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BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – X ARZ 573/15

ZPO § 32b Abs. 1 Nr. 2

a) Für die Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO reicht es aus, wenn nach dem Klägervortrag eine öffentliche Kapitalmarktinformation verwendet wurde. Ob dies durch Übergabe des Prospekts oder in sonstiger Weise erfolgte, ist unerheblich.

b) Trägt der Kläger vor, dass ein Berater oder Vermittler eine in einem Prospekt veröffentlichte Kapitalmarktinformation verwendet hat, ist näheres Vorbringen zu der Frage, ob diese Information unmittelbar oder mittelbar auf den Prospekt zurückgeht, jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn keine anderen Quellen ersichtlich sind, denen der Berater oder Vermittler sie unabhängig vom Prospektinhalt hätte entnehmen können.

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in zwei unterschiedlichen Gerichtsbezirken haben, auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr durch Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds entstanden ist. Nach dem Vortrag der Klägerin entschied sie sich für die Anlage aufgrund eines Beratungsgesprächs mit einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1. Bei diesem Gespräch wurde der Klägerin eine Werbebroschüre überreicht. Der Fondsprospekt wurde ihr erst nach Unterzeichnung der Beitrittsvereinbarung zugesandt. Die Klägerin hält die Beratung für fehlerhaft, weil der Mitarbeiter der Beklagten zu 1 sie nicht über die wirtschaftlichen Risiken der Beteiligung aufgeklärt und insbesondere nicht darauf hingewiesen habe, dass es Probleme bei der Bauausführung gebe, die im Prospekt nicht erwähnt seien. Für diese Prospektfehler hätten auch die Beklagte zu 2 als Initiatorin des Fonds und Herausgeberin des Prospekts und die Beklagte zu 3 als Gründungs- und Treuhandgesellschafterin des Fonds einzustehen.

Die Klägerin beantragt eine Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und regt an, als zuständiges Gericht das für die Niederlassung der Beklagten zu 1 zuständige Landgericht zu bestimmen, bei dem die Klage gegen alle drei Beklagten bereits anhängig ist. Die Beklagten zu 2 und 3 treten dem Antrag entgegen.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hält den Antrag für zulässig und begründet und die Bestimmung des von der Klägerin vorgeschlagenen Gerichts für zweckmäßig. Es sieht sich an einer Entscheidung in diesem Sinne durch einen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

II. Die Vorlage ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig.

Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist im Streitfall kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand gegeben. Für die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage sei der Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht gegeben, weil die ihr angelasteten Beratungsfehler nicht den erforderlichen Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation aufwiesen. Entscheidend hierfür sei, dass der Fondsprospekt erst nach Unterzeichnung der Beitrittsvereinbarung ausgehändigt worden sei und deshalb nicht einfach und zuverlässig festgestellt werden könne, dass der Prospekt Grundlage des Beratungsgesprächs gewesen sei.

Mit dieser Entscheidung würde sich das vorlegende Gericht, wie es in seinem Vorlagebeschluss zutreffend ausgeführt hat, in Widerspruch zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main setzen. Dieses hat entschieden, der nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO erforderliche Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation liege auch dann vor, wenn der Emissionsprospekt erst nach Beitritt zu dem Fonds übergeben werde, ein Berater aber deshalb in Anspruch genommen werde, weil er die Prospektangaben nicht hinreichend überprüft habe (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Frankfurt
am Main, Beschluss vom 16. April 2015 – 11 SV 8/15).

III. Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts sind die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO im Streitfall nicht gegeben. Für den Rechtsstreit ist gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand am Sitz der Fondsgesellschaft begründet.

1. Wie auch das vorlegende Gericht zutreffend angenommen hat, ist dieser Gerichtsstand gegenüber den Beklagten zu 2 und 3 nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet, weil die Klägerin diese als Prospektverantwortliche wegen unzutreffender oder unzureichender Prospektangaben in Anspruch nimmt.

2. Entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts ist derselbe Gerichtsstand gegenüber der Beklagten zu 1 gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO begründet.

a) Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der seit 1. Dezember 2012 geltenden Fassung gilt der dort vorgesehene besondere Gerichtsstand auch für Klagen gegen Anlageberater oder -vermittler wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist. Wie das vorlegende Gericht zutreffend dargelegt hat, setzt dies voraus, dass ein Bezug zwischen dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch und einer öffentlichen Kapitalmarktinformation besteht (BT-Drs. 17/8799, S. 16).

b) An einem solchen Bezug fehlt es nach der Rechtsprechung des Senats, wenn ein Anlageberater oder -vermittler mit der Begründung in Anspruch genommen wird, er habe eine im Prospekt enthaltene zutreffende Information verschwiegen (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – X ARZ 320/13, NJW-RR 2013, 1302 Rn. 30).

Eine solche Konstellation ist, wie auch das vorlegende Gericht nicht verkannt hat, im Streitfall nicht gegeben. Die Klägerin nimmt die Beklagte zu 1 mit der Begründung in Anspruch, deren Mitarbeiter habe es versäumt, auf Risiken hinzuweisen, die aus dem Prospekt nicht ersichtlich seien.

c) In der im Streitfall zu beurteilenden Konstellation bedarf es im Zusammenhang mit § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO grundsätzlich keines näheren Klägervortrags dazu, ob der Anlageberater oder -vermittler den Prospekt übergeben, vorgelegt oder zumindest darauf Bezug genommen hat.

Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO reicht es aus, wenn nach dem Klägervortrag eine öffentliche Kapitalmarktinformation verwendet worden ist. In welcher Form dies geschieht, ist sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift als auch nach deren Sinn und Zweck unerheblich. Erforderlich ist lediglich, dass der Berater oder Vermittler eine im Prospekt enthaltene Information an den Interessenten weitergegeben hat. Ob er hierbei ausdrücklich oder konkludent auf den Prospekt Bezug genommen hat, ist hingegen jedenfalls dann unerheblich, wenn diese Information unmittelbar oder mittelbar auf den Prospekt zurückgeht. Letzteres bedarf jedenfalls dann keiner näheren Darlegung durch den Kläger, wenn keine anderen Quellen ersichtlich sind, denen der Berater oder Vermittler diese Information unabhängig vom Prospektinhalt hätte entnehmen können.

Im Streitfall legt die Klägerin zwar nicht dar, aus welchen Quellen der Mitarbeiter der Beklagten zu 1 die von ihm verwendeten Informationen bezogen hat. Sie trägt aber vor, er habe Angaben über die Lage der Immobilien und die Mieterstruktur gemacht, ohne auf vorhandene – auch im Prospekt nicht hinreichend offengelegte – Risikofaktoren hinzuweisen. Angesichts dessen bedurfte es entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts keines weitergehenden Vortrags dazu, auf welcher Grundlage der Mitarbeiter der Beklagten zu 1 das Beratungsgespräch geführt hat und welche Unterlagen er der Klägerin während des Gesprächs präsentierte. Vielmehr ergibt sich schon aus dem aufgezeigten Vortrag der Klägerin hinreichend deutlich, dass der Mitarbeiter der Beklagten zu 1 Informationen aus dem Prospekt verwendet hat. Damit ist der nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO erforderliche Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation gegeben.

Schlagworte: besonderer Gerichtsstand der Mitgliedschaft, besonderer Gerichtsstand der Niederlassung