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BFH, Urteil vom 29. Juni 2016 – II R 41/14

§ 90 Abs 2 AO, § 159 Abs 1 AO, § 430 BGB, § 1006 Abs 1 BGB, § 7 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1997, § 76 Abs 1 FGO

1. Ein Einzelkonto/-depot ist auch bei Eheleuten –im Gegensatz zu einem Gemeinschaftskonto– grundsätzlich allein dem Kontoinhaber zuzurechnen.

Bei einem Einzelkonto –wie im Streitfall– ist der Inhaber nicht nur alleiniger Gläubiger der Guthabensforderung gegenüber der Bank, also Berechtigter im Außenverhältnis. Ihm steht vielmehr im Regelfall das Guthaben auch im Innenverhältnis alleine zu (Urteile des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 7. April 1966 II ZR 275/63, Wertpapier-Mitteilungen 1966, 679, und vom 11. September 2002 XII ZR 9/01, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 2002, 3702). Diese zu einem inländischen Einzelgirokonto aufgestellten Grundsätze sind aufgrund der gleichen Struktur auch auf ein Schweizer Einzelgirokonto anwendbar.

Auch die dingliche Eigentumslage der im Depot befindlichen Wertpapiere ist nach Schweizer Recht zu bestimmen. Nach Art. 43 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (Schweiz) unterliegen Rechte –auch an beweglichen Sachen– dem Recht des Staates, in dem sie sich befinden. Für die Eigentumslage depotverwahrter Wertpapiere stellt Art. 930 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches –wie § 1006 Abs. 1 BGB– eine Vermutung auf. Danach wird zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er Eigentümer der Sache ist.

Bei einem Einzelkonto mit Depot ist in der Regel davon auszugehen, dass dem Kontoinhaber der Vermögensstand auf dem Konto –bestehend aus den Wertpapieren und dem sonstigen Guthaben– allein zusteht. Dies gilt auch bei Ehegatten. Aus einer Vollmacht für den Ehegatten, der nicht Kontoinhaber ist, ergibt sich nichts anderes. Sie gibt dem bevollmächtigten Ehegatten lediglich im Außenverhältnis gegenüber der Bank eine Verfügungsbefugnis über das Konto (vgl. BGH-Urteil vom 13. Januar 1988 IVb ZR 110/86, NJW 1988, 1208).

Die Ehegatten können aber im Innenverhältnis –auch stillschweigend– eine Bruchteilsberechtigung des Ehegatten, der nicht Kontoinhaber ist, an der Kontoforderung vereinbaren. Unter welchen Voraussetzungen eine solche konkludente Vereinbarung anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Leisten etwa beide Ehegatten Einzahlungen auf ein Sparkonto und besteht Einvernehmen, dass die Ersparnisse beiden zugutekommen sollen, so steht ihnen die Forderung gegen die Bank im Innenverhältnis im Zweifel zu gleichen Anteilen zu (vgl. BGH-Urteile vom 19. April 2000 XII ZR 62/98, NJW 2000, 2347, und in NJW 2002, 3702).

Diese –aus zivilrechtlichen Grundsätzen folgende– Verteilung der Feststellungslast entspricht den durch den BFH in ständiger Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen zur Feststellungslast und weicht –entgegen der Auffassung der Klägerin– auch nicht von dem BFH-Urteil in BFHE 237, 179, BStBl II 2012, 473 ab. Der dort zu entscheidende Sachverhalt betraf kein Einzelkonto, sondern ein –den Ehegatten gemeinschaftlich zustehendes– (inländisches) Oder-Konto. Das Oder-Konto unterscheidet sich vom Einzelkonto dadurch, dass beim Oder-Konto –im Gegensatz zum Einzelkonto– die Ehegatten grundsätzlich Gesamtgläubiger sind, mit der Folge, dass sie im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist (§ 430 BGB).

Auch für diesen Fall hat der BFH entschieden, dass im Regelfall, wenn hinreichend deutliche objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, beide Ehegatten zu gleichen Anteilen am Kontoguthaben beteiligt sind und die Feststellungslast für eine hiervon abweichende Beteiligung der Ehegatte zu tragen hat, der sich darauf beruft. Das Urteil trifft lediglich eine Entscheidung zu der Frage, wie die Beweislast hinsichtlich der Berechtigung von Ehegatten an einem Gemeinschaftskonto vor dem Hintergrund einer freigebigen Zuwendung verteilt ist, wenn nur einer der Ehegatten das Guthaben eingezahlt hat. Es ändert –entgegen der Ansicht der Klägerin– nicht die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Beweislastverteilung bei Treuhandverhältnissen, nach der bei der Prüfung, ob ein Treuhandverhältnis tatsächlich gegeben ist, ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. BFH-Urteile vom 4. Dezember 2007 VIII R 14/05, BFH/NV 2008, 745, und vom 21. Mai 2014 I R 42/12, BFHE 246, 119, BStBl II 2015, 4) und dies auch bei Ehegatten gilt (BFH-Urteil vom 5. März 1980 II R 148/76, BFHE 130, 198, BStBl II 1980, 402; BFH-Beschluss vom 18. November 2004 II B 176/03, BFH/NV 2005, 355).

2. Überträgt ein Ehegatte den Vermögensstand seines Einzelkontos/-depots unentgeltlich auf das Einzelkonto/-depot des anderen Ehegatten, trägt der zur Schenkungsteuer herangezogene Ehegatte die Feststellungslast für Tatsachen, die der Annahme einer freigebigen Zuwendung entgegenstehen. Zu diesen Tatsachen zählen auch solche, die belegen sollen, dass dem bedachten Ehegatten das erhaltene Guthaben bereits vor der Übertragung im Innenverhältnis vollständig oder teilweise zuzurechnen war.

Für die Entscheidung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat das FG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, wobei die Beteiligten heranzuziehen sind (§ 76 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO). Die Beteiligten haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären (§ 76 Abs. 1 Satz 3 FGO). Die erhöhten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten –insbesondere § 90 Abs. 2 AO– gelten entsprechend (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO; BFH-Beschluss vom 18. Februar 2008 II B 109/06, BFH/NV 2008, 1163).

Kann der entscheidungserhebliche Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller zugänglichen und zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten nicht oder nicht vollständig aufgeklärt werden, ist unter Anwendung der Beweislastregeln zu entscheiden, zu wessen Lasten die Unerweislichkeit von maßgeblichen Tatsachen geht. Nach ständiger Rechtsprechung liegt die Feststellungslast (objektive Beweislast) für steuerbegründende Tatsachen beim Steuergläubiger und für steuermindernde Tatsachen beim Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 237, 179, BStBl II 2012, 473, Rz 26, m.w.N.).

Die Finanzbehörde trägt die Feststellungslast für die Tatsachen, die zur Annahme einer freigebigen Zuwendung erforderlich sind. Demgegenüber trägt der Bedachte die Feststellungslast für die Tatsachen, die der Annahme einer freigebigen Zuwendung entgegenstehen (BFH-Urteil vom 23. Juni 2015 II R 52/13, BFHE 250, 215, BStBl II 2015, 960). Gibt es zum Beispiel bei einem Gemeinschaftskonto von Ehegatten (sog. Oder-Konto) hinreichend deutliche objektive Anhaltspunkte dafür, dass beide Ehegatten entsprechend der Auslegungsregel des § 430 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu gleichen Anteilen am Kontoguthaben beteiligt sind, trägt der zur Schenkungsteuer herangezogene Ehegatte die Feststellungslast dafür, dass im Innenverhältnis nur der einzahlende Ehegatte berechtigt sein soll (BFH-Urteil in BFHE 237, 179, BStBl II 2012, 473).

Bei einem Einzelkonto zählen zu den Tatsachen, die der Annahme einer freigebigen Zuwendung entgegenstehen, auch solche, die belegen sollen, dass dem Bedachten das Guthaben, das er vom Einzelkonto oder Einzeldepot seines Ehegatten unentgeltlich übertragen erhalten hat, im Innenverhältnis bereits vor der Übertragung vollständig oder teilweise zuzurechnen war. Das kann z.B. der Fall sein, wenn der Kontoinhaber für seinen Ehegatten Teile am Konto/Depot nur als Treuhänder gehalten hat (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO). Insoweit trifft den Bedachten die Feststellungslast.

Schlagworte: Ehegatten, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Erwerb durch Schenkung, Schenkungsteuer