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BFH, Urteil vom 23.09.2008 – VII R 27/07

§ 34 AO, § 69 AO, § 823 Abs 2 BGB, § 41a EStG, § 118 FGO, § 64 GmbHG, § 17 InsO, § 18 InsO, § 21 InsO, § 22 InsO, § 129 InsO, § 130 InsO, § 266a StGB

1. Allein der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens befreit den GmbH-Geschäftsführer nicht von der Haftung wegen Nichtabführung der einbehaltenen Lohnsteuer.

Gemäß § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haften die gesetzlichen Vertreter einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Den Geschäftsführer einer GmbH trifft –u.a.– die Pflicht, für eine fristgerechte Anmeldung und Abführung der von der GmbH geschuldeten Lohnsteuer zu sorgen (§ 41a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes).

Durch den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am Tag der Fälligkeit der Lohnsteuer war der Kläger rechtlich nicht gehindert, die Lohnsteuer abzuführen. Allein der Antrag schränkt den Geschäftsführer in seiner Verfügungsbefugnis nicht ein. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist erst einen Monat später bestellt worden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten im Regelfall eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar (vgl. Senatsentscheidung in BFHE 216, 491, m.w.N.). Zahlungsschwierigkeiten der GmbH ändern weder etwas an dieser Pflicht des GmbH-Geschäftsführers, noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH aus.

Die Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründet allerdings dann keine Haftung nach §§ 69, 34 AO, wenn der Steuerausfall mangels ausreichender Zahlungsmittel der GmbH unabhängig davon eintritt, ob Steueranmeldungen fristgerecht eingereicht und die geschuldeten Steuerbeträge innerhalb der gesetzlich hierfür bestimmten Fristen entrichtet worden sind (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Urteil in BFHE 216, 491; vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100, m.w.N.).

2. Sind im Zeitpunkt der Lohnsteuer-Fälligkeit noch liquide Mittel zur Zahlung der Lohnsteuer vorhanden, besteht die Verpflichtung des Geschäftsführers zu deren Abführung so lange, bis ihm durch Bestellung eines (starken) Insolvenzverwalters oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis entzogen wird.

3. Die Haftung ist auch nicht ausgeschlossen, wenn die Nichtzahlung der fälligen Steuern in die dreiwöchige Schonfrist fällt, die dem Geschäftsführer zur Massesicherung ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eingeräumt ist (Fortentwicklung der Senatsrechtsprechung im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des BGH im Urteil vom 14. Mai 2007 II ZR 48/06, DStR 2007, 1174, HFR 2007, 1242).

4. Die Haftung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Haftung des Geschäftsführers
entfällt auch nicht infolge einer im Falle der Entrichtung der Lohnsteuer zum Fälligkeitstermin möglichen Anfechtung der Zahlung durch den Insolvenzverwalter nach §§ 129 ff. InsO. Die bloße Möglichkeit der Insolvenzanfechtung hindert nicht, den durch die pflichtwidrige Nichtabführung eingetretenen Steuerausfall dem Geschäftsführer zuzurechnen (keine Berücksichtigung von hypothetischen Kausalverläufen vgl. BFH-Urteil vom 19. September 2007 VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18, m.w.N).

Schlagworte: Abführung der Steuer an das Finanzamt, Abgabe der Steuererklärung, Anfechtbarkeit, Festsetzung, GmbHG § 64 Satz 1, Haftung für Steuerschulden, Haftung wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen gem. § 266a StGB, Insolvenzantrag, Insolvenzverfahren, Lohnsteuer, persönliche Haftung, Pflichtverletzung und Kausalität, Schuldner, Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, Verfügungsbefugnis, Verhältnis des Steuerrechts zu § 64 Satz 1 GmbHG, Verletzung von Schutzgesetzen nach § 823 Abs. 2 BGB, Verschulden, Vorrang der Beitragsansprüche, Zahlungen nach Insolvenzreife, Zahlungsmöglichkeit