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BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 – IX ZR 198/10

HGB §§ 105, 161, 169; BGB § 738; InsO § 134

1. Nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft wird eine Gesellschaft, deren Gründungsakt an einem Fehler leidet, die aber in Vollzug gesetzt worden ist, als wirksam behandelt. Ebenso wenig führt ein fehlerhafter, aber vollzogener Gesellschaftsbeitritt zur Unwirksamkeit des Beitritts nach allgemeinen Grundsätzen. Der Gesellschafter, der sich auf den Mangel berufen will, hat aber das Recht, sich jederzeit auf dem Wege der außerordentlichen Kündigung von seiner Beteiligung für die Zukunft zu lösen. An die Stelle des ihm nach allgemeinen Grundsätzen zustehenden Anspruchs auf Rückzahlung der geleisteten Einlage tritt – auch bei einem durch arglistige Täuschung verursachten Beitritt – ein Anspruch auf das ihm nach den Grundsätzen gesellschaftsrechtlicher Abwicklung zustehende Abfindungsguthaben. Dessen Höhe bemisst sich nach dem Wert der Beteiligung im Kündigungszeitpunkt. Denn der Anleger nimmt an den bis zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Gewinnen und Verlusten der Gesellschaft im Verhältnis seiner Beteiligung teil, weil seiner Kündigung nach den Regeln des Gesellschaftsrechts keine Rückwirkung zukommt (BGH, Urteil vom 21. Juli 2003 – II ZR 387/02, BGHZ 156, 46, 52 f; vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 – II ZR 160/09, ZIP 2010, 2497 Rn. 6; Konzen, FS Harm Peter Westermann, 2008, S. 1133, 1134 ff). Dies gilt sowohl für die Kommanditgesellschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010, aaO) als auch für die stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
stille Gesellschaft
, unabhängig von der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses als typische oder atypische stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
stille Gesellschaft
(BGH, Urteil vom 29. November 2004 – II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 255).

2. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kommen nur dann nicht zur Anwendung, wenn ausnahmsweise die rechtliche Anerkennung des von den Parteien gewollten und tatsächlich vorhandenen Zustands aus gewichtigen Belangen der Allgemeinheit oder bestimmter besonders schutzwürdiger Personen unvertretbar ist. So hat der Bundesgerichtshof Ausnahmen unter anderem dann anerkannt, wenn der Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, der Zweck der Gesellschaft mit den guten Sitten unvereinbar ist oder eine besonders grobe Sittenwidrigkeit vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2004, aaO; vom 21. März 2005 – II ZR 310/03, NJW 2005, 1784, 1785).

3. Ein Gesellschaftsvertrag und Gesellschafterbeitritt sind nicht wegen des von der Gesellschaft betriebenen Schneeballsystems gemäß § 138 BGB Sittenwidrig; Sittenwidrig ist lediglich das von ihr tatsächlich betriebene, nicht aber das mit dem gutgläubigen Anlegern vereinbarte System der Kapitalanlage (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2005 – II ZR 140/03, ZIP 2005, 753, 756; vom 9. Dezember 2010 – IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 Rn. 11; vom 22. September 2011 – IX ZR 209/10, NZI 2011, 976 Rn. 12).

4. Der Anleger hat gemäß § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 738 Abs. 2 BGB nach Kündigung seiner Beteiligung und Ausscheiden aus der Gesellschaft gegen diese einen Anspruch auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens, nicht aber einen Anspruch auf Rückerstattung der Einlage.

5. Die Höhe des Abfindungsanspruchs ergibt sich aus der auf den Abfindungsstichtag zu erstellenden Abfindungsbilanz (vgl. Piehler/Schulte, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. II, 3. Aufl., § 37 Rn. 44 f mwN; MünchKomm-BGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 738 Rn. 26 ff). Für seine Zusammensetzung gelten die gleichen Grundsätze wie für die Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens bei Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
. Allgemein sind einzubeziehen der Anspruch auf Rückzahlung der Einlage oder ihres Wertes, der anteilige Anspruch auf den in der Abfindungsbilanz ausgewiesenen, nach dem beim Ausscheiden geltenden Gewinnverteilungsschlüssel zwischen dem Ausgeschiedenen und den übrigen Gesellschaftern aufzuteilenden fiktiven Liquidationsüberschuss sowie die sonstigen in die Abfindungsbilanz als Rechnungsposten einzustellenden gegenseitigen Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis (MünchKomm-BGB/Ulmer/Schäfer, aaO § 738 Rn. 37).

6. Die von der Gesellschaft den Anlegern überlassenen monatlichen Kontomitteilungen begründen keinen Anspruch des Anlegers gegen die Gesellschaft aus einem abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der sich die Gutschrift auf einem Girokonto als abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis einer Bank gegenüber dem Kunden darstellt. Ein zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten geschlossener Girovertrag fehlt hier. Auf andere Rechtsbeziehungen lassen sich die vorgenannten Grundsätze nicht übertragen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2010 – XI ZR 26/10, BGHZ 187, 327 Rn. 18 mwN; vgl. v. Falkenhausen/Schneider, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. II, 3. Aufl., § 22 Rn. 39 f). Aber auch mit Hilfe anderer Erwägungen lässt sich ein Anspruch des Anlegersaus einem abstrakten Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis der Gesellschaft nach §§ 780, 781 BGB nicht bejahen (vgl. BGH, aaO Rn. 19). Aus dem Inhalt der monatlichen Kontomitteilungen ergibt sich eindeutig, dass die Gesellschaft nicht erklären wollte, den genannten Betrag dem Anleger auf jeden Fall auch ohne endgültige Feststellung ihrer Gewinne in der Jahresbilanz zu schulden, sondern sie den Anleger nur über den aktuellen vorläufigen Stand seiner Gesellschafterkonten informiert hat. Sie stellen deswegen bloße Wissenserklärungen dar, mit welcher der Gesellschafter vom Stand seiner Gesellschafterkonten unterrichtet wird (vgl. BGH, aaO Rn. 20).

7. Einem Jahresabschluss kann der Rechtscharakter eines Schuldanerkenntnisses beigemessen werden (BGH, Urteil vom 11. Januar 1960 – II ZR 69/59, WM 1960, 187, 188 f; vom 29. März 1996 – II ZR 263/94, BGHZ 132, 263, 266; vom 2. März 2009 – II ZR 264/07, WM 2009, 986 Rn. 15). 

8. Der Insolvenzverwalter kann die Auszahlung eines gesellschaftsrechtlichen Scheinauseinandersetzungsguthaben als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten, wenn tatsächlich keine Erträge erwirtschaftet worden sind, sondern die Auszahlung aus einer im Schneeballsystem gewonnenen Einlage ermöglicht wird; das gilt auch für eine Gewinnvorauszahlung. Auszahlungen, mit denen nach einer Kündigung der Mitgliedschaft in der Anlegergemeinschaft vom Anleger erbrachte Einlagen zurückgewährt worden sind, sind dagegen als entgeltliche Leistungen nicht nach dieser Vorschrift anfechtbar (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 Rn. 6; vom 2. April 2009 – IX ZR 197/07, ZInsO 2009, 1202 Rn. 6; vom 22. April 2010 – IX ZR 225/09, NZI 2010, 764 Rn. 11 ff; vom 9. Dezember 2010 – IX ZR 60/10, NJW 2011, 1732 Rn. 6; vom 29. März 2012 – IX ZR 207/10, NJW 2012, 2195 Rn. 8). Die Ausschüttungen erfolgen dabei in der Regel zunächst auf ausgewiesene Scheingewinne und erst danach auf die geleistete Einlage (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 – IX ZR 18/10, NZI 2011, 324 Rn. 10,12).

9. Die bewusste Erfüllung einer nicht bestehenden Forderung ist unentgeltlich, auch wenn der Leistungsempfänger irrtümlich vom Bestehen der Forderung ausgegangen ist (Anschluss an BGH, 11. Dezember 2008, IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 Rn. 6).

10. Sofern der Anleger durch Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
Eintragung in das Handelsregister
Handelsregister
der Gesellschaft als Kommanditist beigetreten ist, ist es ihm nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft verwehrt, gegen die in Vollzug gesetzte Gesellschaft und nach vollzogenem Beitritt im Wege des Schadensersatzes einen Anspruch auf ungeschmälerte Rückerstattung der Einlage geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2003 – II ZR 387/02, BGHZ 156, 46, 52 f; vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2008 – II ZR 292/06, ZIP 2008, 1018 Rn. 11 ff, 20; vom 12. Juli 2010 – II ZR 160/09, ZIP 2010, 2497 Rn. 6; Konzen, FS Harm Peter Westermann, 2008, S. 1133, 1134 ff).

Bei rein kapitalistisch organisierten Gesellschaftsbeteiligungen hat der einzelne Gesellschafter auf die Beitrittsverträge neuer Gesellschafter keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten; demgemäß treten die Gesellschafter dem am Beitritt interessierten Dritten gegenüber nicht in Erscheinung. Der (getäuschte) Beitrittswillige bringt regelmäßig nur dem die Verhandlung führenden Vertreter der Gesellschafter, nicht aber diesen oder der Gesellschaft Vertrauen entgegen. Daher ist es gerechtfertigt, nur diesen Vertreter persönlich und nicht auch die übrigen Gesellschafter haften zu lassen. Anders lässt sich eine geordnete Auseinandersetzung der Gesellschaft nach dem Regelwerk über die fehlerhafte GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
fehlerhafte Gesellschaft
Gesellschaft
oder den fehlerhaften Gesellschaftsbeitritt nicht durchführen (BGH, Urteil vom 21. Juli 2003, aaO Seite 51 f). Eine andere Sichtweise würde die Interessen der übrigen Gesellschafter vernachlässigen; gerade bei Publikumsgesellschaften findet sich die Erscheinung, dass die anderen Gesellschafter unter ähnlichen Bedingungen beigetreten und daher im Ausgangspunkt nicht weniger schutzwürdig sind als der sich auf die Täuschung berufende Gesellschafter. Sie müssten zusätzlich zu der Last des eigenen Beitritts die Lasten tragen, die sich aus der Rückabwicklung der Beteiligung und der Rückzahlung der vollen Einlage ergeben würden. Sie wären dem sogenannten „Windhundrennen“ ausgesetzt: Die Gesellschafter, die schnell handelten, erlangten die volle Einlage zurück; die übrigen ebenso getäuschten Anleger gingen leer aus. Dies wirkt in besonderem Maße dann nachteilig, wenn die Gesellschaft aufgrund der Erfüllung der zuerst geltend gemachten Rückzahlungsverlangen in die Insolvenz getrieben wird. Derartige rechtliche und vor allem wirtschaftliche und finanzielle Folgen sind unvereinbar mit dem gesellschaftsrechtlichen Gebot einer gleichmäßigen Behandlung aller (betroffenen) Gesellschafter (BGH, Beschluss vom 5. Mai 2008 – II ZR 292/06, ZIP 2008, 1018 Rn. 14, 20). Dies gilt umso mehr, als in dem von der Schuldnerin praktizierten Schneeballsystem die Auszahlungen an die ausscheidenden Gesellschafter durch die Einlagen der Neugesellschafter ermöglicht worden sind.

11. Wenn der Anleger mangels Eintragung im Handelsregister atypischer stiller Gesellschafter der Gesellschaft war, gilt nichts anderes. Auch auf eine stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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finden die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung, unabhängig von der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses als typische oder atypische stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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stille Gesellschaft
(BGH, Urteil vom 29. November 2004 – II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 255).

Allerdings stehen die Grundsätze über die fehlerhafte GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gesellschaft
in diesem Fall einem Anspruch auf Rückgewähr der Einlage dann nicht entgegen, wenn der Vertragspartner des stillen Gesellschafters – der Inhaber des Handelsgeschäfts im Sinne des § 230 HGB – verpflichtet ist, den stillen Gesellschafter im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als hätte er den Gesellschaftsvertrag nicht abgeschlossen und seine Einlage nicht geleistet. Demjenigen, der sich aufgrund eines Prospektmangels, einer Verletzung der AufklärungspflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aufklärungspflicht
Verletzung der Aufklärungspflicht
oder aus sonstigen Gründen schadensersatzpflichtig gemacht hat, darf es nicht zugutekommen, dass er gleichzeitig auch an dem mit dem geschädigten Anleger geschlossenen Gesellschaftsvertrag beteiligt ist. Dies hat der Bundesgerichtshof jedenfalls für die zweigliedrige stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
stille Gesellschaft
entschieden; die Frage, ob dies auch für die mehrgliedrige stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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mehrgliedrige stille Gesellschaft
stille Gesellschaft
gelten soll, hat er ausdrücklich offen gelassen (BGH, Urteil vom 29. November 2004 – II ZR 6/03, ZIP 2005, 254, 256; vgl. zur mehrgliedrigen stillen Gesellschaft OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
, ZIP 2013, 414, 415 f, die zugelassene Revision ist beim BGH anhängig unter dem Aktenzeichen II ZR 383/12; OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, Urteil vom 30. Januar 2013 – 13 U 1683/12, nv, die zugelassene Revision beim BGH anhängig unter dem Aktenzeichen II ZR 102/13).

Denn bei der (zweigliedrigen) stillen Gesellschaft tritt der Anleger nicht einer bestehenden Publikumsgesellschaft bei, sondern bildet mit seinem Vertragspartner die stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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stille Gesellschaft
. Dabei beschränken sich seine Rechtsbeziehungen ausschließlich auf den als Inhaber des Handelsgewerbes im Sinne von § 230 HGB auftretenden Vertragspartner, mit dem allein der stille Gesellschaftsvertrag zustande kommt; dieser schuldet ihm bei einer Beendigung der stillen Gesellschaft das Auseinandersetzungsguthaben. Zugleich haftet er ihm nach den Grundsätzen der Prospekthaftung und des Verschuldens bei Vertragsschluss, jeweils in Verbindung mit § 31 BGB und gegebenenfalls § 278 BGB, auf Schadensersatz. Anders als bei einer Publikumsgesellschaft richten sich der Auseinandersetzungs- und der Schadensersatzanspruch gegen dieselbe Person. Dann aber kann der Schadensersatzanspruch nicht nach den Regeln über die fehlerhafte GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gesellschaft
beschränkt sein. Auch der Schutz der Gläubiger gebietet eine solche Beschränkung nicht, schon weil es bei der stillen Gesellschaft an einem durch Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften geschützten Gesellschaftsvermögen fehlt (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707 f).

12. Doch müssen sich die atypischen stillen Gesellschafter dann wie Kommanditisten behandeln lassen, wenn infolge einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung auf sie sämtliche Regelungen des Gesellschaftsvertrages entsprechend Anwendung finden sollen. Dann finden auf sie die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft ohne jede Einschränkung Anwendung. Diese rechtliche Gleichbehandlung von Kommanditisten und stillen Gesellschaftern infolge der vertraglichen Gleichstellungsvereinbarung findet ihre Rechtfertigung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu treuhandvermittelten Beteiligungen an Publikumsgesellschaften. Danach sind die Grundsätze, die im Innenverhältnis der Gesellschaft und der Gesellschafter gelten, auch auf den nur mittelbar, etwa über einen Treuhänder, Beteiligten anzuwenden, wenn diesem im Innenverhältnis die einem unmittelbaren Gesellschafter vergleichbare Stellung eingeräumt worden ist (vgl. Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 10; vom 24. Juli 2012 – II ZR 297/11, ZIP 2012, 1706 Rn. 32 ff zVb in BGHZ 194, 180; vom 18. September 2012 – II ZR 201/10, ZIP 2012, 2291 Rn. 11; vom 5. Februar 2013 – II ZR 134/11, ZIP 2013, 570 Rn. 11; vom 5. Februar 2013 – II ZR 136/11, ZIP 2013, 619 Rn. 14 ff).

13. Ebenso wenig kann der Anleger gegen einen etwaigen Rückgewähranspruch mit einem Schadensersatzanspruch, wenn ein solcher gegen die Gesellschaft bestand, aufrechnen. Denn eine solche Aufrechnung mit vor-insolvenzlichen Schadensersatzansprüchen gegen den insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch ist ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 Rn. 7 ff; vom 22. April 2010 – IX ZR 163/09, NJW 2010, 2125 Rn. 11). Der Anfechtungsanspruch ist im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 1, § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO erst als Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und somit nach dieser entstanden (MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 143 Rn. 11).

14. Die Geltendmachung des Rückgewähranspruchs aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO kann nur in Extremfällen gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen, sodass der Insolvenzverwalter an der Durchsetzung dieses Anspruchs gehindert ist (BGH, Urteil vom 11. Dezember 2008, aaO Rn. 21; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 134 Rn. 45). Der Schutz der getäuschten Anleger gebietet es nicht, den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger zurücktreten zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2008, aaO).

15. Es ist zwischen der Pflichteinlage, zu deren Erbringung sich der Kommanditist im Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis der Gesellschafter verpflichtet, und der Hafteinlage (Haftsumme), mit der ein Kommanditist nach § 161 Abs. 1, § 172 Abs. 1 und 2 HGB gegenüber den Gesellschaftsgläubigern im Außenverhältnis haftet, zu unterscheiden. Die Erbringung der Pflichteinlage dient in voller Höhe der Erfüllung der gesellschaftsvertraglichen Pflichten im Innenverhältnis, in Höhe der Hafteinlage zusätzlich der Befreiung von der persönlichen Haftung im Außenverhältnis (v. Falkenhausen/Schneider, aaO § 17 Rn. 6 f; Weipert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 167 Rn. 6). 

16. Die Gesellschafter können darüber hinaus vereinbaren, dass als Gesellschafterbeitrag ein Darlehen gewährt wird (v. Falkenhausen/Schneider, aaO § 17 Rn. 17 ff).

17. Die bloße Bezeichnung des Kapitalkonto II als „Darlehen“ alleine bewirkt keine rechtliche Umqualifizierung der Pflichteinlage in ein Darlehen. Vielmehr bedarf es hierfür einer klaren gesellschaftsvertraglichen Regelung.

18. Nach § 169 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 HGB hat ein Kommanditist nur Anspruch auf Auszahlung des ihm zukommenden, tatsächlich erwirtschafteten Gewinns. Hat er Gewinnausschüttungen bezogen, die ihm nicht zustanden, liegt ein „Scheingewinnbezug“ ohne Rechtsgrund vor. Die Gesellschaft hat dann (außerhalb der Insolvenz) einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch; anders als im Falle von § 172 Abs. 5 HGB für die Außenhaftung führt die Gutgläubigkeit nicht zur Enthaftung des Kommanditisten im Innenverhältnis (Weipert, aaO § 169 Rn. 16; v. Falkenhausen/Schneider, aaO § 24 Rn. 21, 25).

19. Allerdings kann in einem Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, dass an die Kommanditisten gewinnunabhängige Ausschüttungen erfolgen sollen, denn die gesetzliche Regelung des § 169 Abs. 1 Satz 2 HGB ist abdingbar und steht einer abweichenden Vereinbarung nicht entgegen (BGH, Urteil vom 5. April 1979 – II ZR 98/76, WM 1979, 803 f; vom 12. März 2013 – II ZR 73/11, WM 2013, 1167 Rn. 10).

20. Das gesetzliche wie auch das vertragliche Entnahmerecht wird durch die Treuepflicht der Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft beschränkt (v. Falkenhausen/Schneider, aaO § 24 Rn. 4). Das gilt auch für die Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft. Sie mag hier mit Rücksicht darauf, dass die Anlagegesellschafter untereinander und zu den eigentlichen Unternehmensgesellschaftern in keinerlei persönlichen Beziehungen stehen, einen anderen Inhalt haben und andere Wirkungen zeitigen. Das kann aber nicht dazu führen, die Treuepflicht überhaupt zu leugnen, sondern nur dazu, dass die Grenzen anders zu ziehen sind. Das Treuegebot bleibt insbesondere bestehen, wenn es um die Frage der Erhaltung des Gesellschaftsunternehmens geht (BGH, Urteil vom 19. November 1984 – II ZR 102/84, NJW 1985, 972, 973).

21. Anerkannt ist, dass ein Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen Entnahmeverboten zustimmen muss. So muss ein Gesellschafter einem Zinsverzicht zustimmen, wenn diese Änderung der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen erforderlich wird, um das Unternehmen zu erhalten (BGH, Urteil vom 5. November 1984 – II ZR 111/84, NJW 1985, 974 f; vom 19. November 1984, aaO). Solange keine Auflösung der GmbH beschlossen ist, muss der geschäftsführende Gesellschafter die GmbH als werbendes Unternehmen betrachten und darauf bedacht sein, es als solches wirtschaftlich zu unterhalten und zu fördern. Es ist ihm verwehrt, das Unternehmen auszuhöhlen und so einer Liquidation unerlaubt vorzugreifen (BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 – IX ZR 232/01, WM 2006, 927 Rn. 16). Unter bestimmten Voraussetzungen muss ein Gesellschafter einer Kapitalerhöhung zustimmen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2011 – II ZR 122/09, NJW 2011, 1667 Rn. 20 ff). Ist die wirtschaftliche Lage einer Gesellschaft unhaltbar geworden und ergibt sich bei objektiver Beurteilung daraus die Notwendigkeit, den Geschäftsbetrieb aufzugeben, so besteht im Verhältnis unter den Gesellschaftern die Rechtspflicht, die insoweit notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Es stellt eine Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht dar, wenn sich ein Gesellschafter dieser Notwendigkeit entzieht (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1959 – II ZR 81/59, NJW 1960, 434 f).

Schlagworte: Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters, Abfindungsanspruch, Anlageberatung und Prospekthaftung, Auseinandersetzung, Auseinandersetzungsbilanz, Darlehen, Entnahme, fehlerhafte Gesellschaft, Gewinnausschüttung, gewinnunabhängige Ausschüttungen, Hafteinlage, Insolvenzanfechtung, Kapitalkonto, Kommanditist, mehrgliedrige stille Gesellschaft, Pflichteinlage, Publikumsgesellschaft, Publikumspersonengesellschaft, stille Gesellschaft, Treuepflicht