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BGH, Urteil vom 10. Mai 2000 – 3 StR 101/00

§ 82 Abs 1 Nr 1 GmbHG, § 82 Abs 1 Nr 3 GmbHG

a) Nach gefestigter Rechtsprechung, die vor allem zur Verletzung der Insolvenzantragspflicht gemäß §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG sowie zu anderen Strafvorschriften ergangen ist, die mit der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einer GmbH im Zusammenhang stehen, ist als Geschäftsführer nicht nur der formell zum Geschäftsführer Berufene anzusehen, sondern auch derjenige, der die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen und ausgeübt hat (BGHSt 3, 32, 37; 21, 101, 103; 31, 118, 122; BGHR GmbHG § 64 I Antragspflicht 2 und 3; BGH NStZ 2000, 34, 35; StV 1984, 461 f. mit Anmerkung Otto; wistra 1990, 60, 61; vgl. auch Fuhrmann/Schaal, aaO § 82 Rdn. 11 m.w.Nachw.; Schaal in Erbs/Kohlhaas, aaO § 82 Rdn. 7; einschränkend Scholz/Tiedemann, aaO § 82 Rdn. 42; Samson in SK-StGB 7. Lfg. § 14 Rdn. 7 b; Lutter/Hommelhoff, aaO Rdn. 2; a.A. Schüppen DB 1994, 197, 203 f.; Joerden wistra 1990, 1, 4; vgl. zusammenfassend Löffeler wistra 1989, 121 ff.). Dieser Begriff des faktischen Geschäftsführers, der in der zivilrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend verwandt wird (vgl. BGHZ 41, 282, 287; 47, 341, 343; 75, 96, 106; 104, 44, 46) ist erfüllt, wenn sowohl betriebsintern als auch nach außen alle Dispositionen weitgehend von dem faktischen Geschäftsführer ausgehen und er im übrigen auf sämtliche Geschäftsvorgänge bestimmenden Einfluß nimmt (BGHSt 31, 118, 121). Die Unternehmensführung darf nicht einseitig angemaßt, sondern muß mit dem Einverständnis der Gesellschafter, das als eine konkludente Bestellung zu werten ist, erfolgt sein (BGHSt 3, 33, 38; 31, 118, 122 m.w.Nachw.; BGH NStZ 2000, 34 ff., 35). Weitere Voraussetzung für einen faktischen Geschäftsführer ist, daß er gegenüber dem formellen Geschäftsführer die überragende Stellung in der Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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einnimmt oder zumindest das deutliche Übergewicht hat (BGHSt 3, 32, 37; 31, 118, 122; BGHR GmbHG § 64 I Antragspflicht 3; BGH wistra 1990, 97 f.; vgl. zusammenfassend Löffeler wistra 1989, 121, 125).

Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „als Geschäftsführer“, daß nicht nur der formell bestellte, sondern auch der faktische Geschäftsführer Normadressat der §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG ist, dient dem Zweck dieser Vorschriften, die Allgemeinheit vor einer kriminellen Handhabung der Geschäftsführung einer GmbH zu schützen und die Wirtschaftskriminalität in diesem Bereich wirksam zu bekämpfen. Da dieser Zweck im Wortlaut der §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG auch hinreichend zum Ausdruck kommt, bestehen gegen die faktische Betrachtungsweise dieses Tatbestandsmerkmals keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie verstößt weder gegen das Analogieverbot noch gegen den Grundsatz der Tatbestandsbestimmtheit des Art. 103 Abs. 2 GG (BGHSt 31, 118, 122; Fuhrmann/Schaal, aaO § 82 Rdn. 11 m.w.Nachw.; Schaal in Erbs/Kohlhaas, aaO § 82 Rdn. 7).

b) Die faktische Betrachtungsweise des Tatbestandsmerkmals „als Geschäftsführer“ ist auf die Auslegung des § 82 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG zu übertragen (Kohlmann in Hachenburg, GmbHG 7. Aufl. § 82 Rdn. 19, 68; Fuhrmann/Schaal, aaO § 82 Rdn. 11; Schaal in Erbs/Kohlhaas, aaO § 82 Rdn. 7; Löffeler wistra 1989, 121, 124). Auch bei diesen Tatbeständen ist geeigneter Täter nicht nur der formelle, sondern auch der faktische Geschäftsführer.

Diese Auslegung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 82 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG, da diese Straftatbestände in gleicher Weise wie die §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG darauf abzielen, die Allgemeinheit vor einer kriminellen Handhabung der Geschäftsführung einer GmbH zu schützen; auch hier gilt, daß derjenige, der die faktische Geschäftsführung innehat und die Führung der Geschäfte bestimmt, auch die Pflichten erfüllen muß, die den Geschäftsführer treffen, und daß er bei deren Verletzung die strafrechtlichen Folgen zu tragen hat, die das Gesetz an eine solche Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer knüpft (vgl. BGHSt 31, 118, 122 zu § 84 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG). Sie führt außerdem zu einer gleichmäßigen Auslegung des Begriffs des Geschäftsführers innerhalb der Strafvorschriften des GmbH-Gesetzes.

Für die Gründungstäuschung gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG folgt die strafrechtliche Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers zusätzlich daraus, daß die GmbH im Regelfall bei der Anmeldung noch nicht im Handelsregister eingetragen ist und deshalb als solche noch nicht besteht. Somit kann derjenige, der „als Geschäftsführer“ für die einzutragende GmbH tätig wird, ohnehin noch kein rechtswirksam bestellter GmbHGeschäftsführer sein (Kohlmann, aaO Rdn. 19; Lutter/Hommelhoff, aaO § 82 Rdn. 2 ; Löffeler wistra 1989, 121, 122).

Schlagworte: faktischer Geschäftsführer, falsche Angaben nach § 82 GmbHG, Geschäftsführer, Haftung wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen gem. § 266a StGB