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BGH, Urteil vom 05. April 2016 – II ZR 62/15

§ 36 Abs 2 Nr 2 EStG, § 43 Abs 1 S 1 EStG, § 80 InsO

Die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 EStG durch Abzug auf die Kapitalerträge der Insolvenzmasse erhobene Einkommen- oder Körperschaftsteuer (Kapitalertragsteuer) ist ebenso wie der darauf entfallende Solidaritätszuschlag auch im Insolvenzverfahren vermögensmäßig als Abzug von Gesellschaftskapital anzusehen und wegen der steuerlichen Anrechnung auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer der Gesellschafter wie eine Entnahme zu behandeln. Die Gesellschafter sind deshalb – unabhängig vom Inhalt des Gesellschaftsvertrages – zur Erstattung der Zinsabschläge in die Masse verpflichtet.

Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert sich diese Interessenlage insofern, als der Insolvenzverwalter nach § 80 InsO befugt ist, alle Einkünfte, die er erwirtschaftet, zur Insolvenzmasse zu ziehen. Während steuerrechtlich nach wie vor die Gesellschafter Rechtssubjekte sind, stehen zivilrechtlich (und insolvenzrechtlich) die zu versteuernden Einkünfte der Masse zu (BFH, ZIP 2008, 1643 Rn. 21). Obwohl die Masse dazu bestimmt ist, die Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen, hat der Insolvenzverwalter keine Möglichkeit, den Zinsabschlag durch Beantragung einer sog. Nichtveranlagungsbescheinigung nach § 44a Abs. 1 EStG oder auf andere Weise abzuwenden (BFH, ZIP 1995, 661, 662). Er kann auch nicht die sich aus den Zinsabschlägen möglicherweise ergebenden Steuererstattungsansprüche der Gesellschafter gegen den Fiskus geltend machen (BFH, ZIP 1995, 1275 ff.; aA Schöne/Ley, DB 1993, 1405, 1410; siehe auch BFH ZIP 2015, 2487 Rn. 10). Andererseits sind die Gesellschafter, selbst wenn im Gesellschaftsvertrag ein Steuerentnahmerecht vereinbart sein sollte, wegen des alleinigen Verfügungsrechts des Insolvenzverwalters nicht mehr berechtigt, die von ihnen zu zahlende Einkommen- oder Körperschaftsteuer aus der Insolvenzmasse zu entnehmen. Dann aber sind sie auch – unabhängig vom Inhalt des Gesellschaftsvertrages – zur Erstattung der Zinsabschläge in die Masse verpflichtet. Denn die Zinsabschläge sind, da sich die steuerrechtliche Lage durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht verändert, Teil der von den Gesellschaftern geschuldeten Einkommen- oder Körperschaftsteuer und dürfen daher nicht die Insolvenzmasse schmälern (ebenso Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 10. Aufl. Rn. 1560 ff.; MünchKommInsO/Schüppen/Ruh, 3. Aufl., Band 3, Insolvenzsteuerrecht Rn. 70; Schöne/Ley, DB 1993, 1405, 1408, 1410; Kahlert in Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. Rn. 9.836; Maus, ZIP 1993, 743, 746; mit Einschränkungen auch BFH, ZIP 2008, 1643 Rn. 21 – jedenfalls zulasten der unbeschränkt haftenden Gesellschafter). Dem entspricht die grundsätzliche Möglichkeit der Gesellschafter, die Zinsabschläge als Vorauszahlung auf die eigene Einkommen- oder Körperschaftsteuer steuerlich geltend zu machen.

Schlagworte: Insolvenz