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BGH, Urteil vom 15. Januar 2013 – II ZR 83/11

GenG § 43a

a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen die in der Vertreterversammlung einer Genossenschaft gefassten Beschlüsse nicht nur der Anfechtung nach Maßgabe des § 51 GenG, sondern es finden auch die aktienrechtlichen Grundsätze über die Nichtigkeitsklage und die Nichtigkeitsgründe des § 241 AktG entsprechende Anwendung (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Mai 1960 II ZR 89/58, BGHZ 32, 318, 323 f.; Urteil vom 23. Februar 1978 II ZR 37/77, BGHZ 70, 384, 387; Urteil vom 22. März 1982 II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 231). Ein Beschluss der Vertreterversammlung ist daher entsprechend § 241 Nr. 3 Fall 1 AktG nichtig, wenn er mit dem Wesen der Genossenschaft nicht vereinbar ist (BGH, Urteil vom 22. März 1982 II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 231). Hiervon ist auszugehen, wenn die von der Vertreterversammlung beschlossenen Regelungen der Wahlordnung gegen elementare Wahlgrundsätze verstoßen.

b) Bestimmt die Wahlordnung für die wahl zur Vertreterversammlung einer Genossenschaft, dass Kandidaten nicht zugleich Mitglied des Wahlvorstands oder Wahlhelfer sein können, wird dadurch weder das passive Wahlrecht nach § 43a Abs. 2 Satz 1 GenG noch der in § 43a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GenG normierte Grundsatz der allgemeinen wahl eingeschränkt.

c) Sehen Satzung und Wahlordnung zur Vertreterwahl einer Genossenschaft vor, dass Wahlvorschläge eines Mitglieds zu ihrer Wirksamkeit 20 Unterstützungsunterschriften bedürfen, verstößt dies bei einer Genossenschaft mit mehr als 70.000 Mitgliedern und einer auf Wahrung der Gleichheit des Wahlrechts ausgerichteten Einteilung der Wahlbezirke nicht gegen die Grundsätze der allgemeinen und gleichen wahl. Dies gilt auch dann, wenn nach der Wahlordnung auch ein Wahlvorschlagsrecht des Wahlvorstands besteht, dessen Wahlvorschläge ohne Unterstützung wirksam sind.

d) In der Wahlordnung zur Vertreterversammlung einer Genossenschaft kann dem Wahlvorstand jedenfalls dann ein Wahlvorschlagsrecht eingeräumt werden, wenn ihm ausschließlich Mitglieder der Genossenschaft angehören, die mehrheitlich von der Vertreterversammlung oder Generalversammlung gewählt werden, und es auch den anderen Mitgliedern möglich ist, Wahlvorschläge zu unterbreiten.

e) Die Satzung einer Genossenschaft ist nach objektiven Gesichtspunkten aus sich heraus auszulegen; diese Auslegung kann das Revisionsgericht selbst vornehmen (BGH, Beschluss vom 24. April 2012 II ZB 8/10, WM 2012, 1009 Rn. 17; Urteil vom 21. Januar 1991 II ZR 144/90, BGHZ 113, 237, 240; Urteil vom 6. März 1967 II ZR 231/64, BGHZ 47, 172, 179 f. jeweils zum Verein).

Schlagworte: Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Auslegung, Genossenschaft, Gesellschaftsvertrag, Nichtigkeitsfeststellungsklage/Nichtigkeitsklage, Nichtigkeitsgründe, Wahlrecht