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BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 – II ZR 73/99

GmbHG §§ 30, 33, 34; AktG § 242Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 242

a) Die Regelung des § 242 Abs. 2 AktG findet auf nichtige Bestimmungen der Ursprungssatzung sowohl im Aktien- als auch im GmbH-Recht entsprechende Anwendung.

b) Die Regelung einer GmbH-Satzung, nach der die Einziehung eines Geschäftsanteils bei dessen Pfändung für ein unter dem Verkehrswert liegendes Entgelt zulässig ist, ist nichtig, wenn für den vergleichbaren Fall der Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund nicht dieselbe oder gar keine Entschädigungsregelung getroffen wird (Ergänzung BGH, BGHZ 32, 151 und BGH, BGHZ 65, 22).

Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Regelung in der Satzung einer GmbH wegen Gläubigerdiskriminierung nichtig, wenn sie bei Pfändung eines Geschäftsanteils dessen Einziehung gegen ein unter dem Verkehrswert liegendes Entgelt zuläßt und dieselbe Entschädigungsregelung nicht auch für den vergleichbaren Fall der Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund getroffen wird (BGHZ 65, 22, 28 f. unter Einschränkung von BGHZ 32, 151, 155 ff.).

Den beiden Entscheidungen liegen zwar Fallgestaltungen zugrunde, in denen die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
sowohl bei dessen Pfändung als auch bei Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund in der Satzung – unterschiedlich – geregelt war. Der Grundsatz gilt jedoch auch dann, wenn die Satzung lediglich die Einziehung gegen ein geringwertiges Entgelt für den Fall der Anteilspfändung (bzw. der Insolvenz des Gesellschafters), nicht aber die Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund und die Anteilseinziehung regelt. Denn in einem solchen Falle ist der Gesellschafter zum vollen Wert abzufinden (vgl. BGHZ 9, 157, 167 ff.; ferner BGHZ 116, 359, 370 f.), während der Gläubiger sich von vornherein mit einem niedrigeren Betrag begnügen muß.

Diese Konstellation ist im vorliegenden Fall gegeben. Würde der Kläger aus der Beklagten ausgeschlossen, könnte er durch Veräußerung seines Anteils an die Gesellschafter, in den von § 33 Abs. 2 GmbHG gesteckten Grenzen an die Gesellschaft oder – mit deren Genehmigung – an Dritte dessen vollen Wert realisieren. Seine Gläubiger hingegen erhalten bei Anteilspfändung oder in der Insolvenz nur einen Betrag in Höhe des „Steuerkurswertes“ bzw. „steuerlichen Einheitswertes“, der in der Regel niedriger als der wirkliche Anteilswert ist. Das Berufungsgericht ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Bestimmung des § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages nichtig ist.

Allerdings ist es dem Kläger verwehrt, sich auf die Nichtigkeit der Regelung zu berufen. Das folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG.

Ist ein Hauptversammlungsbeschluß nichtig im Sinne des § 241 Nr. 1, 3 und 4 AktG, so kann nach dieser Vorschrift seine Nichtigkeit dann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluß in das Handelsregister eingetragen worden ist und seitdem drei Jahre vergangen sind. Da das Gesetz die Heilung generell für Beschlüsse vorsieht, die wegen ihrer Bedeutung in das Handelsregister einzutragen sind, umfaßt die Regelung auch nichtige Beschlüsse über Satzungsänderungen (BGHZ 99, 211, 217). Nach dem Wortlaut der Bestimmung erstreckt sich die Heilung zwar nicht auf nichtige Regelungen der ursprünglichen Satzung. Darin ist jedoch zu Recht eine Ungleichbehandlung der durch Beschluß der Gründer festgestellten und der durch Hauptversammlungsbeschluß geänderten Satzungsbestimmungen gesehen worden, die sich weder rechtsdogmatisch noch rechtssystematisch rechtfertigen läßt (vgl. Geßler, ZGR 1980, 427, 453). Da Sinn der Regelung die Herbeiführung von Rechtssicherheit ist, die bei gleicher Sachlage für alle Satzungsbestimmungen im Rechtsverkehr der Gesellschaften erforderlich ist und nicht davon abhängt, ob die Regelung bereits in der Ursprungssatzung getroffen oder später durch Hauptversammlungsbeschluß eingefügt worden ist, erscheint es geboten, den Rechtsgedanken dieser Vorschrift auch auf nichtige Bestimmungen der Ursprungssatzung anzuwenden (vgl. Geßler, ZGR 1980, 427, 453; tendenziell ablehnend wohl K. Schmidt in: GroßKomm. z. AktG, 4. Aufl. § 242 Rdn. 8; offengelassen in BGHZ 99, 211). Dem Einwand, damit werde gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßendes Satzungsrecht auf ewig sanktioniert (so Säcker, JZ 1980, 82, 84 Fn. 14), ist zutreffend mit dem Hinweis begegnet worden, das Registergericht könne die Löschung nach §§ 142 Abs. 1, 144 Abs. 2 FGG jederzeit von Amts wegen bewirken (Geßler, ZGR 1980, 427, 453; BGHZ 99, 211, 217 f.; vgl. auch K. Schmidt in: GroßKomm. z. AktG, 4. Aufl. § 242 Rdn. 8, 14). Er müßte überdies in gleicher Weise für nachträglich eingefügtes Satzungsrecht gelten.

c) Der Beschluss über die Einziehung eines Geschäftsanteils ist nichtig, wenn bereits bei der Beschlussfassung feststeht, dass die Entschädigung des Gesellschafters ganz oder teilweise nur aus gebundenem Vermögen gezahlt werden kann und der Beschluss nicht klarstellt, dass die Zahlung nur bei Vorhandensein ungebundenen Vermögens erfolgen darf.

Nach diesen Vorschriften darf der Erwerb eigener Geschäftsanteile nicht aus dem Vermögen der Gesellschaft finanziert werden, das zur Deckung der Stammkapitalziffer benötigt wird.

Der Kläger hat behauptet, seine Geschäftsanteile verkörperten inzwischen einen Wert von ca. 1,6 Mio. DM. Fallen der im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Abfindungsbetrag und der wirkliche Wert des Geschäftsanteils infolge der Geschäftsentwicklung der Gesellschaft auseinander und ist der Abfindungsbetrag unter diesen Umständen unangemessen gering, muß dem Gesellschafter ein angemessener Abfindungsbetrag gezahlt werden (BGHZ 116, 359, 360; 123, 281, 284 ff.; BGH, Urt. v. 24. Mai 1993 – II ZR 36/92, ZIP 1993, 1160, 1162).

Nach den von der Beklagten überreichten Unterlagen kann nicht ausgeschlossen werden, daß diese Voraussetzungen im vorliegenden Falle erfüllt sind. Der Jahresabschluß weist für das Geschäftsjahr 1997 lediglich einen Jahresüberschuß von ca. 18.000,– DM aus. Da der Stichtag des Einziehungsbeschlusses sehr nahe an dem Stichtag der Jahresbilanz liegt, spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, daß eine zum 29. Oktober 1997 erstellte Bilanz zu fortgeführten Buchwerten, auf die für die Feststellung einer Unterbilanz abzustellen ist (vgl. zuletzt, BGH, Urt. v. 30. September 1996 – II ZR 51/95, ZIP 1996, 1984), zu keinem wesentlich anderem Ergebnis führt.

Der wahre Wert des Geschäftsanteils ist dagegen unter Berücksichtigung der stillen Reserven und des Geschäftswertes des Unternehmens festzustellen (BGH, Urt. v. 30. März 1967 – II ZR 141/64, WM 1967, 479; BGHZ 116, 359, 370 f.). Da bei Ermittlung des angemessenen Abfindungsbetrages von diesem Wert auszugehen ist, ist die Behauptung des Klägers, seine Geschäftsanteile seien ca. 1,6 Mio. DM wert, als schlüssig anzusehen und für die Revisionsinstanz als richtig zu unterstellen.

Führen die Feststellungen des Berufungsgerichts zu einem entsprechenden Ergebnis, so wäre der Einziehungsbeschluß nichtig, weil bereits bei seiner Fassung festgestanden hätte, daß die Gesellschaft die sofort fällige Abfindung nicht aus ihrem ungebundenen Vermögen hätte aufbringen können. Das Berufungsgericht wird demnach der Frage nachzugehen haben, ob dem Kläger ein den Steuerkurswert übersteigender angemessener Abfindungswert zusteht und ob dessen Zahlung bezogen auf den Stichtag des Einziehungsbeschlusses zu einer Unterbilanz führt.

 

Schlagworte: Abfindung, Analoge Anwendung von §§ 241 242 und 249 AktG, anfänglich unwirksame Abfindungsklauseln, Anwendungsbereich des Auszahlungsverbots, Ausschluss, Beschlussfassung, Beschränkung der Abfindung, Dreijahresfrist nach § 242 Abs. 2 AktG, Einlagenrückgewähr, Eintragungspflichtiger Beschluss, Einziehung, Ergänzende Vertragsauslegung, Erhaltung des Stammkapitals, Fristen, Geschäftsanteil, Gesellschaftsvertrag, Grenzen des Stuttgarter Verfahrens, Grundsätzliche Gleichbehandlung, Grundsätzliche Zulässigkeit der Abfindungsbeschränkung, Heilung von Beurkundungsmängeln durch Eintragung ins Handelsregister, Heilung von Mängeln des Beschlusses nach § 241 Nr. 1 Nr. 3 und Nr. 4 AktG analog, Heilung von Nichtigkeitsgründen nach § 242 AktG analog, Herbeiführung bzw. Vertiefung einer Unterbilanz, Kapitalerhaltung, Kapitalerhaltung nach § 30 und § 31 GmbHG, Kapitalerhaltung und Einziehung nach § 34 GmbHG, Kapitalschutz und Gläubigerschutz, Maßgeblicher Zeitpunkt i. S. d. § 34 Abs. 3, nachträglich unangemessene Abfindungsklausel, Nichtigkeit aus Gründen des Gläubigerschutzes, Nichtigkeitsfeststellungsklage/Nichtigkeitsklage, Nichtigkeitsgründe, Pfändung Geschäftsanteil, Verbot der Gläubigerdiskriminierung, Verstoß gegen Kapitalaufbringung- und Kapitalerhaltung dienende Bestimmungen, Völliger Ausschluss der Abfindung, Wichtiger Grund