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BGH, Urteil vom 17. November 2016 – III ZR 139/14

BGB § 157Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 157
D; ZPO § 286 B, G

Zu den Voraussetzungen der Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags.

1. Der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der (Haupt-)Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger (Leistungsnähe).

2. Der Gläubiger muss ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages haben (Einbeziehungsinteresse).

3. Für den Schuldner muss die Leistungsnähe des Dritten und dessen Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages erkennbar und zumutbar sein (Erkennbarkeit und Zumutbarkeit). Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes muss nach Treu und Glauben ein Bedürfnis bestehen, weil der der Dritte anderenfalls nicht ausreichend geschützt wäre (Schutzbedürfnis) (z.B. Senat, Urteil vom 24. Oktober 2013 – III ZR 82/11, juris, Rn. 12 mwN; BGH,  Urteile vom 2. Juli 1996 aaO S. 173 und vom 18. Februar 2014 – VI ZR 383/12, BGHZ 200, 188 Rn. 9; Staudinger/Jagmann, aaO Rn. 100, 106).

Bei einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte steht die geschuldete (Haupt-)Leistung zwar allein dem Gläubiger zu, der Dritte ist jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadenersatzansprüche geltend machen kann. Die Herausbildung des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs beruht auf ergänzender Vertragsauslegung (z.B. RGZ 127, 218, 221 f; BGH, Urteil vom 15. Juni 1971  – VI ZR 262/69, BGHZ 56, 269, 273) und knüpft damit an den hypothetischen Willen der Parteien an, der gemäß § 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu erforschen ist. Sie ist dem Umstand geschuldet, dass die Erfüllung vertraglicher Leistungspflichten zu einem gesteigerten sozialen Kontakt der Vertragsparteien und dementsprechend zu einer größeren Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter des Vertragspartners und gegebenenfalls mit diesem verbundener Dritter führt und das Deliktsrecht – insbesondere wegen der Exkulpationsregelung bei der Gehilfenhaftung nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB und des Fehlens eines umfassenden Vermögensschutzes – den geschädigten Dritten nicht immer zureichend absichert (Staudinger/Jagmann, BGB, Bearb. 2001, § 328 Rn. 83 f; Soergel/Hadding, BGB, Bearb. 2009, Anh § 328 Rn. 1; Palandt Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 328 Rn. 13). Im Hinblick darauf kann es geboten sein, dem Dritten auch eine vertragliche Anspruchsgrundlage zuzubilligen, die ihm die Kompensation des in Ausführung des Vertragsverhältnisses bei ihm eingetretenen Schadens ermöglicht. Damit ist zwangsläufig eine Ausweitung des Haftungsrisikos des Schuldners verbunden, der außer für Schäden seines Vertragspartners auch für Schäden des in den Schutzbereich des Vertrages einbezogenen Dritten haftet. Um diese Haftung für den Schuldner nicht unkalkulierbar auszudehnen, sind an die Einbeziehung von Dritten in den vertraglichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteile vom 3. November 1961 – VI ZR 254/60, VersR 1962, 86, 88 und vom 18. Juni 1968 – VI ZR 120/67, NJW 1968, 1929, 1931).

Der hypothetische Wille der Vertragsparteien, einen Dritten in den Schutzbereich der zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarung einzubeziehen, ist aufgrund einer sorgfältigen Abwägung ihrer schutzwürdigen Interessen und derer des Dritten zu ermitteln (Staudinger/Jagmann, aaO Rn. 96). Die dabei im Einzelnen zu beachtenden Abwägungskriterien ergeben sich aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte (zusammenfassend und mit einem Überblick über die Rechtsprechungsentwicklung: Senat, Urteil vom 7. Mai 2009 – III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 16 f; BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 – X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 170 ff). Deren Ausgangspunkt sind Fallgestaltungen, in denen das „Wohl und Wehe“ eines Dritten einem der beiden Vertragspartner anvertraut ist – wie beispielsweise dem Mieter das seines Familienangehörigen oder Hausangestellten – und dieser Dritte durch ein Verschulden des Vermieters oder eines von ihm mit einer Reparatur am Haus beauftragten Handwerkers Schaden erleidet (RGZ 91, 21, 24; 102, 231, 232). Diese zunächst überwiegend Personenschäden betreffende Rechtsprechung bezieht Dritte in den Schutzbereich eines Vertrages dann ein, wenn sich die vertraglichen Schutzpflichten des Schuldners nach Inhalt und Zweck des Vertrages nicht nur auf seinen Vertragspartner beschränken, sondern – für den Schuldner erkennbar – auch solche Dritte einschließen, denen der Gläubiger aufgrund einer Rechtsbeziehung mit personenrechtlichem Einschlag, wie etwa ein familienrechtliches oder ein miet-, dienst- oder arbeitsvertragliches Verhältnis, seinerseits Schutz und Fürsorge schuldet (st. Rspr., z.B. Senat aaO Rn. 16; RGZ 91, 21, 24; 102, 231, 232; 127, 218, 223 f; BGH, Urteile vom 15. Mai 1959 – VI ZR 109/58, NJW 1959, 1676, 1677; vom 18. Juni 1968, aaO Rn. 24; vom 12. Juli 1977 – VI ZR 136/76, NJW 1977, 2208, 2209 und vom 20. April 2004 – X ZR 250/02, BGHZ 159, 1, 8). In Weiterentwicklung dieser Rechtsprechung ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung der Schutzbereich vertraglicher Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner auch auf einen an seinem Vermögen geschädigten Dritten ausgedehnt worden, wenn der Gläubiger an dessen Schutz ein besonderes Interesse hat, Inhalt und Zweck des Vertrages erkennen lassen, dass diesem Schutzinteresse Rechnung getragen werden soll, und die Parteien zugunsten des Dritten eine Schutzpflicht begründen wollen (z.B. Senat aaO Rn. 17). Allerdings beschränkt sich in diesen Fällen der Kreis der Einbezogenen auf solche Dritte, in deren Interesse die Leistung des Schuldners nach der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vereinbarung der Parteien zumindest auch erbracht werden soll – wie etwa in Fällen sogenannten Expertenhaftung für fehlerhafte Gutachten, die zur Vorlage an den Dritten bestimmt sind. Tragender Gesichtspunkt für diese Beschränkung des Kreises der einbezogenen Dritten ist das Anliegen, das Haftungsrisiko für den Schuldner berechenbar zu halten. Er soll für Schäden Dritter nicht einstehen müssen, wenn ihm nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung des Vertragszwecks nicht zugemutet werden kann, sich ohne zusätzliche Vergütung auf das Risiko einer erweiterten Haftung einzulassen (st. Rspr., vgl. Senat aaO; BGH, Urteil vom 20. April 2004 aaO S. 9 mwN). Deshalb kann ohne besondere Umstände auch die Einbeziehung eines Unternehmers und seiner Mitarbeiter in den Schutzbereich eines Werkvertrags des Bestellers mit einem anderen Unternehmer nicht angenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 1985  – X ZR 71/84, WM 1985, 1245, 1246).

Ausgehend von diesen Grundsätzen unterliegt die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrages folgenden Voraussetzungen:

Der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der (Haupt-)Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger (Leistungsnähe).

Der Gläubiger muss ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages haben (Einbeziehungsinteresse).

Für den Schuldner muss die Leistungsnähe des Dritten und dessen Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages erkennbar und zumutbar sein (Erkennbarkeit und Zumutbarkeit). Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes muss nach Treu und Glauben ein Bedürfnis bestehen, weil der der Dritte anderenfalls nicht ausreichend geschützt wäre (Schutzbedürfnis) (z.B. Senat, Urteil vom 24. Oktober 2013 – III ZR 82/11, juris, Rn. 12 mwN; BGH,  Urteile vom 2. Juli 1996 aaO S. 173 und vom 18. Februar 2014 – VI ZR 383/12, BGHZ 200, 188 Rn. 9; Staudinger/Jagmann, aaO Rn. 100, 106).

Das Berufungsgericht hat sich zwar bei seiner Prüfung an den vorstehenden Voraussetzungen orientiert. Auch hat es nicht grundsätzlich verkannt, dass die von ihm angenommene Leistungsnähe des Klägers zur Montageleistung des Beklagten für sich allein die Einbeziehung des Klägers in die Schutzwirkung der Vereinbarung zwischen der Nießbrauchsberechtigten und dem Beklagten noch nicht rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 aaO), sondern vielmehr weitere Bedingungen (Einbeziehungsinteresse, Erkennbarkeit und Zumutbarkeit, Schutzbedürfnis) erfüllt sein müssen. Letzteres hat die Vorinstanz jedoch auf unzureichender Tatsachengrundlage und unter Außerachtlassung dessen, dass an die Bestimmung des Kreises der drittbegünstigten Personen strenge Maßstäbe anzulegen sind, bejaht. Insbesondere tragen die getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die Annahme, die Nießbrauchsberechtigte habe ein Interesse an der Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich der mit dem Beklagten getroffenen Vereinbarung gehabt, das für diesen erkennbar gewesen sei. Ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Vertrages ist nach der dargestellten Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn entweder – wie in den „Wohl-und-Wehe-Fällen“ – zwischen ihm und dem Dritten eine rechtliche Beziehung mit persönlicher Fürsorge- und Obhutspflicht oder sozialer Abhängigkeit besteht oder ihm – ohne eine derartig enge Bindung – Schutzpflichten gegenüber dem Dritten aufgrund einer Sonderverbindung in Gestalt eines sonstigen Vertrages oder zumindest eines Gefälligkeitsverhältnisses oder eines besonderen sozialen Kontaktes obliegen (z.B. Senat, Urteil vom 24. Oktober 2013, aaO Rn. 14; Staudinger/Jagmann, aaO Rn. 100; MüKoBGB/Gottwald, 7. Aufl., § 328 Rn. 183). Solche besonderen Beziehungen zwischen der Nießbrauchsberechtigten und dem Kläger sind im Berufungsurteil weder festgestellt noch ersichtlich. Eine familiäre Bindung zwischen ihr und dem Kläger bestand – anders als zur Zeugin Y.         R.       – nicht. Auch war keine in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis wurzelnde soziale Abhängigkeit des Klägers zu ihr gegeben. Andere vertragliche Beziehungen zwischen ihnen bestanden ebenfalls nicht. Insbesondere hatte nicht die Nießbrauchsberechtigte den Kläger, sondern der Erstbeklagte den Arbeitgeber des Klägers mit den Fassadenarbeiten beauftragt. Eine mögliche Haftung wegen schuldhafter Verletzung der Schutzpflicht des Bestellers entsprechend § 618 BGB aus dem insoweit auch für den Kläger Schutzwirkung entfaltenden Werkvertrag (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 1971, aaO, S. 272) träfe deshalb nur den Erstbeklagten, nicht aber die Zeugin A.      R.     . Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann aus dem von ihm angenommenen allgemeinen Bestreben der Nießbrauchsberechtigten, „niemanden“ durch die Lampe zu Schaden kommen zu lassen beziehungsweise die Sicherheit „aller Personen“ zu gewährleisten, die mit ihrem Wissen und Wollen mit der Lampe in Berührung kommen würden, ihr Einbeziehungsinteresse nicht hergeleitet werden. Denn dieses Anliegen gründete sich nicht auf eine rechtsgeschäftliche oder auch nur soziale Sonderbeziehung der Nießbrauchsberechtigten zum Kläger, sondern allenfalls auf ihr möglicherweise obliegende deliktische Verkehrssicherungspflichten, die gegenüber jeder befugt am eröffneten Verkehr teilnehmenden Person zu beachten sind. Eine solche aus deliktischen Vorschriften folgende allgemeine gesetzliche Verpflichtung, Rechtsgüter beliebiger Dritter nicht zu schädigen, kann aber die Annahme eines Gläubigerinteresses an einer stillschweigenden Einbeziehung eines bestimmten Dritten in den Schutzbereich eines Vertrages nicht rechtfertigen (vgl. Senat, Urteil vom 24. Oktober 2013 aaO Rn. 14; MüKoBGB/Gottwald, aaO). Entgegen der vom Prozessbevollmächtigen des Klägers geäußerten, allerdings nicht weiter konkretisierten Ansicht hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinen Entscheidungen keine über die bisherige Rechtsprechung hinausgehende Ausweitung des Kreises der in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogenen Dritten vorgenommen. Auch dem vom Klägervertreter in Bezug genommenen Aufsatz von Zenner (NJW 2009, 1030) lässt sich solches nicht entnehmen. Hieran ändert die Einschätzung des Berufungsgerichts nichts, dass der Kreis der Personen, die mit Wissen und Wollen der Nießbrauchsberechtigten mit der Lampe in Berührung kommen würden, letztlich begrenzt und überschaubar gewesen sei. Gerade dies war bei objektiver Betrachtung aus Sicht des Beklagten nicht der Fall. Denn der Beklagte konnte bei Abschluss der Vereinbarung mit der Nießbrauchsberechtigten nicht einschätzen, welche und wie viele Personen künftig mit ihrer Billigung, der ihrer Enkelin als Mieterin der Erdgeschosswohnung, der des erstbeklagten Eigentümers der Doppelhaushälfte und derjenigen gegebenenfalls noch weiterer Berechtigter mit der von ihm montierten Lampe unmittelbar in Kontakt kommen würden. Es handelt sich damit um einen prinzipiell unbegrenzten Personenkreis. Dessen stillschweigende Einbeziehung in den Schutzbereich eines unentgeltlichen Gefälligkeitsvertrags war nicht zumutbar und damit vom hypothetischen Willen der Vertragsparteien nicht erfasst. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte über eine private Haftpflichtversicherung verfügt. Denn das Bestehen einer Haftpflichtversicherung kann zwar unter Umständen gegen einen konkludenten Haftungsausschluss sprechen, nicht aber das Fehlen anspruchsbegründender Tatsachen kompensieren (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 – VI 296/08, NJW 2010, 537 Rn. 14).

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