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BGH, Urteil vom 1. Juni 2010 – XI ZR 389/09

§ 242 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 2 BGB

a) Eine Rechtsscheinhaftung in Bezug auf eine Scheingesellschaft setzt voraus, dass die in Anspruch genommene Person in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer existierenden Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
und ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gesellschaft gesetzt hat oder gegen den durch einen anderen gesetzten Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgegangen ist und der Dritte sich bei seinem geschäftlichen Verhalten auf den Rechtsschein verlassen hat (vgl. BGHZ 17, 13, 19; ferner BGH, Urteile vom 4. Dezember 1980 – VII ZR 57/80, WM 1981, 171, 172, vom 24. Juni 1991 – II ZR 293/90, WM 1991, 1505, 1506 und vom 8. Juli 1996 – II ZR 258/95, WM 1996, 1630, 1631).

Die Erteilung der Generalvollmacht an ihren Vater genügt hierfür nicht. Die Vollmacht diente zwar ihrer Vertretung in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten gegenüber Dritten, so dass ihr Vater in ihrem Namen auch zur Errichtung einer Gesellschaft befugt war. Aus der Generalvollmacht ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte, dass eine solche Gesellschaft tatsächlich gegründet worden ist. Hierzu hätte es etwa zumindest der Vorlage des Gesellschaftsvertrages oder einer anderen der Beklagten zurechenbaren Handlung bedurft, die auf die Errichtung der GbR und der Gesellschafterstellung der Beklagten hindeuteten. Umstände, die einen solchen Rechtsschein ihr gegenüber erzeugt haben könnten, hat indes weder die Klägerin dargelegt noch sind solche ersichtlich. Insoweit kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass der Vater der Beklagten gegenüber der Volksbank anlässlich der Depot- und Kontenumstellungen den Gesellschaftsvertrag vorgelegt hat. Auf einen hierdurch etwaig erzeugten Rechtsschein hat sie sich bei ihrem Handeln nämlich mangels Kenntnis gar nicht verlassen. Die Klägerin hat bereits nicht vorgetragen, dass ihr zum Zeitpunkt der Übertragung der Investmentanteile das Bestehen der GbR überhaupt bekannt war. Dagegen sprechen vielmehr die sonstigen – unstreitigen – Umstände. Der Auftrag zur Übertragung der Investmentanteile vom 2. Oktober 2003 enthielt lediglich die Nummer des Depots bei der Volksbank, nicht dagegen die Bezeichnung des Depotinhabers. In den Mitteilungen vom 31. Oktober 2003 und 3. November 2003 über die Depotausbuchung ist als Empfängerin – fälschlich – die Beklagte bezeichnet, nicht dagegen die GbR. Schließlich ist die Klägerin auch in dem vorgerichtlichen Schriftverkehr noch davon ausgegangen, die Wertpapiere auf ein Depotkonto der Beklagten übertragen zu haben.

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat grundsätzlich der Vertretene das Risiko des Vollmachtsmissbrauchs zu tragen; den Vertragspartner trifft keine Prüfungspflicht, ob und inwieweit der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist, von seiner nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen. Der Vertretene ist gegen einen erkennbaren Missbrauch der VertretungsmachtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Missbrauch der Vertretungsmacht
Vertretungsmacht
im Verhältnis zum Vertragspartner jedoch dann geschützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel bestehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege. Notwendig ist dabei eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs (vgl. BGHZ 127, 239, 241 f.; BGH, Urteile vom 29. Juni 1999 – XI ZR 277/98, WM 1999, 1617, 1618 und vom 22. Juni 2004 – XI ZR 90/03, WM 2004, 1625, 1627). Die objektive Evidenz ist insbesondere dann gegeben, wenn sich nach den gegebenen Umständen die Notwendigkeit einer Rückfrage des Geschäftsgegners bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1999 – XI ZR 277/98, WM 1999, 1617, 1618 m.w.N.). Hierzu fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts. Das Berufungsgericht wird daher dem Vorbringen der Beklagten nachzugehen haben, der Volksbank habe sich aufgrund des Inhalts des vorgelegten Gesellschaftsvertrages und der – von ihr behaupteten – Kenntnis der Unstimmigkeiten mit ihrem Vater ein Vollmachtsmissbrauch aufdrängen und daher die Wirksamkeit des Gesellschaftsvertrages hinterfragen müssen.

Schlagworte: Missbrauch der Vertretungsmacht, objektive Evidenz, Rechtsmissbrauch, Rechtsscheinhaftung, Scheingesellschaft bürgerlichen Rechts