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BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 113/13

InsO § 15a; GmbHG § 64 a.F.; BGB § 823Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 823

a) Das Verbot der Insolvenzverschleppung dient nicht nur der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens, sondern hat auch den Zweck, Insolvenzreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden. Dieser Schutzzweck rechtfertigt es, den Neugläubigern einen Anspruch auf den Ersatz ihres Vertrauensschadens zuzubilligen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 194 ff.; Urteil vom 25. Juli 2005 II ZR 390/03, BGHZ 164, 50, 60; Urteil vom 15. März 2011 II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 20; Urteil vom 14. Mai 2012 II ZR 130/10, ZIP 2012, 1455 Rn. 12 f.; Urteil vom 22. Oktober 2013 II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 Rn. 7).

b) Der seine Insolvenzantragspflicht versäumende Geschäftsführer hat einem vertraglichen Neugläubiger den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass er mit der überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft noch in Rechtsbeziehungen getreten ist.

c) Der danach zu ersetzende Schaden besteht nicht in dem wegen der Insolvenz der Gesellschaft „entwerteten“ Erfüllungsanspruch des Gläubigers, der lediglich auf das deliktsrechtlich grundsätzlich nicht geschützte positive Interesse abzielt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2012 II ZR 130/10, ZIP 2012, 1455 Rn. 14 mwN). Der Schadensersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung ist vielmehr auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet (BGH, Urteil vom 8. März 1999 II ZR 159/98, ZIP 1999, 967; Urteil vom 6. Juni 1994 II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 194 ff.; Urteil vom 5. Februar 2007 II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 Rn. 13; Urteil vom 12. März 2007 II ZR 315/05, ZIP 2007, 1060 Rn. 23; Urteil vom 27. April 2009 II ZR 253/07; ZIP 2009, 1220 Rn. 15; Urteil vom 15. März 2011 II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 40; Urteil vom 14. Mai 2012 II ZR 130/10, ZIP 2012, 1455 Rn. 13, 15; Urteil vom 22. Oktober 2013 II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 Rn. 7). Ersatzfähig sind danach nur Schäden, die durch die Insolvenzreife der Gesellschaft verursacht worden sind (BGH, Urteil vom 14. Mai 2012 II ZR 130/10, ZIP 2012, 1455 Rn. 13).

d) Nach der Senatsrechtsprechung ist unter Berücksichtigung dieses Schutzzwecks der Insolvenzantragspflicht in aller Regel nur der Schaden ersatzfähig, der dadurch entsteht, dass der vertragliche Neugläubiger infolge des Vertragsschlusses mit der insolvenzreifen Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz dieser noch Geld- oder Sachmittel als Vorleistungen zur Verfügung stellt und dadurch Kredit gewährt, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen, oder er infolge des Vertragsschlusses Aufwendungen erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1999 II ZR 159/98, ZIP 1999, 967; Urteil vom 25. Juli 2005 II ZR 390/03, BGHZ 164, 50, 60; Urteil vom 5. Februar 2007 II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 Rn. 13; Urteil vom 12. März 2007 II ZR 315/05, ZIP 2007, 1060 Rn. 23; Urteil vom 27. April 2009 II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 15; Urteil vom 15. März 2011 II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 40; Urteil vom 14. Mai 2012 II ZR 130/10, ZIP 2012, 1455 Rn. 13; Urteil vom 22. Oktober 2013 II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 Rn. 7).

e) Es ist anerkannt, dass die reine Kausalitätsbetrachtung ihre Grenzen unter anderem am Schutzzweck der verletzten Norm oder Pflicht findet (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2005 II ZR 390/03, BGHZ 164, 50, 55 f. mwN). Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG aF bzw. § 15a Abs. 1 InsO nur für solche Schadensfolgen Ersatz verlangt werden, die innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm liegen. Es muss sich um Folgen handeln, die in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen wurde. Dies gilt auch dann, wenn der Schadenletztlich durch das vorsätzliche Fehlverhalten eines Dritten herbeigeführt wurde. Notwendig ist ein innerer Zusammenhang zwischen der Pflicht- oder Normverletzung und dem Schaden; es darf nicht nur eine mehr oder weniger zufällige äußere Verbindung gegeben sein.

f) Der Schutzzweck der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht besteht wie bereits ausgeführt darin, Insolvenzreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden. Auch das betrifft aber nur Schäden, die mit der Insolvenzreife der Gesellschaft in einem inneren Zusammenhang stehen (BGH, Urteil vom 25. Juli 2005 II ZR 390/03, BGHZ 164, 50, 60 f.; Urteil vom 14. Mai 2012 II ZR 130/10, ZIP 2012, 1445 Rn. 22; vgl. ferner BGH, Urteil vom 20. September 2011II ZR 277/09, ZIP 2011, 2145 Rn. 28 mwN).

g) Die Insolvenzantragspflicht soll Gläubiger aber nicht vor dem Schaden bewahren, nach Insolvenzreife noch Opfer der unerlaubten Handlung eines Dritten zu werden, der zudem in keiner Beziehung zur insolventen Gesellschaft steht. Eine bloße Kausalitätsbetrachtung würde auf eine Haftung für Zufallsschäden hinauslaufen. Auch der Umstand, dass dem Vertragspartner der Schuldnerin aufgrund der Insolvenzreife der Gesellschaft kein solventer Schuldner für ihren Schadensersatzanspruch zur Verfügung steht, führt zu keiner anderen Betrachtung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2005 II ZR 390/03, BGHZ 164, 50, 61 f.).

h) Wenn hingegen ein insolvenzreifes Bauunternehmen von ihm am Bauwerk verursachte Schäden aufgrund fehlender Mittel nicht mehr beseitigen kann, verwirklicht sich eine typischerweise mit dem Vertragsschluss zwischen Neugläubiger und unerkannt insolvenzreifer Gesellschaft einhergehende Gefahr (BGH, Urteil vom 14. Mai 2012 II ZR 130/10, ZIP 2012, 1455 Rn. 24).

i) Der Schutzbereich des § 64 Abs. 1 GmbH aF (§ 15a Abs. 1 InsO) umfasst den Ersatz solcher Kosten, die dem Neugläubiger wegen der Verfolgung seiner Zahlungsansprüche gegen die Insolvenzreife Gesellschaft entstanden sind (BGH, Urteil vom 27. April 2009 II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 18 f.). Die Insolvenzantragspflicht soll den Vertragspartner einer GmbH davor schützen, dass er sich durch die Prozessführung mit der unerkannt insolvenzreifen Gesellschaft mit Kosten belastet, die er bei der Gesellschaft als Kostenschuldnerin nicht mehr realisieren kann (BGH, Urteil vom 14. Mai 2012 II ZR 130/10, ZIP 2012, 1455 Rn. 26).

j) Eine Verurteilung des Geschäftsführers kann nur Zug um Zug gegen Abtretung der entsprechenden Insolvenzforderung der Gläubigerin gegen die Schuldnerin erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2007 II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 Rn. 20; Urteil vom 27. April 2009 II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 21).

Schlagworte: Antragsfrist, Erstattung, Haftung Geschäftsführer, Insolvenz, Insolvenzverfahrensverschleppung, Insolvenzverschleppung, Neugläubiger, Neugläubigerschaden, Verletzung der Insolvenzantragspflicht, Zug-um-Zug-Verurteilung