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BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – IX ZR 93/06

§ 17 Abs 2 InsO, § 133 Abs 1 S 2 InsO

1. Bei der Prüfung, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist, darf eine Forderung, die früher ernsthaft eingefordert war, nicht mehr berücksichtigt werden, wenn inzwischen ein Stillhalteabkommen – das keine Stundung im Rechtssinne enthalten muss – mit dem Gläubiger geschlossen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli 2007, IX ZB 36/07, WM 2007, 1796, 1798).

Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen; Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Die Zahlungseinstellung ist dasjenige äußerliche Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen und eingeforderten Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen (BGHZ 149, 178, 184 f; BGH, Urt. v. 25. Januar 2001 – IX ZR 6/00, WM 2001, 689, 690; v. 12. Oktober 2006 – IX ZR 228/03, WM 2006, 2312, 2313; v. 21. Juni 2007 – IX ZR 231/04, WM 2007, 1616, 1618). Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus (BGH, Urt. v. 13. April 2000 – IX ZR 144/99, WM 2000, 1207, 1208; v. 12. Oktober 2006 – IX ZR 228/03, aaO; v. 21. Juni 2007 – IX ZR 231/04, aaO). Eigene Erklärungen des Schuldners, eine fällige Verbindlichkeit nicht begleichen zu können, deuten auf eine Zahlungseinstellung hin. Daran ändert eine gleichzeitig geäußerte Stundungsbitte nichts; dies kann vielmehr gerade auf die Nachhaltigkeit der Liquiditätskrise hindeuten (BGH, Urt. v. 4. Oktober 2001 – IX ZR 81/99, WM 2001, 2181, 2182; v. 12. Oktober 2006 – IX ZR 228/03, aaO).

Bei der Prüfung, ob der Schuldner zahlungsunfähig ist, darf eine Forderung, die früher ernsthaft eingefordert war, nicht mehr berücksichtigt werden, wenn inzwischen ein Stillhalteabkommen – das keine Stundung im Rechtssinne enthalten muss – mit dem Gläubiger geschlossen wurde (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Juli 2007 – IX ZB 36/07, WM 2007, 1796, 1798). Hat der Gläubiger das Stillhalten an die Erbringung gewisser Leistungen, insbesondere Ratenzahlungen, geknüpft, kann der Schuldner allerdings von Neuem zahlungsunfähig werden, wenn er nicht in der Lage ist, diese Leistungen zu erbringen.

Umstände, aufgrund derer er hätte annehmen können, durch Abschluss der Stillhaltevereinbarung mit der Beklagten seine Zahlungen allgemein wieder aufgenommen zu haben, sind nicht ersichtlich. Die Stillhaltevereinbarung verhielt sich nicht über die Forderungen der anderen Gläubiger. Diese waren dem Schuldner bekannt, weil jene Gläubiger versucht hatten, die Ansprüche des Schuldners gegen die Beklagte zu pfänden. Weiter war dem Schuldner bekannt, dass die Beklagte ihr Stillhalten von der regelmäßigen und pünktlichen Zahlung der Raten abhängig gemacht hatte. Dass seine Zahlungen nicht regelmäßig und pünktlich erfolgten, wusste der Schuldner, und er wurde obendrein durch die ständigen Mahnungen der Beklagten daran erinnert. Dass der Schuldner damals über ein schlüssiges Sanierungskonzept verfügt habe, ist nicht vorgetragen.

2. Nimmt eine Bank Ratenzahlungen des Schuldners entgegen, die sie mit diesem in einem Stillhalteabkommen vereinbart hat, so ist zu vermuten, dass sie die Absicht des Schuldners kennt, die Gläubiger zu benachteiligen, wenn sie weiß, dass der Schuldner noch weitere Gläubiger hat, die erfolglos zu vollstrecken versucht haben, und die Raten auch nur unregelmäßig gezahlt werden.

Auf die Kreditkündigung und die Aufforderung, 590.000 DM bis zum 30. April 1997 zu zahlen, reagierte der Schuldner erst über zwei Monate später; er bat um Stundung. Daraus konnte und musste die Beklagte entnehmen, dass der Schuldner nicht in der Lage war, die Kredite innerhalb von drei Wochen nach dem 30. April 1997 zurückzuführen. Sie hat dies auch erkannt, weil sie sich durch Abschluss des Stillhalteabkommens auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eingerichtet hat.

Da die Beklagte von der einmal eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste, oblag es ihr, darzulegen und zu beweisen, warum sie später davon ausging, der Schuldner habe seine Zahlungen allgemein wieder aufgenommen (vgl. BGH, Urt. 8. Dezember 2005 – IX ZR 182/01, aaO S. 194). Derartige Umstände hat sie nicht dargetan. Die Beklagte wusste, dass der Schuldner noch weitere Gläubiger hatte; denn diese hatten versucht, die dem Schuldner aus dem Kontokorrent zustehenden Ansprüche zu pfänden. Dass der Schuldner jene Gläubiger bediente, konnte die Beklagte nicht annehmen, war der Schuldner doch – trotz des von der Beklagten beständig ausgeübten massiven Drucks – nicht einmal in der Lage, die ihr geschuldeten monatlichen Raten vollständig aufzubringen.

Schlagworte: Beseitigung der Zahlungseinstellung, Darlegungs- und Beweislast, Erklärung des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, GmbHG § 64 Satz 1, Indizien der Zahlungsunfähigkeit, Insolvenzreife, Nichtzahlung eines erheblichen Teils, Ratenzahlungsvereinbarung, Stillhalteabkommen, Zahlungen nach Insolvenzreife, Zahlungseinstellung, Zahlungsunfähigkeit