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BGH, Urteil vom 16. Dezember 1991 – II ZR 294/90

§ 30 GmbHG, § 32a GmbHG

Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob die von der Rechtsprechung in entsprechender Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG aufgestellten Grundsätze über kapitalersetzende Gesellschafterleistungen der Rückforderung des Kredits durch den Kläger entgegenstehen. Es hat unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt den vorgetragenen Sachverhalt nicht gewürdigt. Das beanstandet die Revision zu Recht.

Für die Revisionsinstanz ist nach dem Tatsachenvortrag der Beklagten mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts von folgendem Sachverhalt auszugehen: Die Beklagte war seit spätestens Ende 1983 bis zur Konkurseröffnung bilanzmäßig und unter Konkursgesichtspunkten ständig überschuldet (GA 53, 115 f.). Der von der Gemeinschuldnerin gewährte Kredit bestand Ende 1984 nach der von der Beklagten überreichten Bilanz zum 31. Dezember 1984 (Anl. Heft III B 14 S. 9) in Höhe von 167.473,51 DM; daß er später zu irgendeinem Zeitpunkt unter diesen Betrag gesunken wäre, ist weder festgestellt noch vorgetragen. Bis zum Erwerb der restlichen Geschäftsanteile durch den jetzigen Alleingesellschafter der Beklagten am 13. Dezember 1984 war neben diesem die E. mit 160.000,– DM am Stammkapital von 200.000,– DM beteiligt. „Maßgebliche Gesellschafterin“ (GA 193) der E. war die Ehefrau S.s. Nach dem von der Beklagten vorgelegten, im Ermittlungsverfahren gegen S. erstatteten „Prüfungsbericht Nr. 1“ des Landeskriminalamts Ba. hielt Br. S. vom Kommanditkapital der E., das danach insgesamt 7,5 Mio. DM betragen haben soll, 5 Mio. DM (S. 132). Die Beklagte hat weiter vorgetragen, S. habe sich seiner Ehefrau „vielfach im Rahmen seiner geschäftlichen Transaktionen als Rechtsträger bedient“ (GA 193); die E. sei von S. „beherrscht“ worden (GA 269). Dieser soll alle zu seinem Einflußbereich gehörenden Unternehmen im Interesse der Fortführung verschiedener Anlageprojekte (Aquadrom B., Hotel Bo. u.a.) einschließlich der E. und der Beklagten mit Konzernmitteln, die aus den verschiedensten Gesellschaften gestammt hätten, künstlich am Leben erhalten haben (GA 25, 61). Im Prüfungsbericht des Landeskriminalamts heißt es, S. habe „ein Geldkarussell größten Ausmaßes inszeniert“ (S. 182); die Gelder seien „je nach Bedarf … in die verschiedensten Töpfe“ geflossen (S. 183). Im Haftprüfungsbeschluß des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 8. Mai 1989 heißt es, die von S. „repräsentierte Firmengruppe“ sei „ungeachtet ihrer formalrechtlichen Trennung wirtschaftlich als Einheit anzusehen“; „angesichts der Verflechtung der einzelnen Unternehmen seiner Gruppe und seiner durch die … starke Persönlichkeit ermöglichten faktischen Beherrschung der Firmen der S.-Gruppe“ sei die „formalrechtliche Trennung der einzelnen Funktionsträger“ unbeachtlich (S. 4, 6); notleidende Schuldner des Bankhauses – des Kernstücks der Unternehmensgruppe (aaO S. 9) -, für deren Verbindlichkeiten die Bankenaufsicht auf Einzelwertberichtigung gedrängt habe, seien durch Darlehensgewährungen in die Lage versetzt worden, ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Bank zurückzuführen (S. 7).

Auf der Grundlage dieses Sachverhalts läßt es sich nicht ausschließen, daß die Gemeinschuldnerin unter dem Gesichtspunkt des Kapitalersatzes wie eine Gesellschafterin zu behandeln ist. Die Gemeinschuldnerin und die Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten waren, wenn deren Vortrag zutrifft, unter der einheitlichen Leitung S.s (und seiner Ehefrau) zusammengefaßt. Diese Leitung übte bei der Gemeinschuldnerin S. selbst als persönlich haftender und alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter aus. Wer die Geschäfte der E. unmittelbar führte, ist nicht vorgetragen. Nach der Behauptung der Beklagten, S. habe auch diese Gesellschaft beherrscht und ebenso wie die anderen zu seinem Konzern gehörenden Unternehmen wie unselbständige Instrumente für die von ihm betriebene übergeordnete Geschäftspolitik eingesetzt, ist aber für die Revisionsinstanz davon auszugehen, daß S. über die von seiner Ehefrau gehaltene Mehrheitsbeteiligung auch einen maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausüben konnte. Die Darstellung der Beklagten enthält gleichzeitig die Behauptung, Frau S. habe die Beteiligung an der E. als Treuhänderin ihres Ehemannes gehalten. War es so, dann ist die Beteiligung ohne weiteres S. selbst zuzurechnen (§ 16 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 AktG; vgl. BGHZ 107, 7, 15). Aber auch wenn sich ein Treuhandverhältnis zwischen S. und seiner Ehefrau nicht sollte feststellen lassen, würde dies allein die Zusammenfassung der Unternehmen unter einheitlicher Leitung nicht in Frage stellen. Nach dem Sachvortrag der Beklagten, dessen Richtigkeit mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts auch insoweit für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist, übten die Eheleute S. ihre Rechte aus dem jeweiligen Anteilsbesitz stets einheitlich aus; denn die verschiedenen Gesellschaften, an denen sie beteiligt waren, sollen unabhängig vom Umfang des jeweiligen Anteilsbesitzes als bloße Hilfsinstrumente zur Stützung von bestimmten, den eigentlichen Zweck des Unternehmensverbunds bildenden Anlageprojekten eingesetzt worden sein. Eine solche in der Vergangenheit gemeinsam betriebene Unternehmenspolitik kann eine ausreichend sichere Grundlage für die Ausübung gemeinsamer Herrschaft darstellen (BGHZ 80, 69, 73 für die Frage der Abhängigkeit eines Unternehmens von mehreren gleichgeordneten Unternehmen; zustimmend Krieger, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Bd. 4 Aktiengesellschaft § 68 Rdn. 52; zu Unrecht zweifelnd Koppensteiner, KK z. AktG 2. Aufl. § 17 Rdn. 74). Die familiäre Verbundenheit zwischen Anteilsinhabern reicht für sich allein freilich nicht aus; es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach Familienangehörige stets gleichgerichtete Interessen verfolgen (BGHZ 77, 94, 106). Die Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung, von der danach auszugehen und die im übrigen unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG zu vermuten ist, soll, wie bereits erwähnt, dem Zweck gedient haben, die Einzelunternehmen dem übergeordneten gesamtunternehmerischen Interesse dienstbar zu machen. In einem solchen Fall liegt eine wirtschaftliche Einheit vor, die es nach der Rechtsprechung des Senats rechtfertigt, die Verantwortung für die ordnungsgemäße Finanzierung einer Gesellschaft auch einem nicht unmittelbar an ihr beteiligten, aber in jene wirtschaftliche Einheit einbezogenen Unternehmen aufzuerlegen (BGHZ 81, 311, 315 f.; BGHZ 81, 365, 368; BGHZ 105, 168, 176 f.; Sen.Urt. v. 20. März 1986 – II ZR 114/85, ZIP 1987, 1050, 1051 = WM 1986, 789 = GmbHR 1986, 302, v. 22. Oktober 1990 – II ZR 238/89, ZIP 1990, 1593, 1595 = WM 1990, 2112 und v. 18. Februar 1991 – II ZR 259/89, ZIP 1991, 366 = WM 1991, 678, 679 = GmbHR 1991, 155). Denn unter jenen Voraussetzungen läßt sich ein vom Konzerninteresse unterscheidbares Eigeninteresse der nicht unmittelbar an der GmbH beteiligten Gesellschaft an der Kreditgewährung nicht feststellen. Es kann dann auch unter Umgehungsgesichtspunkten nicht hingenommen werden, daß der Gesellschafter seine Gesellschaft mit Mitteln einer anderen Konzerngesellschaft ausstattet und diese Finanzierung dadurch den Kapitalersatzregeln entzieht.

(BGH, Urteil vom 16. Dezember 1991 – II ZR 294/90 –, juris)

Schlagworte: Dritte als Leistungsempfänger, Empfänger der Leistung, Leistung an Dritte, Treuhänder