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BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 -IX ZR 63/08

§ 17  InsO, § 131 Abs 1 Nr 2 InsO,

1. Fällige Forderungen bleiben bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit nur außer Betracht, sofern sie mindestens rein tatsächlich – also auch ohne rechtlichen Bindungswillen – gestundet sind. Eine Forderung ist stets zu berücksichtigen, wenn der Schuldner sie durch eine Kündigung fällig stellt und von sich aus gegenüber dem Gläubiger die alsbaldige Erfüllung zusagt.

Sinn und Zweck des § 17 InsO gebieten, in Übereinstimmung mit dem Verständnis der Konkursordnung an dem Erfordernis des „ernsthaften Einforderns“ als Voraussetzung einer die Zahlungsunfähigkeit begründenden oder zu dieser beitragenden Forderung festzuhalten. Von der Nichtzahlung einer im Sinne des § 271 Abs. 1 BGB fälligen Forderung darf nicht schematisch auf die Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 InsO geschlossen werden. Eine Forderung ist vielmehr in der Regel dann im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt (BGHZ 173, 286, 292 Rn. 18). Hierfür genügend, aber nicht erforderlich ist die Übersendung einer Rechnung (BGHZ 173, 286, 293 Rn. 19). Das Merkmal des „ernsthaften Einforderns“ dient damit lediglich dem Zweck, solche Forderungen auszunehmen, die rein tatsächlich – also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung – gestundet sind (BGHZ 173, 286, 291 Rn. 15).

Entgegen der Auffassung der Revision ist insoweit von einem Zahlungsverlangen der Beklagten auszugehen. Die Darlehensforderung wurde infolge der Kündigung der Schuldnerin fällig. Die Schuldnerin hat sich indes nicht auf eine bloße Kündigung beschränkt, sondern in Verbindung mit dem Verlangen auf Rückgewähr der Sicherheiten der Beklagten die alsbaldige Begleichung des Darlehens angekündigt. Damit hat die Schuldnerin – ähnlich wie bei einer Selbstmahnung (vgl. BGH, Urt. v. 17. Dezember 1996 – X ZR 74/95, NJW-RR 1997, 622, 623; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NJW-RR 2000, 73; Bamberger/Roth/Unberath, BGB 2. Aufl. § 286 Rn. 37) – eine Zahlungsaufforderung seitens der Beklagten vorweggenommen. Angesichts dieser durch die eigene Erklärung der Schuldnerin geprägten Sachlage war eine Einforderung durch die Beklagte entbehrlich. Zwar unterliegt eine Zahlung, die erst die Zahlungsunfähigkeit auslöst, nicht selbst der Anfechtung (missverständlich insoweit MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 130 Rn. 27). Eine Forderung, deren Begleichung angefochten wird, muss jedoch bei der Feststellung, ob zu diesem Zeitpunkt bereits eine Zahlungsunfähigkeit bestand, mit berücksichtigt werden.

2. Reicht der Schuldner bei seiner Bank zwecks Darlehensrückführung ihm von einem Dritten zur Erfüllung einer Forderung überlassene Kundenschecks ein, erlangt die Bank eine inkongruente Deckung, wenn ihr die den Schecks zugrunde liegenden Kausalforderungen nicht abgetreten waren.

3. Wird eine Darlehensforderung in kritischer Zeit infolge einer anfechtbaren Kündigung des Schuldners fällig, erlangt der Gläubiger durch die anschließende Tilgung der sonach fälligen Verbindlichkeiten eine inkongruente Deckung.

4. Mithin wird der Sachverständige zu begutachten haben, ob die Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig war. Zu diesem Zweck ist – falls die Zahlungsunfähigkeit nicht anderweitig festgestellt werden kann – eine Liquiditätsbilanz aufzustellen. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu den an demselben Stichtag fälligen und eingeforderten – entsprechend den obigen Ausführungen unter II. 2. b) bis c) zu berücksichtigenden – Verbindlichkeiten zu setzen (BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 – IX ZR 228/03, NZI 2007, 36, 38). Von dieser Prüfung hängt es ab, ob die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners mehr als 10 % beträgt und folglich Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist (BGHZ 163, 134, 144 ff). Ausgehend von den Zeitpunkten der Scheckbelastungen wird der Sachverständige die Liquidität der Schuldnerin für den darauf folgenden – wie die Revision zu Recht rügt – bis in den November 2001 reichenden Zeitraum von drei Wochen zu untersuchen haben.

Schlagworte: Fälligkeit nach § 17 InsO, GmbHG § 64 Satz 1, innerhalb der folgenden drei Wochen fällig werdenden Passiva, Liquiditätsbilanz, Liquiditätslücke, Passiva II, Selbstmahnung, Zahlungen nach Insolvenzreife, Zahlungsankündigung durch Schuldner, Zahlungseinstellung, Zahlungsunfähigkeit