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BFH, Urteil vom 14.03.2012 – I R 13/11

AO § 45; UmwStG §§ 12, 15; UmwG §§ 123, 135

1. Bei Abspaltung eines Teilbetriebs kann jedes an der Spaltung beteiligte Unternehmen sowie auch ein Dritter allein oder zusammen mit den beteiligten Unternehmen das Fortführungserfordernis des § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 erfüllen (Bestätigung des Senatsurteils vom 27. Mai 2009 I R 94/08, BFHE 225, 131, BStBl II 2010, 937).

2. Der Übergang eines verbleibenden Verlustabzugs setzt aber voraus, dass der verlustverursachende Betriebsteil am Stichtag der Verschmelzung oder Spaltung beim übertragenden Rechtsträger tatsächlich vorhanden ist (Anschluss an Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 I R 4/09, BFHE 228, 21, BStBl II 2011, 315)

3. Für einen Verlustabzug durch den übernehmenden Rechtsträger ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht erforderlich, dass dieser den für den Verlust ursächlichen Betrieb oder Betriebsteil selbst fortführt. Die Vorschrift des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass in Verschmelzungsfällen der übernehmende Rechtsträger einen verbleibenden Verlustabzug auch dann geltend machen kann, wenn der für den Verlust ursächliche Betrieb oder Betriebsteil von einem anderen Rechtsträger innerhalb der Fünfjahresfrist fortgeführt wird (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2009 I R 94/08, BFHE 225, 131, BStBl II 2010, 937).

4. Im Fall einer Abspaltung, bei der der übertragende Rechtsträger im Unterschied zum Fall einer Verschmelzung bestehen bleibt, kann der für den Verlust ursächliche Betrieb oder Betriebsteil auch von der Kapitalgesellschaft fortgeführt werden, bei der dieser Betrieb oder Betriebsteil im Rahmen der Umwandlung verbleibt. Die in § 15 Abs. 4 UmwStG 2002 festgeschriebene Aufteilung des Verlustabzugs zwischen übernehmendem und übertragendem Rechtsträger zeigt für die Spaltung auf, dass die Verlustquelle –zumindest teilweise– von dem Verlust selbst getrennt werden kann, ohne dass dies einem Verlustabzug beim übernehmenden Rechtsträger entgegensteht (vgl. Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/Jost, Umwandlungssteuerrecht, 5. Aufl., § 12 Rz 97). Somit kann jedes an der Spaltung beteiligte Unternehmen sowie auch ein Dritter allein oder zusammen mit den beteiligten Unternehmen das Fortführungserfordernis des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 erfüllen. Der Übergang eines verbleibenden Verlustabzugs bei der abspaltenden Körperschaft auf die abgespaltene Körperschaft hat zugleich aber nicht zur Voraussetzung, dass der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, abgespalten werden muss (vgl. Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/Jost, a.a.O., § 12 Rz 97; Breuninger/Frey, GmbH-Rundschau 1998, 866, 874).

5. Ein Übergang eines verbleibenden Verlustabzugs setzt indessen voraus, dass der verlustverursachende Betriebsteil am Stichtag der Verschmelzung oder Spaltung beim übertragenden Rechtsträger tatsächlich vorhanden ist (ebenso z.B. Wisniewski in Haritz/Benkert, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 12 Rz 65; Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 4. Aufl., § 12 UmwStG Rz 98; Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/Jost, a.a.O., § 12 Rz 81; Dötsch, Der Betrieb 1997, 2144, 2146; Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 12 UmwStG vor SEStEG, Rz 81, 87; Schießl in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 12 UmwStG Rz 694; anderer Ansicht Prinz, Finanz-Rundschau 1997, 881, 885; Kröner, Deutsches Steuerrecht 1998, 1495, 1502). Es genügt nicht, dass der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, zu diesem Zeitpunkt bei einem Dritten noch vorhanden ist.

6. Die übernehmende Körperschaft kann nur fortführen, was im Zeitpunkt der Verschmelzung oder Spaltung bei ihr noch vorhanden ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002, der eine Verknüpfung zu dem Betrieb oder Betriebsteil herstellt, welcher den Verlust verursacht hat. Für diese Auffassung streitet auch der systematische Zusammenhang mit der Generalklausel in § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 2002. Die übernehmende Körperschaft tritt nach der Generalklausel in Satz 1 –in Abweichung des vom Grundsatz der Individualbesteuerung geprägten Einkommen- wie Körperschaftsteuerrechts– grundsätzlich umfassend in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft ein. Hinsichtlich eines verbleibenden Verlustvortrags wird dieser umfassende Eintritt allerdings über Satz 2 wieder eingeschränkt. Die interpersonale Übertragung eines Verlustvortrags ist danach an den Bestand des verlustverursachenden Betriebs oder Betriebsteils geknüpft; der Fortführungstatbestand des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 enthält ein retrospektives Element (Wisniewski in Haritz/Benkert, a.a.O., § 12 Rz 65).

7. Nichts anderes ergibt sich aus dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge (§ 45 der Abgabenordnung). Denn der Grundsatz, dass der übernehmende Rechtsträger in vollem Umfang in die Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers eintritt, wird gerade durch § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 modifiziert. Aufgrund der weiterhin durch Satz 2 angeordneten Verknüpfung des Verlustvortrags mit dem verlustverursachenden Betrieb oder Betriebsteil wird der Verlustvortrag zwar zu einem solchen des übernehmenden Rechtsträgers, aber er bleibt „verursacht“ durch den verlustverursachenden Betrieb oder Betriebsteil.  Durch die Verschmelzung wird die in der Vergangenheit liegende „Verursachung“ des Verlusts durch einen Betrieb oder Betriebsteil nicht einem anderen Betrieb oder Betriebsteil zugeordnet. Der Übergang des Verlustabzugs nach § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 hängt damit jedenfalls davon ab, dass der Verlustbetrieb zu irgendeinem Zeitpunkt auf das aufnehmende Unternehmen übergegangen ist. Deshalb ist es zwar unschädlich, wenn das aufnehmende Unternehmen den Betrieb oder Betriebsteil in der Folge veräußert und der Erwerber ihn sodann bis zum Ende des maßgeblichen Zeitraums fortführt. Ein Verlustabzug geht aber nicht auf das aufnehmende Unternehmen über, wenn dieses zu keiner Zeit den Verlustbetrieb erwirbt, sondern der Verlustbetrieb unmittelbar von einem anderen Rechtsträger übernommen wird. Anderenfalls könnte der Verlustabzug ohne den Verlustbetrieb erworben werden, was nicht mit dem Zweck des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 vereinbar wäre, einen „Handel“ mit Verlustabzügen zu verhindern (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2009 I R 4/09, BFHE 228, 21, BStBl II 2011, 315, unter Hinweis auf Senatsurteil in BFHE 225, 131, BStBl II 2010, 937). Für Verschmelzungen oder Spaltungen, die einer vorangehenden Verschmelzung oder Spaltung nachfolgen, bedeutet dies, dass die kausale Verknüpfung mit dem verlustverursachenden Betrieb oder Betriebsteil erhalten bleibt. Bei zeitlich nachfolgenden Rechtsübertragungen müssen daher zum jeweiligen Stichtag die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsnorm erfüllt sein.

8. Vor diesem Hintergrund ist auch eine Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass die „Verlustverursachung“ nur auf den „Betriebsteil“ und nicht auf den „Betrieb“ zu beziehen ist, nicht möglich. Bei einer solchen Auslegung wäre der Begriff des Betriebs letztlich mit dem des Unternehmens gleichzusetzen, was im Wortlaut keine Stütze findet.

9. Nichts anderes ist der Entscheidung des Senats in BFHE 225, 131, BStBl II 2010, 937 zu entnehmen. Zwar kann –wie die Regelung des § 15 Abs. 4 UmwStG 2002 zeigt– die Verlustquelle vom Verlustvortrag getrennt sein. Dies gilt allerdings erst für den Zeitraum nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag. Eine Trennung der Verlustquelle vom Verlustvortrag vor dem jeweiligen Verschmelzungsstichtag würde hingegen die kausale Verknüpfung mit dem verlustverursachenden Betrieb oder Betriebsteil aufheben (vgl. Senatsurteil in BFHE 228, 21, BStBl II 2011, 315). Die Fortführung des Verlustbetriebs durch einen Dritten vor dem Verschmelzungsstichtag, die die Fortführung des –aufgrund eines ersten Verschmelzungsvorgangs übergegangenen– verbleibenden Verlustvortrags bei der übernehmenden Körperschaft ermöglicht (vgl. Senatsurteil in BFHE 225, 131, BStBl II 2010, 937), hat sonach Auswirkungen auf alle nachfolgenden Übertragungsvorgänge. Für diese weiteren Übertragungsvorgänge genügt gerade nicht, dass der Verlustbetrieb über den Verschmelzungs- oder Spaltungsstichtag hinaus von irgendjemandem im erforderlichen Umfang fortgeführt wird. Das weitere Schicksal des Verlustvortrags ist vielmehr weiterhin verknüpft mit dem verlustverursachenden Betrieb oder Betriebsteil.

10. Zu einer Verschmelzung wird vertreten, dass ein verbleibender Verlustabzug auch dann übergehen kann, wenn der verlustverursachende Betriebsteil vor dem Verschmelzungsstichtag aufgegeben worden ist, aber der Betrieb als solcher bestehen bleibt (vgl. Schmitt/Hörtnagl/Stratz, a.a.O., § 12 UmwStG Rz 98; Hofmeister in Wassermeyer/D. Mayer/Rieger [Hrsg.], Umwandlungen im Zivil- und Steuerrecht, Festschrift für Siegfried Widmann, 2000, S. 413, 418; Dötsch in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, a.a.O., § 12 UmwStG nF Rz 74). Diese Auffassung basiert auf der im Wortlaut des § 12 Abs. 3 Satz 2 UmwStG 2002 gründenden Annahme, dass der durch einen „Betriebsteil“ verursachte Verlust zugleich auch ein vom „Betrieb“ verursachter Verlust ist (vgl. Hofmeister in Festschrift Widmann, a.a.O., S. 413, 417). Damit wird vorausgesetzt, dass der „Betrieb“ der Übertragerin aus mehreren „Betriebsteilen“ besteht. Im Falle der Spaltung könnte zwar ebenfalls der Verlustvortrag des verursachenden „Betriebsteils“ als vom „Betrieb“ verursachter Verlustvortrag gesehen werden. Da bei einer Spaltung aber der verlustverursachende Betrieb nicht vollständig untergeht, käme es lediglich aufgrund dieser Besonderheit des Spaltungsvorgangs zu einer Aufteilung des Verlustvortrags nach § 15 Abs. 4 UmwStG 2002. Insofern werden aber Spaltungen wie Verschmelzungen im Grundsatz nicht unterschiedlich behandelt.

Schlagworte: Abspaltung, Betriebsteil, Gesamtrechtsnachfolge, Spaltung, Steuerrecht, Teilbetrieb, übernehmender Rechtsträger, übertragender Rechtsträger, Umwandlung, Umwandlungssteuerrecht, verlustverursachender Betriebsteil, Verlustvortrag, Verschmelzung, Verschmelzungsstichtag