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BGH, Urteil vom 19. September 2012 – XII ZR 151/10

BGB §§ 745, 2038, 2039, 2040

a) Gemäß § 362 Abs. 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an die Erben fordern (§ 2039 Abs. 1 BGB). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn die Zahlungen auf ein Konto erfolgen, welches allein einem Miterben zusteht.

b) Jedoch kommt gemäß §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB eine Erfüllungswirkung auf Grund einer Einziehungsermächtigung in Betracht.

c) Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu (§ 2038 Abs. 1 BGB). Treffen die Erben keine gemeinsamen Bestimmungen, kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinsamen Gegenstandes entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung beschlossen werden (§ 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sind nur zwei Teilhaber vorhanden und die Anteile verschieden groß, so hat der eine von vornherein die Mehrheit; das Mehrheitsprinzip wird hierdurch nicht außer Kraft gesetzt (Staudinger/Langhein BGB [2008] § 745 Rn. 15 m. w. N.).

d) Zur Verwaltung einer gemeinschaftlichen Forderung kann deren Einziehung gehören (BGH, Beschluss vom 14. März 1983 – II ZR 102/82 – WM 1983, 604; MünchKommBGB/K. Schmidt 5. Aufl. § 744, 745 Rn. 5 m. w. N.). Die Einziehung kann einem Verwalter übertragen werden (BGH a. a. O.). Ebenso steht es den Gemeinschaftern frei, einen Teilhaber mit der Einziehung einer Nachlassforderung zu betrauen. Auch insoweit kann die Ermächtigung zur Einziehung der Forderung durch Stimmenmehrheit gemäß § 745 Abs. 1 BGB erteilt werden, sofern dies einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht.

e) § 2040 Abs. 1 BGB steht der Erfüllung nicht entgegen. Ob die Einziehung einer Forderung oder die Einziehungsermächtigung nach §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB zugleich eine Verfügung über einen Nachlassgegenstand im Sinne des § 2040 Abs. 1 BGB darstellt (vgl. Palandt/Weidlich BGB 71. Aufl. § 2040 Rn. 2, MünchKommBGB/Gergen 5. Aufl. § 2040 Rn. 9 jeweils m. w. N.), kann hierfür offenbleiben. Denn nach der Rechtsprechung des Senats schließt die Einordnung einer Maßnahme als Verfügung nach § 2040 Abs. 1 BGB nicht aus, dass es sich zugleich um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne von § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB handeln kann, die als solche von den Miterben mehrheitlich beschlossen werden kann. Auf dieser Grundlage hat der Senat eine von Miterben mehrheitlich beschlossene und ausgesprochene Kündigung eines Mietverhältnisses für wirksam erachtet (Senatsurteile BGHZ 183, 131 = FamRZ 2010, 119 Rn. 31 und vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 25/09 – FamRZ 2011, 95 Rn. 20; vgl. BGH Beschluss vom 26. April 2010 – II ZR 159/09 – NJW-RR 2010, 1312 Rn. 3 m. w. N.). Für die Einziehung einer Forderung aus einem Mietverhältnis über einen Nachlassgegenstand muss das gleiche gelten. Denn auch hierbei handelt es sich um eine Maßnahme im Rahmen der laufenden Verwaltung des Nachlasses, für die die erleichterten Voraussetzungen des § 2038 BGB vorrangig Anwendung finden. Sie bedarf daher nicht des gemeinschaftlichen Handelns der Miterben, sondern kann von den Miterben mit Mehrheit beschlossen werden. Die Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses steht allein unter der Voraussetzung, dass es sich bei der Einziehung oder der nach §§ 362 Abs. 2, 185 BGB erteilten Ermächtigung um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung handelt (vgl. Senatsurteil BGHZ 183, 131 = FamRZ 2010, 119 Rn. 32).

f) In einer Erbengemeinschaft bedarf es keiner förmlichen Beschlussfassung. Hat ein Miterbe die Stimmenmehrheit, kann er im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung ohne besondere Förmlichkeiten einen Mehrheitsbeschluss fassen. Die Wirksamkeit des Beschlusses hängt nicht davon ab, ob der Minderheit ausreichende Gelegenheit zur Mitwirkung gegeben worden ist (BGHZ 56, 47, 55 f.; Staudinger/Langhein BGB [2008] § 745 Rn. 19). Ob die Wirksamkeit des Beschlusses voraussetzt, dass den übrigen Teilhabern wenigstens ein sachlich angemessenes Gehör gewährt wurde (so entgegen der herrschenden Meinung MünchKommBGB/K. Schmidt 5. Aufl. §§ 744, 745 Rn. 19), braucht nicht entschieden zu werden.

g) Auf Erbengemeinschaften ist die vereinsrechtliche Vorschrift des § 34 BGB analog anzuwenden, wonach ein Mitglied nicht stimmberechtigt ist, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm betrifft (vgl. BGHZ 56, 47, 52 f. m. w. N.; Staudinger/Langhein BGB [2008] § 745 Rn. 21).

h) Ob eine Maßnahme den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist vom Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers zu bewerten (Senatsurteil BGHZ 183, 131 = FamRZ 2010, 119 Rn. 32 m. w. N.).

Schlagworte: Beschlussfassung, Erbengemeinschaft, Laufende Verwaltung, Mehrheitsgesellschafter, Mehrheitsklausel, ordnungsgemäße Verwaltung, Stimmrechtsausschluss