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BFH, Urteil vom 29.05.1990 – VII R 81/89

§ 34 Abs 1 AO 1977, § 76 Abs 1 FGO, § 69 AO 1977, § 120 Abs 2 S 2 FGO, § 191 Abs 1 AO 1977, § 5 AO 1977, § 121 Abs 1 AO 1977, § 126 Abs 1 Nr 2 AO 1977, § 126 Abs 2 AO 1977

1. Die Nichtabführung der einbehaltenen und angemeldeten Lohnsteuern zu den gesetzlichen Fälligkeitspunkten stellt regelmäßig –wenn nicht vorsätzliche– zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung des GmbH-Geschäftsführers i.S. des § 69 AO 1977 dar. Den Kläger traf die vom Gesetz vorausgesetzte Verschuldensform im Streitfall zumindest deshalb, weil er als verantwortlicher Geschäftsführer der GmbH die Erfüllung deren steuerlicher Verpflichtungen durch die Buchhalterin nicht ausreichend überwacht hatte. Hinsichtlich des Verschuldens des Geschäftsführers gilt Entsprechendes, wenn die Lohnsteuer mangels Abgabe der Lohnsteueranmeldung geschätzt werden mußte.

2. Bei der Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH als Haftender für Nachforderungen gegenüber der GmbH auf Grund einer Betriebsprüfung wegen unzulässiger Pauschalierung von Aushilfslöhnen trifft den Geschäftsführer der Vorwurf grob fahrlässiger Pflichtverletzung wegen der materiell-rechtlich fehlerhaften Versteuerung der Aushilfslöhne, wenn dies bereits bei einer der Betriebsprüfung vorangegangenen Lohnsteueraußenprüfung festgestellt und beanstandet worden ist.

3. Die Ermessensentscheidung auf Inanspruchnahme eines Geschäftsführers einer GmbH nach den §§ 34, 69 AO 1977 muß im Haftungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung begründet werden. Einer besonderen Begründung zum Auswahlermessen des FA bedarf es dann nicht, wenn andere Personen als der Inanspruchgenommene als Steuerschuldner oder Haftungsschuldner nicht in Betracht kommen. Auch braucht das FA seine Entschließung, den Haftenden in Anspruch zu nehmen, jedenfalls dann nicht besonders zu begründen, wenn eine anderweitige Realisierung des Steueranspruchs –beim Steuerschuldner oder bei einem anderen Haftungsschuldner– nicht möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 29.9.1987 VII R 54/84). Dies gilt jedenfalls dann, wenn erkennbar ist, daß sich das FA des Umstandes bewußt war, daß es im Haftungsbescheid eine Ermessensentscheidung (Entschließungsermessen) zu treffen hatte.

4. Eine Verfahrensrüge (hier: mangelnde Vernehmung einer Buchhalterin als Zeugin) entspricht nicht der Form des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, wenn weder dargelegt wird, daß das FG vom Kläger angebotene Beweismittel nicht erhoben hat, noch daß sich dem Gericht auch ohne Beweisantritt zur Frage der Überwachung durch den Kläger die Vernehmung der Buchhalterin von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. Literatur).

Schlagworte: Abgabe der Steuererklärung, grobe Fahrlässigkeit, Haftung für Steuerschulden, Pflichtverletzung und Kausalität, Schätzungsbefugnis, Überwachungsverschulden, Verschulden