. Juni 2014 – XI R 36/12

§ 2 Abs 2 Nr 2 UStG 1999, § 3 Abs 9a Nr 1 UStG 1999, § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b EStG 2002, EWGRL 388/77 Art 6 Abs 2 Buchst a, EWGRL 388/77 Art 6 Abs 2 Buchst b EGRL 112/2006 Art 26 Abs 1 Buchst a, EGRL 112/2006 Art 26 Abs 1 Buchst b, Abschn 15.6. Abs 1 S 4 UStAE, Abschn 15.23 Abs 2 S 2 UStAE

Die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten PKW für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte erfolgt nicht für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, und ist mithin nicht als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen.

Der Auffassung des FG, diese Rechtsprechung des EuGH sei auf die Fahrten eines Unternehmers von seinem Wohnort zum Unternehmen (Betriebsstätte) und zurück entsprechend anzuwenden (ebenso Niedersächsisches FG, Urteil vom 11. November 2004  5 K 445/00, EFG 2005, 490, unter 2.; FG München, Urteil vom 27. November 2008  14 K 325/06, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst –DStRE– 2010, 44, unter II.; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 630; Meyer, EFG 2013, 90, 91; Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 1743; Reiß, Umsatzsteuerrecht 2012, S. 283; Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 10 Rz 342; ders., Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2013, 95, 96; Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 10 Rz 428; wohl auch Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., § 17 Rz 334), folgt der Senat nicht. Vielmehr sind diese Fahrten als unternehmerisch veranlasste Fahrten einzustufen (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 29. Mai 2000 IV D 1-S 7303b-4/00, BStBl I 2000, 819, Rz 22; vom 5. Juni 2014 IV D 2-S 7300/07/10002:001, 2014/0492152, BStBl I 2014, 896, unter Tz I.2.; Abschn. 15.6. Abs. 1 Satz 4 und Abschn. 15.23. Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; Huschens, Steuerrecht kurzgefasst –SteuK– 2013, 127; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, MwStSystRL Art. 24 bis 29 Rz 17; Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., S. 349; Obermair, Neue Wirtschafts-Briefe –NWB– Fach 7, 6867, 6875; Rothenberger, Der Umsatz-Steuer-Berater –UStB– 2013, 7, 8; Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 15 Rz 333 und 987; ders., UR 2011, 256; offen lassend BFH-Urteil vom 1. September 2010 V R 6/10, BFH/NV 2011, 80, Rz 18).

Die Frage, ob ein Unternehmer einen dem Unternehmen zugeordneten Gegenstand i.S. des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG „für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen“ oder i.S. des Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (seit dem 1. Januar 2007 Art. 26 Abs. 1 Buchst. a der MwStSystRL) für seinen „privaten Bedarf“ verwendet, beurteilt sich aus der Sicht des Unternehmens bzw. des Unternehmers (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 V R 3/88, BFHE 170, 277, BStBl II 1993, 380, unter II., Rz 18; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, MwStSystRL Art. 24 bis 29, Rz 17).

Während ein Arbeitnehmer (arbeitsrechtlich) verpflichtet ist, während der vereinbarten Zeit an der Arbeitsstätte zu sein, sodass es grundsätzlich keinen unternehmerischen (betrieblichen) Grund gibt, den Arbeitnehmer vom Wohnort zum Unternehmen (Betrieb) und zurück zu befördern (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteil –Fillibeck– in Slg. 1997, I-5577, UR 1998, 61, Rz 26), gilt dies bei entsprechenden Fahrten des Unternehmers nicht (zutreffend Obermair, NWB Fach 7, 6867, 6875; Rothenberger, UStB 2013, 7, 8). Anders als ein Arbeitnehmer sucht ein Unternehmer seinen Betrieb auf, um dort unternehmerisch tätig zu sein. Es ist nicht ersichtlich, welchem privaten Bedarf diese Fahrten des Unternehmers dienen sollten (zutreffend Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 15 Rz 333). Denn seine Fahrten zwischen Wohnort und Unternehmen (Betrieb) dienen der Ausführung von Umsätzen (Rothenberger, UStB 2013, 7, 8) und werden grundsätzlich durch die „Erfordernisse des Unternehmens“ (vgl. dazu EuGH-Urteil –Fillibeck– in Slg. 1997, I-5577, UR 1998, 61, Leitsatz 2, Rz 29 und 33; ferner z.B. BFH-Urteile vom 23. November 2000 V R 49/00, BFHE 193, 170, BStBl II 2001, 266, unter II.1.; vom 29. Januar 2014 XI R 4/12, BFHE 244, 131, BFH/NV 2014, 992, Orientierungssatz 1, Rz 57 f., m.w.N.) gerechtfertigt (zutreffend Obermair, NWB Fach 7, 6867, 6875; vgl. auch Huschens, SteuK 2013, 127). Zwischen diesen Fahrten und den vom Unternehmer ausgeführten Umsätzen besteht deshalb –anders als bei entsprechenden Fahrten eines Arbeitnehmers (vgl. EuGH-Urteil –Fillibeck– in Slg. 1997, I-5577, UR 1998, 61, Rz 27)– ein unmittelbarer Zusammenhang. Dass die Heimfahrten auch privaten Charakter haben, ist angesichts des klaren Überwiegens der unternehmerischen Verwendung unbeachtlich und ändert mithin an der Beurteilung von Fahrten eines Unternehmers zwischen Wohnung und Betriebsstätte als unternehmerischen Zwecken dienende Fahrten nichts.

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