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BGH, Urteil vom 23. Oktober 1995 – II ZR 130/94

Abberufung Koppelung

§ 626 BGB, § 38 GmbHG

Ist ein GmbH-Geschäftsführer aus wichtigem Grund (hier: Zerstörung des Vertrauensverhältnisses) seines Amtes enthoben worden, so rechtfertigt dieser Grund nicht auch ohne weiteres eine Fristlose KündigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Fristlose Kündigung
Kündigung
eines mit dem Geschäftsführer geschlossenen Beratervertrages. Es ist nicht zwingend, daß ein Zerwürfnis, das zur Amtsenthebung geführt hat, auch die Fortdauer einer Beratungstätigkeit des Abberufenen unzumutbar macht.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 11. Mai 1994 im Kostenpunkt und, soweit es den Gesellschafterbeschluß über die Kündigung des „Beratungsvertrages“ betrifft, aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist Gesellschafter der Beklagten. Er hält ebenso wie der Mitgesellschafter B. einen Geschäftsanteil von 40 %; einen weiteren Geschäftsanteil von 20 % hält der Mitgesellschafter O. Der Kläger und B. waren als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt. Neben einem „Arbeitsvertrag“, demzufolge der Kläger für seine Tätigkeit als Geschäftsführer keine Vergütung erhalten sollte, hatte er mit der Beklagten einen „Beratungsvertrag“ abgeschlossen. Dieser sieht ein Honorar in Form einer Erfolgsbeteiligung vor und ist mit einer Frist von zwei Monaten kündbar.

In einer Gesellschafterversammlung am 31. Juli 1992 beschlossen die beiden Mitgesellschafter, den Kläger aus wichtigem Grund als Geschäftsführer abzuberufen und den Arbeitsvertrag sowie den Beratungsvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen.

Der Kläger begehrt die Aufhebung der Beschlüsse über seine Abberufung als Geschäftsführer und die Kündigung des Beratungsvertrages. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Der Senat hat die Revision des Klägers nur insoweit angenommen, als er den Beschluß über die Kündigung des des Beratungsvertrages anficht.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt im Umfang ihrer Annahme zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat die außerordentliche Kündigung des „Beratungsvertrages“ für gerechtfertigt gehalten, weil dieselben Gründe, auf die die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer gestützt wurde, auch hier maßgebend seien. Angesichts dieser Umstände sei es der Beklagten nicht mehr zumutbar, den Kläger als Geschäftsführer weiter zu beschäftigen und zu bezahlen, denn ihr Vertrauen in diesen sei durch sein eigenes, vorwerfbares Verhalten, durch das er eine kontinuierliche und verantwortbare Geschäftsführung erheblich beeinträchtigt habe, nachhaltig erschüttert. Den wichtigen Grund für die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer hat das Berufungsgericht in einem tiefgreifenden, vom Kläger mitverursachten Zerwürfnis zwischen den Geschäftsführern gesehen.

2. Diese Begründung trägt die außerordentliche Kündigung auch dann nicht, wenn der „Beratungsvertrag“, wie das Berufungsgericht – von der Revision bekämpft – festgestellt hat, als Bestandteil des Anstellungsvertrages anzusehen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung ist der Bestand des Anstellungsvertrages grundsätzlich unabhängig von der Fortdauer der Organstellung (Sen.Beschl. v. 28. Mai 1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123 = GmbHR 1990, 345 m.w.N.). Seine außerordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, d.h. eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu einem ordentlichen Ablauf unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden nicht zugemutet werden kann (Sen.Urt. v. 9. November 1992 – II ZR 234/91, ZIP 1993, 32, 33, u. v. 18. Juni 1984 – II ZR 221/83, WM 1984, 1120, 1121; Scholz/ U.H. Schneider, GmbHG 8. Aufl., § 35 Rdn. 231).

Dem Berufungsurteil kann nicht entnommen werden, ob eine solche umfassende Abwägung stattgefunden hat. Die pauschale Bezugnahme auf die für die Abberufung maßgeblichen Gründe spricht dagegen. Diese Gründe hat das Berufungsgericht darin gesehen, daß zwischen dem Kläger und dem Mitgeschäftsführer eine tiefgreifende Zerstrittenheit bestand und daß der Kläger zu dieser Situation beigetragen hatte. Ein solches Zerwürfnis mag einer weiteren Tätigkeit als Organ der Beklagten entgegenstehen; daß es auch die Fortdauer seiner Beratungstätigkeit unzumutbar macht, ist nicht zwingend und bedarf besonderer Begründung sowie eingehender Abwägung der beteiligten Interessen. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, ist für die Zumutbarkeitsprüfung auch von erheblicher Bedeutung, ob eine alsbaldige ordentliche Beendigung des Vertragsverhältnisses möglich wäre; in diesem Fall sind an die außerordentliche Kündigung besonders strenge Anforderungen zu stellen (Urt. v. 24. November 1975 – II ZR 104/73, WM 1976, 77, 79 m.w.N.). Im vorliegenden Fall muß daher berücksichtigt werden, daß der „Beratungsvertrag“ mit einer Frist von zwei Monaten ordentlich kündbar ist.

In die Gesamtabwägung wird ferner auch der von der Revision als übergangen gerügte Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 1. März 1994 einzubeziehen sein, wonach er noch nach dem Abberufungsbeschluß gemeinsam mit den Mitgesellschaftern Verhandlungen zur Errichtung einer weiteren Betriebsstätte in Br. geführt habe.

3. Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage, ob es der Beklagten zumutbar war, den Kläger ungeachtet seiner Abberufung als Geschäftsführer in seiner Funktion als Berater weiterzubeschäftigen, nicht in der gebotenen Weise befaßt.

Ihm ist daher zur Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit zu geben, hierzu, ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien, die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Erst wenn feststeht, woraus sich die Unzumutbarkeit ergibt, kann auch entschieden werden, ob die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten ist.

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