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BFH, Urteil vom 28. Mai 2015 – IV R 27/12

§ 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 15 Abs 1 S 1 Nr 3 EStG 2002, § 35 EStG 2002, § 2 GewStG 2002, § 7 S 2 GewStG 2002, § 3 UmwStG 1995, § 4 UmwStG 1995, § 5 Abs 2 UmwStG 1995, § 18 Abs 4 UmwStG 1995, § 18 Abs 4 UmwStG 2002, § 18 Abs 3 UmwStG 2006, § 179 Abs 1 AO, § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a AO, § 68 S 1 FGO, § 121 S 1 FGO, § 127 FGO, EStG VZ 2005

Die im Anschluss an die Umwandlung einer Organgesellschaft in eine Personengesellschaft erzielten und mit Gewerbesteuer belasteten Veräußerungs- und Aufgabegewinne unterliegen der Steuerermäßigung des § 35 Abs. 2 EStG.

Materiell-rechtlich ist das FG zu Unrecht der Auffassung des FA gefolgt, der für die N-KG festgesetzte Gewerbesteuermessbetrag sei von der Anrechnung nach § 35 EStG ausgeschlossen.

Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG ermäßigt sich die Einkommensteuer bis zur Höhe des Ermäßigungshöchstbetrags um ein Vielfaches des festgesetzten anteiligen Gewerbesteuermessbetrags. Danach ist grundsätzlich der auf den jeweiligen Mitunternehmer entfallende Anteil am Gewerbesteuermessbetrag ungekürzt bei der Berechnung des Ermäßigungsbetrags zu berücksichtigen. Der Senat hat aber bereits entschieden, dass der Normzweck zu einer einschränkenden Auslegung der Regelung zwingen kann.

Normzweck des § 35 EStG ist es, die Unternehmer und Mitunternehmer, die der Einkommensteuer unterliegen und gewerbesteuerpflichtige Einkünfte erzielen, zu entlasten (BTDrucks 14/2683, S. 116, 97). Daher sind zu den Einkünften aus gewerblichen Unternehmen (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 EStG) sowie aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG) auch (dem Grunde nach) gewerbesteuerbelastete Veräußerungs- oder Aufgabegewinne zu rechnen. Hierzu gehören beispielsweise die Veräußerungsgewinne nach § 7 Satz 2 Nrn. 1 und 2 GewStG i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20. Dezember 2001 –BGBl I 2001, 3858– (BFH-Urteil in BFHE 229, 524, BStBl II 2010, 912, m.w.N.).
Nicht dem Normzweck des § 35 EStG entspricht es aber dem BFH-Urteil in BFHE 229, 524, BStBl II 2010, 912 zufolge, Gewinne i.S. des § 18 Abs. 4 Sätze 1 und 2 UmwStG zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer führen zu lassen. Denn jene Vorschrift knüpft an die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft an und soll verhindern, dass die Gewerbesteuerpflicht einer Kapitalgesellschaft, die auch Gewinne aus der Veräußerung oder Liquidation ihres Betriebs umfasst, dadurch unterlaufen wird, dass die Kapitalgesellschaft ohne Aufdeckung der stillen Reserven sowie ohne gewerbesteuerlichen Ansatz eines Übernahmegewinns in eine Personengesellschaft umgewandelt und der übergegangene Betrieb erst im Anschluss hieran (d.h. innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung) –wiederum ohne Anfall von Gewerbesteuer– veräußert oder aufgegeben wird. Dementsprechend hat der erkennende Senat § 18 Abs. 4 Satz 3 UmwStG, wonach der betreffende Gewerbesteuermessbetrag bei der Steuerermäßigung nach § 35 EStG nicht zu berücksichtigen ist, für deklaratorisch gehalten, weil der Ausschluss von der Anrechnung bereits aus einer teleologischen Reduktion des § 35 EStG folge (BFH-Urteil in BFHE 229, 524, BStBl II 2010, 912).
Eine einschränkende Auslegung des § 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit Rücksicht auf die sondergesetzliche Wertung des § 18 Abs. 4 UmwStG kommt unter den im Streitfall vorliegenden Umständen nicht in Betracht.
Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass das FA den Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils an der N-KG durch die Beigeladene zutreffend als Gewerbeertrag im Gewerbesteuermessbescheid für das Jahr 2005 vom 31. Juli 2014 erfasst hat. Diese Rechtsfolge ergibt sich im Streitfall aus dem gegenüber § 18 Abs. 4 UmwStG vorrangig anzuwendenden § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG.
Nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG gehört zum Gewerbeertrag auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist, soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt. Der Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils an der N-KG durch die Beigeladene erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG. Anders als die Regelung des § 18 Abs. 4 Satz 3 UmwStG schließt § 7 Satz 2 GewStG die Ermäßigung nach § 35 EStG nicht aus.
Dies schließt es indes –wie das FG zutreffend erkannt hat– nicht aus, bei der Auslegung des § 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Wertungen des § 18 Abs. 4 UmwStG auch dann zu berücksichtigen, wenn zwar die Voraussetzungen dieser Norm vorliegen, diese aber als gegenüber § 7 GewStG subsidiäre Norm (BFH-Urteil vom 28. Februar 2013 IV R 33/09, BFH/NV 2013, 1122, Rz 15) wegen des gleichzeitigen Vorliegens der Voraussetzungen des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG keine unmittelbaren Rechtsfolgen auslöst. Denn der § 18 Abs. 4 UmwStG tragende Gedanke der Erhaltung des gewerbesteuerlichen Substrats der in eine Personengesellschaft umgewandelten Kapitalgesellschaft kann auch dann zum Tragen kommen, wenn zugleich die Voraussetzungen des § 7 Satz 2 GewStG erfüllt sind.
Gleichwohl scheidet nach den besonderen Umständen des Streitfalls eine teleologische Reduktion des § 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG aus. Denn infolge der hier bis zur Umwandlung vorliegenden Organschaft hätte auch ein von der umgewandelten Organgesellschaft erzielter Veräußerungsgewinn im Ergebnis zu einer Anrechnung nach § 35 EStG geführt. Der Gewerbeertrag der N-GmbH unterlag vor dem Formwechsel aufgrund der bestehenden gewerbesteuerlichen Organschaft der Gewerbesteuerpflicht auf der Ebene der Beigeladenen (Organträgerin). Gewinne, die bei der Veräußerung des Vermögens der Organgesellschaft entstanden wären, hätten durch die Zurechnung der auf die Organgesellschaft entfallenden Gewerbeerträge auf der Ebene der Organträgerin der Gewerbesteuer unterlegen. Der anteilige auf die Organgesellschaft entfallende Gewerbesteuermessbetrag wäre in der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewerbesteuermessbetrags nach § 35 Abs. 2 EStG bei der Organträgerin berücksichtigt worden. Daher wäre anrechnungsbefugten Mitunternehmern der Beigeladenen (Organträgerin) die Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 2 EStG gewährt worden, soweit der Gewerbesteuermessbetrag auf den Gewinn aus der Veräußerung des Vermögens der N-GmbH entfallen wäre.
Die teleologische Reduktion des § 35 EStG nach Maßgabe der Wertungen des § 18 Abs. 4 UmwStG würde dazu führen, dass der auf dem Veräußerungsgewinn beruhende Teil des Gewerbesteuermessbetrags bei der Ermäßigung der Einkommensteuer nach § 35 EStG nicht zu berücksichtigen wäre. Es ginge aber über den Zweck des § 18 Abs. 4 UmwStG hinaus, in die Gewerbesteuerverstrickung mit Ausschluss der Steuerermäßigung nach § 35 EStG auch den auf dem Veräußerungsgewinn beruhenden Teil des Gewerbesteuermessbetrags einzubeziehen, der vor dem Formwechsel noch Eingang in die gesonderte und einheitliche FeststellungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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des Gewerbesteuermessbetrags nach § 35 Abs. 2 EStG bei der Organträgerin gefunden hätte. Die Gewerbesteuerpflicht der umgewandelten Kapitalgesellschaft wird nicht unterlaufen, weil sie kein eigenständiges, vom Normzweck des § 18 Abs. 4 UmwStG zu schützendes gewerbesteuerliches Substrat aufweist. In solchen Fällen der organschaftlichen Anbindung der umgewandelten Kapitalgesellschaft kann es nach dem Formwechsel in eine Personengesellschaft typisierend nicht zu einer missbräuchlichen Steuerermäßigung durch die Berücksichtigung des Gewerbesteuermessbetrags kommen.

Schlagworte: Gewerbesteuer, gewerbesteuerliche Organschaft, Organschaft