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BFH, Urteil vom 21.07.2012 – V R 1/08

EStG §§ 4, 6, 15, 52; GG Art 2, 20

1. Wird ein Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens teilentgeltlich in das Gesamthandsvermögen einer Schwesterpersonengesellschaft übertragen, ist der Vorgang insoweit als Entnahme zu beurteilen, als das Entgelt hinter dem Teilwert des Wirtschaftsguts zurückbleibt.

2. Zum Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft zählen auch Wirtschaftsgüter, die einem einzelnen Mitunternehmer gehören, die jedoch dazu geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb der Mitunternehmerschaft zu dienen (Sonderbetriebsvermögen I). Dies sind insbesondere solche Wirtschaftsgüter, die ein Mitunternehmer der Mitunternehmerschaft zur Nutzung für deren gewerbliche Tätigkeit überlässt (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 19. Februar 1991 VIII R 65/89, BFHE 164, 315, BStBl II 1991, 789), und zwar unabhängig davon, ob die Wirtschaftsgüter für die Zwecke der Mitunternehmerschaft notwendig sind (BFH-Urteile vom 23. Mai 1991 IV R 94/90, BFHE 164, 540, BStBl II 1991, 800; vom 13. Oktober 1998 VIII R 46/95, BFHE 187, 425, BStBl II 1999, 357, unter II.2.b der Gründe, und vom 17. Dezember 2008 IV R 65/07, BFHE 224, 91, BStBl II 2009, 371).

3. Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann Wirtschaftsgüter aus seinem Sonderbetriebsvermögen an die Gesellschaft wie ein fremder Dritter entgeltlich veräußern (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, unter C.III.6.a cc; BFH-Urteile vom 25. Juli 1995 VIII R 25/94, BFHE 178, 418, BStBl II 1996, 684, und vom 11. Dezember 1997 IV R 28/97, BFH/NV 1998, 836). Überschreitet das Entgelt den Buchwert, erzielt der Gesellschafter aus der Veräußerung einen Gewinn in seinem Sonderbetriebsvermögen. Entgelt für die Übertragung eines Wirtschaftsguts ist jede Gegenleistung, gleichgültig ob sie in Geld, Sachen oder Rechten besteht. Deshalb ist auch die Einräumung einer Forderung als Gegenleistung für die Übertragung des Wirtschaftsguts ein Entgelt. Räumt eine Personengesellschaft ihrem Gesellschafter als Gegenleistung für die Übertragung eines Wirtschaftsguts eine Forderung ein, ist dieser Vorgang nicht anders als im Fall der Übernahme einer Verbindlichkeit des Gesellschafters durch die Gesellschaft als ein entgeltliches Geschäft zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 IV R 37/06, BFHE 220, 374, BStBl II 2011, 617, m.w.N.; zur Übernahme von Verbindlichkeiten BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 VIII R 58/98, BFHE 197, 411, BStBl II 2002, 420, m.w.N.). Als Einräumung einer Forderung ist auch anzusehen, wenn die Personengesellschaft dem Gesellschafter als Gegenleistung für die Übertragung des Wirtschaftsguts eine Gutschrift auf einem Gesellschafterkonto erteilt, das jederzeit fällige Forderungen und damit aus der Sicht der Gesellschaft Fremdkapital ausweist (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1976 IV R 210/72, BFHE 120, 239, BStBl II 1977, 145).

4. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, aus welchem ihm zugeordneten Betriebsvermögen der Gesellschafter das Wirtschaftsgut auf eine Personengesellschaft, an der er beteiligt ist, überträgt. Die vorstehenden Grundsätze gelten deshalb auch für die Übertragung aus dem Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei einer Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen einer anderen Personengesellschaft, an der der Gesellschafter ebenfalls beteiligt ist (Schwesterpersonengesellschaft).

5. Soweit das Entgelt hinter dem Verkehrswert des Grundstücks zurückbleibt, ist die Übertragung unentgeltlich durchgeführt worden und hat zu einem Entnahmegewinn geführt.

6. Verlässt ein Wirtschaftsgut das Betriebsvermögen aus betriebsfremden Gründen ohne angemessene GegenleistungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gegenleistung
, ist der Vorgang als Entnahme zu beurteilen. Die Entnahme wird nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit dem Teilwert bewertet, bzw. bei einer den Teilwert nicht erreichenden Gegenleistung mit der Differenz zwischen der Gegenleistung und dem Teilwert.

7. § 6 Abs. 5 EStG 1999 enthielt –anders als § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG in seiner seit 2001 geltenden Fassung– keine Regelung über eine privilegierte Bewertung der Entnahme, die durch Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters bei einer Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen einer Schwesterpersonengesellschaft ausgelöst wird.

8. Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung zu einer Übertragung aus dem Sonderbetriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer Schwesterpersonengesellschaft kann nicht dahin verstanden werden, dass in einem solchen Fall der Buchwert hätte angesetzt werden sollen (gleicher Ansicht Cattelaens, Der Betrieb 1999, 1083, 1084; Neumann, Steuerberater-Jahrbuch 1999/2000, 63, 72; Schulze zur Wiesche, Deutsches Steuerrecht –DStR– 1999, 917, 920; anderer Ansicht Korn/Strahl, Kölner Steuerdialog 1999, 11964, 11971; Strahl, Finanz-Rundschau 1999, 628, 630; im Ergebnis auch Hörger/Mentel/Schulz, DStR 1999, 565, 572). Eine solche Übertragung lässt sich nicht unter § 6 Abs. 5 Satz 1 oder Satz 2 EStG 1999 subsumieren, denn beide Sätze regeln nur Überführungen und damit Transfers ohne Rechtsträgerwechsel. Es kommt auch keine analoge Anwendung dieser Regelungen auf Übertragungen zwischen Sonderbetriebsvermögen bei einer Personengesellschaft und Gesamthandsvermögen einer Schwesterpersonengesellschaft in Betracht. Denn aus § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 1999 lässt sich klar erkennen, dass der Gesetzgeber für Übertragungen, also Transfers mit Rechtsträgerwechsel, keine Privilegierung zulassen wollte. Dies findet seine Stütze in den Gesetzesmaterialien, aus denen sich ergibt, dass die steuerneutrale ÜbertragungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
steuerneutrale Übertragung
Übertragung
nach dem sog. Mitunternehmererlass (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Dezember 1977 IV B 2 -S 2241- 231/77, BStBl I 1978, 8) abgeschafft werden sollte (Begründung zum Gesetzentwurf, BTDrucks 14/23, S. 173) und dass an diesem Ziel auch im Verlauf der Beratungen über das StEntlG 1999/2000/2002 und der dabei vorgenommenen Änderungen am Entwurf des § 6 EStG festgehalten wurde (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 14/443, S. 24).

Schlagworte: Buchwert, Entnahme, Gesamthandsvermögen, Mitunternehmer, Mitunternehmerschaft, Personengesellschaft, Rechtsträgerwechsel, Schwesternpersonengesellschaft, Sonderbetriebsvermögen, steuerneutrale Übertragung, Steuerrecht, Teilwert, unentgeltliche Übertragung, Wirtschaftsgut