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BGH, Urteil vom 24. Februar 2003 – II ZR 243/02

Zwangseinziehung Geschäftsanteil

§ 34 GmbHG

Die Erhebung einer Strafanzeige gegen einen Mitgesellschafter ist kein die zwangsweise Einziehung seines Geschäftsanteils rechtfertigender Grund, wenn er vergeblich versucht hat, die Probleme innergesellschaftlich zu klären, den Sachverhalt sorgfältig geprüft und weder leichtfertig noch wider besseres Wissen gehandelt hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 27. Juni 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin hält 51 % des Stammkapitals von 50.000,00 DM der Beklagten. Weitere Gesellschafter sind der Mitgeschäftsführer der Beklagten, B. F., mit einem Geschäftsanteil von 12.200,00 DM (24,4 %), sein Bruder A. F. mit einem Geschäftsanteil von 7.300,00 DM (14,6 %) sowie dessen Töchter J. und S. mit Geschäftsanteilen von je 2500,00 DM (je 5 %). Die Beklagte ist die Komplementärin der Al. F. GmbH & Co. in D.. Diese Gesellschaft hatte der Vater der Brüder F. als Kommanditgesellschaft gegründet; nach seinem Tod ist sie seit 1978 in der jetzigen Rechtsform zunächst von seinen beiden Söhnen gemeinsam geleitet worden. Inzwischen ist Herr A. F. aus der Geschäftsführung ausgeschieden, blieb der Gesellschaft aber durch einen Beratervertrag verbunden.

Die Kommanditgesellschaft befand sich im Jahr 1996 in finanziellen Schwierigkeiten, die zu einer Umstrukturierung führten, in deren Verlauf die Klägerin Mitglied der Kommanditgesellschaft und ebenso deren Komplementärin wurde. Die unter dem 24. Dezember 1996 neugefaßte Satzung bestimmt in § 8 u.a., daß ein Geschäftsanteil eines Gesellschafters durch einstimmigen Beschluß zwangsweise eingezogen werden kann, „wenn in der Person des betreffenden Gesellschafters ein wichtiger Grund vorliegt“. Als wichtiger Grund sollen insbesondere Umstände gelten, welche bei einer offenen Handelsgesellschaft zur Ausschließung (§§ 140, 133 HGB) ausreichen würden.

Zwischen den Brüdern B. und A. F. bestehen seit mehreren Jahren – auch gerichtlich ausgetragene – Streitigkeiten, die auch damit zusammenhängen, daß A. F. seinem Bruder und dessen Sohn F. zum Vorwurf macht, sich zu Lasten der Kommanditgesellschaft Vorteile verschafft zu haben. Nachdem A. F. mit seinem Versuch gescheitert war, B. F. aus dem Geschäftsführeramt abberufen und gegen ihn Schadenersatzansprüche geltend machen zu lassen, hat er durch seinen Anwalt im August und September 1999 Strafanzeigen gegen seinen Bruder und seinen Neffen und gegen den Geschäftsführer der Klägerin, L., bei den Staatsanwaltschaften Aa. und Lu. erstattet. Im Zuge der daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren sind von dem Ermittlungsrichter in Aa. zahlreiche Durchsuchungsbeschlüsse erlassen worden. Die Ermittlungen – auch in Lu. – sind nicht abgeschlossen.

Gestützt im wesentlichen auf diesen Vorgang haben die Klägerin und Herr B. F. seit dem Jahre 2000 versucht, den Gesellschafter A. F. aus der Kommanditgesellschaft auszuschließen und seinen Geschäftsanteil an der Beklagten aus wichtigem Grund einzuziehen. Die entsprechenden Beschlüsse vom 2. Mai 2000 (KG) und vom 12. April 2000 (Komplementär-GmbH) sind vom Landgericht Aa. für nichtig erklärt, die hiergegen eingelegten Berufungen sind – nach Nichtannahmeentscheidungen des Senats vom 24. Februar 2003 (II ZR 320/01 und II ZR 321/01) rechtskräftig – zurückgewiesen worden.

In der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 19. Juli 2001 ist vorsorglich – für den Fall, daß der erste Versuch, A. F. aus der GmbH (entsprechendes gilt für den Ausschluß aus der Kommanditgesellschaft) zu entfernen, gescheitert sein sollte – erneut über die zwangsweise Einziehung von dessen Geschäftsanteil abgestimmt worden. Der Beschlußvorschlag fand nicht die nach § 8 der Satzung erforderliche Zustimmung aller von der Zwangseinziehung nicht selbst betroffenen Gesellschafter, weil die Töchter J. und S. von A. F. gegen den Antrag stimmten. Hierin erblickt die Klägerin einen Stimmrechtsmißbrauch dieser beiden Gesellschafterinnen und hat deswegen Anfechtungs- und positive Beschlußfeststellungsklage gegen die Beklagte erhoben und zugleich den Gesellschafterinnen J. und S. F. den Streit verkündet. Diese sind dem Rechtsstreit auf seiten der Beklagten beigetreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und hat in dem den Ausschluß aus der Kommanditgesellschaft betreffenden Verfahren (AZ des Senats: II ZR 244/02) ebenfalls gegen die ausschließungswilligen Gesellschafter erkannt. Das Oberlandesgericht hat beide Entscheidungen bestätigt. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision, deren rechtsgrundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 543 Abs. 2 ZPO weder ersichtlich noch von dem Berufungsgericht dargelegt ist, ist nicht begründet. Die Streithelferinnen haben von ihrem Stimmrecht nicht in treupflichtwidriger Weise Gebrauch gemacht, als sie gegen den Zwangseinziehungsantrag gestimmt haben.

Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht im übrigen in rechtlich einwandfreier Weise das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.v. § 8 Abs. 2 der Satzung der Beklagten verneint und folgerichtig ausgesprochen, daß schon aus diesem Grund die Streithelferinnen nicht verpflichtet waren, für den Einziehungsantrag zu stimmen.

1. Es ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urt. v. 12. Dezember 1994 – II ZR 206/93, WM 1995, 250; Urt. v. 20. Februar 1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560; Urt. v. 25. November 1996 – II ZR 118/95, WM 1997, 68) in erster Linie Aufgabe des Tatrichters zu entscheiden, ob bestimmte Umstände als „wichtiger Grund“ zu werten sind. Die revisionsgerichtliche Kontrolle erstreckt sich allein darauf, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes richtig erfaßt, ob es aufgrund vollständiger Sachverhaltsermittlung geurteilt und ob es in seine Wertung sämtliche Umstände des konkreten Falls einbezogen hat.

2. Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht mit Recht entschieden, daß weder die einzelnen Umstände, aus denen die Klägerin die Befugnis herleitet, den Mitgesellschafter A. F. zwangsweise aus der Gesellschaft zu entfernen, für sich betrachtet einen wichtigen Grund abgeben, noch daß die gebotene Gesamtabwägung diese Bewertung rechtfertigt.

a) Die gegen einen anderen Gesellschafter oder gegen das Organmitglied einer Mitgesellschafterin gerichtete Strafanzeige ist nicht in jedem Fall als ein Verhalten anzusehen, das das Verbleiben des Anzeigeerstatters in der Gesellschaft unzumutbar macht. Jedenfalls dann, wenn eine solche Anzeige nicht leichtfertig oder gar wider besseres Wissen erhoben wird, sondern der sich an die Strafverfolgungsbehörden wendende Gesellschafter nach gewissenhafter Prüfung der Auffassung sein kann, es lägen strafbare Verhaltensweisen vor, ist es ihm nicht verwehrt, sich an die Ermittlungsbehörden zu wenden. Das gilt erst recht dann, wenn seine Versuche, die Fragen innergesellschaftlich zu klären, am Widerstand der anderen Seite gescheitert sind. Von diesen Grundsätzen hat sich das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung leiten lassen und hat vor allem dem Umstand Bedeutung beigemessen, daß die Strafverfolgungsbehörden auf die Anzeige hin umfangreiche Ermittlungen – auch in der Form von richterlich angeordneten Durchsuchungen – angestellt und dabei über weite Strecken den von dem Anzeigeerstatter erhobenen Vorwurf bestätigt gefunden haben, daß der Mitgesellschafter B. F. im Zusammenwirken mit seinem Sohn F. und dem Geschäftsführer der Klägerin umfangreiche Geschäfte vorgenommen hat, die zu Lasten der Al. F. GmbH & Co. gegangen sind, letztlich aber dem eigenen Vorteil gedient haben.

b) Sollte A. F. sich gegenüber einem Mitglied des ehemaligen Beirats und gegenüber dem Steuerberater der Gesellschaft in der ihm von der Klägerin zugeschriebenen Weise geäußert haben, müßte dies jedenfalls in den Gesamtzusammenhang der Auseinandersetzung der Brüder gestellt werden. Dem trägt die Würdigung des Berufungsgerichts, die die Revision durch die eigene Wertung der Klägerin ersetzen will, Rechnung. Aus revisionsrechtlicher Sicht ist es nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht die Vorgänge um die Reparatur des Laptop und der Klimaanlage als weniger gewichtig und jedenfalls nicht für eine Zwangseinziehung ausreichend erachtet hat.

c) Da bei der gebotenen Gesamtabwägung auch nicht allein auf die Zerstrittenheit der Gesellschafter F. abgestellt werden darf, sondern zu berücksichtigen ist, daß die Gründe für das die Gesellschaft belastende – äußerstenfalls durch Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Auflösung der Gesellschaft
Gesellschaft
auszuräumende (vgl. Urt. v. 20. September 1999 – II ZR 345/97, NJW 1999, 3779 m.w.N.) – Zerwürfnis nicht einseitig (vgl. Urt. v. 10. Juni 1991 – II ZR 234/89, NJW-RR 1991, 1249; Urt. v. 3. November 1997 – II ZR 353/96, NJW 1998, 1225; Urt. v. 20. September 1999 aaO) A. F. anzulasten sind, sondern auch auf der Seite der die Zwangseinziehung betreibenden Gesellschaftergruppe Gründe für die Uneinigkeit gesetzt worden sind, rügt die Revision zu Unrecht die abschließende Gesamtwürdigung des Berufungsgerichts.

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