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BFH, Urteil vom 06.03.2001 – VII R 17/00

AO §§ 34, 35, 69, 71, 226, 370; UStG §§ 4, 9

1. Gemäß § 69 Satz 1 AO haften die in dem § 34 AO benannten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Zu dem in § 34 Abs. 1 AO benannten Personenkreis gehört u.a. auch der Geschäftsführer einer KG; denn eine KG ist eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung.

2. Grundsätzlich setzt die Haftung nach den §§ 34, 69 AO voraus, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsanspruch geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität besteht. Dies ergibt sich aus dem Schadensersatzcharakter der Haftung nach den genannten Vorschriften. Ziel der Haftung ist es danach, Steuerausfälle auszugleichen, die durch schuldhafte Pflichtverletzungen der in § 34 und § 35 AO genannten Personen verursacht worden sind. Eine Haftung kommt dann in Betracht, wenn zwischen der Pflichtverletzung und dem Steuerausfall als dem auszugleichenden Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Dies gilt nicht nur im Falle der Nichterfüllung einer Steuerschuld (§ 69 Satz 1 Alternative 2 AO ), sondern auch im Fall der Verletzung von Steuererklärungspflichten (vgl. BFH-Urteile vom 2. März 1993 VII R 90/90, BFH/NV 1994, 526; vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678, und vom 25. April 1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 69 Rdnr. 90).

3. Zur Begründung der Kausalität bedarf es der Feststellung, dass die Steuerschuldnerin nach Entstehung der Umsatzsteuerschulden zu deren Zahlung in der Lage gewesen ist, ihr mithin ausreichende Mittel zur Verfügung standen.

4. Gemäß § 71 AO haftet derjenige, der eine Steuerhinterziehung begeht, für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile. Voraussetzung der Haftungsinanspruchnahme ist mithin zunächst die Feststellung des Vorliegens einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO. Die Steuerhinterziehung muss tatbestandsmäßig, rechtswidrig und vorsätzlich schuldhaft verwirklicht worden sein (Ehlers in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 71 AO 1977 Rz. 3). Die Haftung gemäß § 71 AO reicht nur soweit, wie der Vorsatz des Täters gereicht hat (BFH-Urteil in BFHE 175, 489, BStBl II 1995, 198, m.w.N.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 71 Anm. 11; Ehlers in Beermann, a.a.O., § 71 AO 1977 Rz. 6).

5. Die Steuerschuld muss nicht vor einer Inanspruchnahme des Geschäftsführers über der GmbH festgesetzt sein.

6. Die Grundsätze der anteiligen Tilgung finden grundsätzlich Anwendung (vgl. für den Fall, dass der Geschäftsführer die Umsatzsteuer-Voranmeldung nicht, nicht ordnungsgemäß oder nicht rechtzeitig abgegeben hat: Urteile des Senats in BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678, m.w.N., und in BFH/NV 1994, 526). Nach der Rechtsprechung des Senats findet der Grundsatz der anteiligen TilgungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Grundsatz der anteiligen Tilgung
jedoch insoweit eine Einschränkung, als der Haftende sich dann nicht darauf berufen kann, wenn bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Steuererklärungspflicht der Steuerausfall vermieden worden wäre (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 97, m.w.N.). Dies hat der Senat dann angenommen, wenn aussichtsreiche Vollstreckungsmaßnahmen vereitelt oder dem FA Aufrechnungsmöglichkeiten genommen werden (BFH-Urteile in BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678, und in BFH/NV 1996, 97).

7. Liegen zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuer nicht ausreichende Mittel zur Verfügung, trägt das FA die Feststellungslast für eine nicht anteilige Befriedigung (BFH-Urteil vom 8. Juli 1982 V R 7/76, BFHE 137, 1, BStBl II 1983, 249), dem Geschäftsführer obliegt  jedoch eine gesteigerte Mitwirkungspflicht (Urteil vom 23. August 1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570). Es sind Feststellungen zu treffen, ob und in welchem Umfang eine gleichmäßige Tilgung der spätestens am 10. des Monats an sich fällig gewesenen Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Grundstücksverkauf und der übrigen Schulden der GmbH in diesem Zeitpunkt möglich gewesen wäre. Allein die Feststellung vorhandener Zahlungsmittel im Haftungszeitraum, die zudem die Haftungssumme nicht annähernd erreichen, lässt daher noch keine Rückschlüsse darauf zu, in welchem Umfang das FA im Vergleich zu anderen Gläubigern benachteiligt worden ist. Das FA hat grundsätzlich darzulegen, dass hinreichende Zahlungsmittel zur Verfügung standen und in welchem Umfang eine Benachteiligung gegenüber anderen Gläubigern vorlag (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1986 VII R 190/82, BFH/NV 1987, 223). Gleichwohl trifft den Kläger eine gesteigerte Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des in seiner Sphäre liegenden Sachverhalts, weshalb das FA von diesem Auskunft verlangen kann. Die Verletzung dieser Mitwirkungspflicht durch Schweigen oder eine ungerechtfertigte Weigerung, solche in seinem Wissensbereich liegende Auskünfte zu erteilen, können gegen den Kläger verwertet werden (BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 570, m.w.N.).

Schlagworte: adäquater Kausalzusammenhang, Aufrechnung, Festsetzung, Grundsatz der anteiligen Tilgung, Haftung für Steuerschulden, Mitwirkungspflichten, Nichterfüllung der Steuerschuld, Pflichtverletzung und Kausalität, Steuererklärungspflicht, Verschulden, Vollstreckung, Zahlungsmöglichkeit