Einträge nach Montat filtern

BGH, Urteil vom 26. Februar 1996 – II ZR 77/95

GenG § 51; AktG § 241Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 241

a) Die Verletzung des rechtlichen Gehörs bei der Beschlussfassung der Generalversammlung einer Genossenschaft über die Ausschließung eines Mitgliedes fällt nicht unter die Nichtigkeitsgründe des § 241 AktG.

b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör leitet sich im Wesentlichen aus der genossenschaftlichen Treuepflicht her. Die Einhaltung der Treuepflicht gehört nicht zu den tragenden Strukturprinzipien des Genossenschaftsrechts. Ihre Verletzung durch einen Beschluss der Generalversammlung ist einer Verletzung der Satzung gleichzustellen und führt zur Anfechtbarkeit.

Ein unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommener Beschluß der Generalversammlung über die Ausschließung eines Mitgliedes fällt nicht unter die Nichtigkeitsgründe nach § 241 AktG. Insbesondere liegt kein Beschluß vor, der in entsprechender Anwendung des § 241 Nr. 3 AktG mit dem Wesen der auf gemeinschaftliche Selbsthilfe und -verwaltung angelegten Genossenschaft unvereinbar wäre (vgl. BGH, Urt. v. 22. März 1982 – II ZR 219/81, WM 1982, 582). Der Anspruch auf rechtliches Gehör leitet sich im wesentlichen aus der genossenschaftlichen Treuepflicht (BGH, Urt. v. 22. September 1960 – II ZR 59/60, NJW 1960, 2143, 2144; Meulenbergh/Beuthien aaO, § 18 Rdn. 26 u. 37) her. Die Einhaltung der Treuepflicht gehört nicht zu den tragenden Strukturprinzipien des Aktien- und GmbH-Rechts und damit auch nicht des Genossenschaftsrechts. Die Verletzung der TreuepflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Treuepflicht
Verletzung der Treuepflicht
führt im Aktien- und GmbH-Recht nur zur Anfechtbarkeit des Gesellschafterbeschlusses (vgl. BGHZ 103, 184, 193 ff. für das Aktienrecht; BGHZ 76, 352, 355 ff. für das GmbH-Recht).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 16. Februar 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Auszahlung seines Anteils an den sogenannten unteilbaren genossenschaftlichen Fonds gemäß § 5 Abs. 2 der Verordnung über die Gründung, Tätigkeit und Umwandlung von Produktionsgenossenschaften des Handwerks vom 8. März 1990 (GBl. DDR I, 164; nachfolgend PGH-VO) in Höhe von 26.645,66 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Januar 1994. Die Beklagte ist durch vollzogene Umwandlung Rechtsnachfolgerin der PGH S. (im folgenden: PGH), einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks der ehemaligen DDR. Der Kläger war seit 10. Mai 1975 Mitglied dieser PGH. Mit Schreiben vom 17. Juli 1991 bat der Kläger um Aufhebung seines „Arbeitsrechtsverhältnisses“ zum 19. Juli 1991 mit der PGH und war seit diesem Tage auch nicht mehr in der PGH tätig. Mit Schreiben vom 7. November 1991 wurde der Kläger zur Mitgliederversammlung am 26. November 1991 eingeladen. Die beigefügte Tagesordnung enthielt unter Top 1 den Tagesordnungspunkt „Ausschluß von Mitgliedern“. Mit Schreiben vom 27. November 1991 teilte ihm die PGH mit, daß er aufgrund seiner Kündigung des Arbeitsverhältnisses in der Mitgliederversammlung vom 26. November 1991 laut Mitgliederbeschluß Nr. 8-5/1991 als Mitglied der PGH ausgeschlossen worden sei.

Am 11. August 1992 beschlossen die Mitglieder der PGH deren Umwandlung in die S. B. e.G. Bo.. Zum 14. August 1992 wurde eine AbschlußBilanz erstellt. In der Bilanz wurden die unteilbaren Fonds mit 906.314,87 DM und die Gesamtbruttolohnsumme der PGH mit 7.803.364,– DM angegeben. In der Zeit seiner Tätigkeit hatte der Kläger einen Gesamtbruttoverdienst von 229.562,14 DM erzielt. Der Kläger beruft sich darauf, daß ihm der geltend gemachte Anspruch unabhängig davon zustehe, ob er bereits vor der Umwandlung der PGH in eine eingetragene Genossenschaft ausgeschieden sei. Die Beklagte macht geltend, daß der Kläger bereits mit der von ihm ausgesprochenen Kündigung, jedenfalls aber mit der Ausschließung aus der PGH ausgeschieden sei und ihm somit kein Anspruch auf Beteiligung an den unteilbaren genossenschaftlichen Fonds zustehe.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner (zugelassenen) Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Dieses hat ausgeführt, dem Kläger stünden Ansprüche aus § 5 Abs. 2 PGH-VO nicht zu. Wortlaut und Sinn der Vorschrift sprächen eindeutig dafür, daß die dort geregelten Ansprüche nur denen zukämen, die bei der Umwandlung der PGH noch Mitglieder gewesen seien. Die Umwandlung der PGH sei am 11. August 1992 wirksam beschlossen worden. Der Kläger sei bereits vor diesem Zeitpunkt, nämlich mit Beschluß der Mitgliederversammlung vom 26. November 1991, als Mitglied der PGH ausgeschlossen worden. Dieser Beschluß, der sich hauptsächlich auf die vom Kläger zum 19. Juli 1991 erklärte Kündigung seines Arbeitsrechtsverhältnisses stütze, sei wirksam. Ob allerdings die materiellen Voraussetzungen für einen Ausschluß erfüllt waren und ob die Beklagte den formellen Anforderungen eines „Ausschlußverfahrens“ gemäß § 12 Abs. 6 des Statuts entsprochen habe, könne dahingestellt bleiben. Unstreitig sei der Kläger mit Schreiben vom 7. November 1991 unter Übersendung der Tagesordnung zur Mitgliederversammlung am 26. November 1991 eingeladen worden. Die Einladung habe zwar nicht den Hinweis darauf enthalten, daß es namentlich auch um den Ausschluß des Klägers als Mitglied gehen sollte, sondern die beigefügte Tagesordnung habe unter Top 1 lediglich allgemein auf „Ausschluß von Mitgliedern“ verwiesen. Dieser etwaige Formmangel sei jedoch nicht so gravierend, daß er zur Nichtigkeit des Beschlusses führe. Im übrigen hätte es dem Kläger freigestanden, nachdem er die Einladung erhalten habe, bei der Beklagten nachzufragen, ob es auch um seinen Ausschluß gehen sollte. Der Beschluß sei insbesondere aufgrund des vorangegangenen Verhaltens des Klägers nicht willkürlich gefaßt und könne deshalb nicht als so offensichtlich fehlerhaft angesehen werden, daß er nichtig sei. Der Beschluß sei rechtswirksam und hätte den Kläger lediglich gemäß § 3 PGH-VO i.V.m. § 51 Abs. 1 GenG binnen eines Monats nach Zugang zur Anfechtung berechtigt. Eine Anfechtung des Beschlusses durch den Kläger sei innerhalb dieser Frist nicht erfolgt.

Diese Auffassung des Berufungsgerichts hält angesichts der besonderen Umstände bei der Umwandlung der Rechtsordnung der ehemaligen DDR rechtlicher Überprüfung nicht stand.

II. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Anspruch aus § 5 Abs. 2 PGH-VO auf Auszahlung des Anteils an den unteilbaren genossenschaftlichen Fonds nur denjenigen Personen zusteht, die bis zum Zeitpunkt der Umwandlung noch Mitglieder der PGH waren, nicht jedoch den vor diesem Zeitpunkt ausgeschiedenen Mitgliedern (so auch OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, NJ 1994, 579; OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Naumburg
, DZWiR 1994, 201, 202 mit Anm. Schara). Die gegenteilige Auffassung, wonach § 5 Abs. 2 PGH-VO eine Sonderregelung sei, die die Bestimmungen in § 12 PHG-Musterstatut und § 73 GenG i.V.m. §§ 3 und 10 PGH-VO verdränge und vorrangig anzuwenden sei (so etwa LG Berlin, Urt. v. 2. September 1993 – 14 O 589/92, mitgeteilt von Sachs Anm. zu OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, NJ 1993, 562 m. zust. Anm.; Beuthien/Becker, ZIP 1992, 83, 87), widerspricht sowohl dem Wortlaut als auch der Regelungstechnik der Vorschrift. Während in Abs. 1 die Einbringung der persönlichen Anteile und der Anteile an den unteilbaren genossenschaftlichen Fonds in die neue (durch die Umwandlung entstehende) Gesellschaftsform bei Eintritt der PGH-Mitglieder in diese geregelt ist, schreibt Abs. 2 die Auszahlung bei Nichteintritt vor und verweist insoweit auf die nach § 4 Abs. 4 PGH-VO im Fall der Umwandlung zu erstellende AbschlußBilanz. § 5 PGH-VO stellt sich somit als besondere Umwandlungsvorschrift dar, wie auch die systematische Stellung im Abschnitt „Umwandlung“ der PGH-VO zeigt. Dafür sprechen auch die Gesetzesmaterialien. Aufgrund der vom Zentralverband des Deutschen Handwerks und der genossenschaftlichen Großhandels- und Dienstleistungsunternehmen erhobenen Einwände in der Stellungnahme vom 1. März 1991 (Anlage zum stenographischen Protokoll der fünften Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 5. März 1991, S. 90) hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, in der Begründung zum Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22. März 1991 (BGBl. I, 766; im folgenden: Hemmnisbeseitigungsgesetz) die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 S. 2 PGH-VO auch auf diejenigen Mitglieder, die nach dem 18. März 1990, aber vor dem Umwandlungsbeschluß ausgeschieden sind, festzuschreiben (vgl. BT-Drucks. 12/103 u. 12/204). Deshalb bleibt auch für die analoge Anwendung der andersartigen gesetzlichen Regelung für die landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft in § 51 a Abs. 1 des am 3. Juli 1991 neugefaßten Landwirtschaftsanpassungsgesetzes vom 26. September 1990 (BGBl. I, 1418) kein Raum.

2. Die Entscheidung hängt somit allein davon ab, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Umwandlung noch Mitglied der PGH war, oder vorher wirksam ausgeschlossen worden ist.

a) Der Kläger ist jedenfalls nicht durch eine von ihm selbst ausgesprochene Kündigung seines Arbeitsverhältnisses aus der PGH ausgeschieden. Die im Schreiben vom 17. Juli 1991 ausgesprochene Bitte des Klägers um Aufhebung seines Arbeitsrechtsverhältnisses zum 19. Juli 1991 enthielt nicht gleichzeitig den Antrag, die Mitgliedschaft zu beenden.

Zum Zeitpunkt der Geltung des DDR-Rechts – jedenfalls vor Erlaß der PGH-VO im März 1990 – waren die Rechtsbeziehungen zwischen der PGH und dem Mitglied ausschließlich auf der Grundlage des Mitgliedschaftsverhältnisses und nicht etwa eines danebenstehenden gesonderten Arbeitsverhältnisses (im Sinne eines arbeitsvertraglichen Verhältnisses) ausgestaltet (vgl. LAG Berlin, BB 1992, 496; Gerlach/Hoppe, NJ 1991, 400, 401; Reichold Anm. zu OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, ZfG 1995, 146, 148 m.w.N.). Den Abschluß eines gesonderten Arbeitsvertrages zwischen PGH und Mitglied sah demgemäß das durch Verordnung des Ministerrats der DDR vom 21. Februar 1973 für alle PGH verbindlich erklärte Musterstatut der Produktionsgenossenschaften des Handwerks (GBl. DDR I, 121; im folgenden: Musterstatut) nicht vor und traf auch keine Aussage über die Kündigung des Arbeits(rechts)verhältnisses, sondern nur eine solche über den Austritt aus der PGH, welcher eo ipso zu einer Einstellung der Tätigkeit für die PGH führte (vgl. Schara aaO, 203; wohl auch Gerlach/Hoppe, NJ 1991, 400, 401).

Demgegenüber unterfiel zum Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung am 17. Juli 1991 die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten der PGH-VO vom 8. März 1990 in der durch Art. 8 Ziff. 4 des Hemmnisbeseitigungsgesetzes vom 22. März 1991 (BGBl. I, 766, 787) geänderten Fassung. Durch § 10 Abs. 2 PGH-VO wurde die dem Musterstatut zugrundeliegende Verordnung vom 21. Februar 1973 außer Kraft gesetzt. Gemäß § 9 a Abs. 2 PGH-VO richtet sich bei Produktionsgenossenschaften des Handwerks, die – wie hier – vor Inkrafttreten der PGH-VO gegründet worden sind, das Rechtsverhältnis der PGH und ihrer Mitglieder mit Ausnahme des Arbeitsrechtsverhältnisses nach ihrem bei Inkrafttreten dieser Verordnung geltenden Statut und seinen Änderungen. Mit dieser Regelung sollte klargestellt werden, daß sich die Weitergeltung des Statuts der Produktionsgenossenschaften nur auf das Mitgliedschaftsverhältnis und nicht auf das nach dem Statut hiermit verknüpfte Arbeitsrechtsverhältnis erstreckt (BT-Drucks. 12/449, S. 20). Damit erkennt die PGH-VO im Gegensatz zur früheren Rechtslage in der DDR ein gesondertes – neben dem Mitgliedschaftsverhältnis stehendes – Arbeitsverhältnis an, so daß eine untrennbare Verbundenheit zwischen Kündigung des Arbeitsverhältnisses und Kündigung der Mitgliedschaft nicht besteht.

b) Es kommt somit entscheidend darauf an, ob der Kläger durch den Beschluß der Mitgliederversammlung vom 26. November 1991 aus der PGH ausgeschlossen worden ist.

Die Auslegung der § 3 PGH-VO i.V.m. § 51 Abs. 1 GenG durch das Berufungsgericht, nach der der Kläger deshalb aus der PGH ausgeschlossen sei, weil er den Beschluß vom 26. November 1991 nicht binnen eines Monats nach Zugang angefochten habe, wird der hier vorliegenden Fallgestaltung nicht gerecht.

aa) Dem Kläger ist vor der Beschlußfassung über seine Ausschließung das rechtliche Gehör nicht ausreichend gewährt worden. Das mit dem Musterstatut der Produktionsgenossenschaften des Handwerks identische Statut der Rechtsvorgängerin der Beklagten schreibt in § 9 Abs. 6 S. 2 die Anhörung des auszuschließenden Mitglieds vor. Das entspricht der einhelligen Meinung zum Recht der eingetragenen Genossenschaft, wonach die Mitglieder einer Genossenschaft im genossenschaftsinternen Ausschließungsverfahren auch ohne dahingehende Satzungsbestimmung Anspruch auf rechtliches Gehör haben (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juli 1960 – II ZR 168/58, NJW 1960, 1861 m.w.N.; RG, DR 1940, 2013). Begründet wird dies mit den einschneidenden Wirkungen der Maßnahme für den betroffenen Genossen, den einander widersprechenden Interessen der einzelnen Genossen in wirtschaftlichen Fragen (RGZ 171, 205, 206) und insbesondere mit der genossenschaftlichen Treuepflicht. Die genossenschaftliche Treuepflicht besteht nicht nur auf seiten der Genossen gegenüber der Genossenschaft, sondern obliegt auch der Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juli 1960 – II ZR 168/58, NJW 1960, 1861 m.w.N.; Menzel, Der Ausschluß aus der eingetragenen Genossenschaft, 1977, S. 22 ff.). Die Pflicht zur Anhörung ist nicht zuletzt ein Gebot der Gerechtigkeit (so BGH, Urt. v. 26. Februar 1959 – II ZR 137/57, NJW 1959, 982, zum eingetragenen Verein).

Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Kläger mit Schreiben vom 7. November 1991 unter Übersendung der Tagesordnung zur Mitgliederversammlung am 26. November 1991 eingeladen worden ist. Die Einladung hat keinen Hinweis darauf enthalten, daß es auch um den Ausschluß des Klägers selbst gehen sollte, sondern die beigefügte Tagesordnung enthielt als Top 1 lediglich die Ankündigung „Ausschluß von Mitgliedern“. Diese Form der Einladung erfüllt nicht die zu stellenden Anforderungen an die Gewährung des rechtlichen Gehörs im Falle eines Ausschlusses eines Genossen (vgl. auch BGH, Urt. v. 20. Februar 1995 – II ZR 46/94, NJW-RR 1995, 667 f. zur Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen). Weder konnte der Kläger daraus ersehen, daß er selbst ausgeschlossen werden sollte, noch sind ihm vorher Gründe bekannt gemacht worden, die zu seinem Ausschluß führen sollten. Das dem Senat in der mündlichen Verhandlung durch die Revisionsbeklagte übergebene Schreiben der PGH vom 7. November 1991, das lediglich ohne nähere Hinweise eine Ladung zu einer „Anhörung des Klägers zu der noch bestehenden Mitgliedschaft“ bis zum 15. November 1991 ausspricht, und die Ablehnung einer solchen Anhörung im Schreiben des Klägers vom 14. November 1991 geben keinen Anlaß, die Frage der Gewährung rechtlichen Gehörs anders zu beurteilen.

bb) Dem Berufungsgericht ist darin ebenfalls nicht zuzustimmen, daß der Ausschluß des Klägers schon deshalb wirksam sei, weil er den Ausschließungsbeschluss nicht binnen eines Monats nach Zugang angefochten hat. Zu Recht hat allerdings das Berufungsgericht die Anwendung des § 9 Abs. 7 S. 1 Musterstatut verneint, wonach der Betroffene, will er sich gegen den Ausschluß wenden, beim übergeordneten Staatsorgan innerhalb von 14 Tagen Beschwerde einlegen muß, die bis zu dessen endgültiger Entscheidung aufschiebende Wirkung hat. Nach der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Hemmnisbeseitigungsgesetzes soll das Musterstatut für Produktionsgenossenschaften des Handwerks, die vor Inkrafttreten der PGH-VO gegründet worden sind – mit den nach Inkrafttreten der PGH-VO beschlossenen Änderungen – weitergelten, soweit es sich nicht um obsolete Bestimmungen der sozialistischen Planwirtschaft oder Gesellschaftsordnung handele (vgl. BT-Drucks. 12/103, S. 59). Eine solche Bestimmung stellt § 9 Abs. 7 Musterstatut insoweit dar, als sie ein staatliches Eingreifen in das Ausschlußverfahren vorschreibt. Diese Regelung steht in engem Zusammenhang mit § 9 Abs. 6 Musterstatut, wonach unter anderem die schwerwiegende Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten einen Ausschlußgrund darstellt und der Ausschluß nur nach vorherigen Erziehungs- und Disziplinarmaßnahmen zulässig ist. Diese Regelungen finden im Fall des Klägers keine Anwendung.

cc) Anstelle dieser Satzungsbestimmungen sind auf die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die als PGH von ihrer Grundstruktur einer Produktivgenossenschaft gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 GenG vergleichbar ist (vgl. Beuthien/Becker, ZIP 1992, 83, 85; Beuthien/Jöstingmeier Anm. zu OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, ZfG 1994, 80, 81), die allgemeinen genossenschaftsrechtlichen Prinzipien zur Frage der Wirksamkeit und Anfechtbarkeit von Generalversammlungsbeschlüssen anzuwenden. Dies ergibt sich zwar nicht aus § 3 PGH-VO, da aus dieser Vorschrift nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Hemmnisbeseitigungsgesetzes nur folgt, daß auf Produktionsgenossenschaften des Handwerks, die nach Inkrafttreten der PGH-VO gegründet worden sind, das Genossenschaftsgesetz ergänzend anzuwenden ist (vgl. BT-Drucks. 12/103, S. 59). Wenngleich somit nach dem Willen des Gesetzgebers für vor Inkrafttreten der PGH-VO gegründete PGH eine direkte Anwendung des Genossenschaftsgesetzes nicht in Betracht kommt (so auch OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Dresden
, VIZ 1993, 556; a.A. OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, NJ 1992, 264, 265), stellt das Genossenschaftsgesetz dennoch den entscheidenden Orientierungspunkt und verbindlichen Maßstab für die Ausgestaltung der Verhältnisse in den Produktionsgenossenschaften dar, so daß neben dem Grundgesetz sowie der PGH-Verordnung auch die zwingenden Rechtsgrundsätze des Genossenschaftsgesetzes die Regeln des Musterstatuts durchbrechen (vgl. hierzu Resch, VIZ 1993, 53, 56; BGHZ 126, 335, 338 und BGH, Beschl. v. 2. März 1995 – LwZB 9/94, ZIP 1995, 873, 874, zur entsprechenden Anwendung von §§ 51 GenG, 246 AktG bei landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften).

dd) Die Verletzung des rechtlichen Gehörs bei der Ausschließung des Klägers durch den Beschluß vom 26. November 1991 durch die Mitgliederversammlung führt nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit des Ausschließungsbeschlusses.

Zwar stehen Rechtsprechung und genossenschaftsrechtliches Schrifttum bisher einhellig auf dem Standpunkt, daß die Verletzung des rechtlichen Gehörs bei der Ausschließung eines Genossen durch die Generalversammlung zur Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit der Ausschließung führt. Die Rechtsprechung beruft sich allerdings im wesentlichen auf eine Entscheidung des Reichsgerichts, in der ein Generalversammlungsbeschluß wegen Verstoßes gegen die Gewährung des rechtlichen Gehörs für nichtig erklärt wurde, der den vorher von Vorstand und Aufsichtsrat beschlossenen Ausschluß eines Genossen bestätigte (RGZ 171, 205, 206). Allen weiteren bisher ergangenen Entscheidungen lagen Vorstandsbeschlüsse zugrunde (RG, DR 1940, 2013; BGHZ 27, 297, 298; OGH, OGHZ 1, 370, 375; OLG CelleBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Celle
, ZfG 1965, 58, 59 m. zust. Anm. Pleyer; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, ZfG 1966, 307, 308). Demgegenüber wird in der Literatur keine ausdrückliche Unterscheidung dahingehend getroffen, welches Genossenschaftsorgan die Ausschließung beschlossen hat (vgl. Hettrich/Pöhlmann, GenG, § 68 Rdn. 15; Lang/Weidmüller/Schaffland, GenG, 32. Aufl., § 68 Rdn. 32; Menzel aaO, S. 28; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, GenG, 12. Aufl., § 68 Rdn. 16; Müller, GenG, § 68 Rdn. 34; Schubert/Steder, GenG, § 68 Rdn. 10).

Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, der die Literatur übereinstimmend gefolgt ist, sind wegen der fehlenden Regelung im Genossenschaftsgesetz auf die Fälle der Nichtigkeit von Generalversammlungsbeschlüssen grundsätzlich die aktienrechtlichen Vorschriften über die Nichtigkeitsklage (RGZ 170, 83, 88 f.) und die Nichtigkeitsgründe (§§ 241 ff. AktG) entsprechend anzuwenden (BGHZ 126, 335, 338 m.w.N.).

Ein unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommener Beschluß der Generalversammlung über die Ausschließung eines Mitgliedes fällt nicht unter die Nichtigkeitsgründe nach § 241 AktG. Insbesondere liegt kein Beschluß vor, der in entsprechender Anwendung des § 241 Nr. 3 AktG mit dem Wesen der auf gemeinschaftliche Selbsthilfe und -verwaltung angelegten Genossenschaft unvereinbar wäre (vgl. BGH, Urt. v. 22. März 1982 – II ZR 219/81, WM 1982, 582). Der Anspruch auf rechtliches Gehör leitet sich im wesentlichen aus der genossenschaftlichen Treuepflicht (BGH, Urt. v. 22. September 1960 – II ZR 59/60, NJW 1960, 2143, 2144; Meulenbergh/Beuthien aaO, § 18 Rdn. 26 u. 37) her. Die Einhaltung der Treuepflicht gehört nicht zu den tragenden Strukturprinzipien des Aktien- und GmbH-Rechts und damit auch nicht des Genossenschaftsrechts. Die Verletzung der TreuepflichtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Treuepflicht
Verletzung der Treuepflicht
führt im Aktien- und GmbH-Recht nur zur Anfechtbarkeit des Gesellschafterbeschlusses (vgl. BGHZ 103, 184, 193 ff. für das Aktienrecht; BGHZ 76, 352, 355 ff. für das GmbH-Recht).

Dieselben Grundsätze gelten im Genossenschaftsrecht (vgl. Müller aaO, § 51 Anm. 50), da die Verletzung der ungeschriebenen Treuepflicht einer Verletzung des Gesetzes oder der Satzung i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 GenG gleichzustellen ist.

ee) Nach diesen Grundsätzen hätte die Anfechtung gemäß § 51 Abs. 1 GenG binnen eines Monats nach dem Beschluß vom 26. November 1991 im Wege der Klage erfolgen müssen. Die Geltendmachung von Anfechtungsgründen nach Ablauf der Anfechtungsfrist kommt einer verspäteten Klage gleich und ist unbeachtlich (BGH, Urt. v. 17. Januar 1966 – II ZR 157/63, WM 1966, 446, 447 zur GmbH; Urt. v. 11. Juli 1966 – II ZR 134/65, WM 1966, 1132, 1133 f. u. Urt. v. 9. November 1992 – II ZR 230/91, ZIP 1992, 1728, 1733 zur Aktiengesellschaft). Dies gilt grundsätzlich auch für die Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses, durch den ein Mitglied der Genossenschaft ausgeschlossen wird. Die bisher in Rechtsprechung und Literatur hierzu vertretenen gegenteiligen Auffassungen (RGZ 171, 205, 206; Parisius/ Crüger/Citron, GenG, 12. Aufl., § 51 Anm. 2 u. 4; Müller aaO, § 68 Rdn. 51; Lang/Weidmüller/Schaffland aaO, § 68 Rdn. 60) sind durch die Rechtsentwicklung im Genossenschaftsrecht zur Frage der Behandlung mangelbehafteter Generalversammlungsbeschlüsse und deren Angleichung an das Aktienrecht überholt. Es sollen gerade nur Beschlüsse mit erheblichen Mängeln von vornherein nichtig sein, während im übrigen Beschlüsse aus Gründen der Rechtssicherheit nur in einer begrenzten Zeit der Anfechtbarkeit unterliegen. Daß den Genossen damit unterschiedliche Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, je nachdem ob das Statut die Ausschließung durch die Generalversammlung oder ein anderes Organ festsetzt, muß hingenommen werden.

ff) Dennoch kann sich der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit wegen der besonderen, mit der Umwandlung der Rechtsordnung der ehemaligen DDR einhergehenden Umstände ausnahmsweise auch nach Ablauf der ansonsten zwingenden Frist auf die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs berufen. Der Kläger befand sich in der besonderen Situation, daß bei fortgeltendem Musterstatut das satzungsmäßige Anfechtungsverfahren des § 9 Abs. 7 Musterstatut obsolet und auch praktisch nicht mehr durchführbar war. Wegen der zumindest in dieser Zeit herrschenden Unsicherheit über die Anwendbarkeit des Genossenschaftsrechts, auch auf die vor Inkrafttreten der PGH-VO gegründeten PGH, kann es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, wenn er gerichtlichen Rechtsschutz in Form der Klage nicht gesucht hat. Hinzu kommt, daß der Kläger nach bislang einhelliger Meinung davon ausgehen konnte, daß die Ausschließung unwirksam war, ohne daß es einer Anfechtung mittels einer Klage bedurft hätte.

III. Der Senat sieht sich jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, da das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob möglicherweise eine Verwirkung in Betracht kommt. Infolgedessen enthält das Berufungsurteil keine ausreichenden Feststellungen darüber, ob der Kläger durch sein Verhalten nach dem Beschluß der Mitgliederversammlung den Eindruck erweckt hat, daß er die Rechtswirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses anerkenne, oder ob er – wie er vorträgt – der Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses durch Ausschluß stets eindringlich widersprochen hat. Bereits durch das außergerichtliche Bestreiten der Beendigung der Mitgliedschaft könnte das für den sich aus § 242 BGB ergebenden Verwirkungstatbestand neben dem Zeitmoment maßgebliche Umstandsmoment im Sinne eines zurechenbaren vertrauensbildenden Vorverhaltens entfallen sein (dazu Soergel/ Teichmann, BGB, 12. Aufl, § 242 Rdn. 336 ff.; Staudinger/ Schmidt, BGB, 13. Aufl, § 242 Rdn. 534, 545).

Sollte das Berufungsgericht unter Beachtung der oben aufgestellten Grundsätze zu dem Ergebnis gelangen, daß der Kläger als Mitglied der PGH nicht wirksam ausgeschlossen worden ist, aber gleichwohl nicht an der Umwandlung teilgenommen hat, d.h. nicht in die neue Gesellschaft eingetreten ist, wird es auch zu entscheiden haben, ob Abzüge von dem – zwischen den Parteien der Höhe nach unstreitigen – Anteil an den unteilbaren Fonds zu machen sind. Dazu wird festzustellen sein, ob und in welcher Höhe der Kläger bereits eine Abfindung gemäß § 12 Abs. 4 Musterstatut der PGH erhalten hat. Insoweit wird es zu beachten haben, daß § 5 Abs. 2 PGH-VO neben dem Anspruch auf Auszahlung des Anteils an dem unteilbaren Fonds auch einen Anspruch auf Auszahlung des persönlichen Anteils gewährt.

Löffler I www.K1.de I www.gesellschaftsrechtskanzlei.com I Gesellschaftsrecht I Gesellschafterstreit I Erfurt I Thüringen I Sachsen I Sachsen-Anhalt I Hessen I Deutschland 2022

Schlagworte: Anfechtbarkeit, Anfechtbarkeit von Beschlüssen nach § 241 Nr. 5 AktG analog, Anfechtungsgrund, Anfechtungsgründe, Anfechtungsklage, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Auslegung von Nichtigkeits- und Anfechtungsklage, Ausschluss, Ausschluss vom Teilnahmerecht, Behinderung der Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, Beschlussanfechtungsklage, Beschlussfassung, Beschlussmängel, Beschlussmängelklage, Beschlussmängelrecht, Beschlussmängelstreit, Beschlussmängelstreitigkeiten, Beschlussnichtigkeitsklage, Entzug des Rechts auf Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, Folgen bei Beschlussmängeln, Genossenschaft, Gesellschafter, Gesellschafterstreit, Gesellschafterstreit GmbH, Gesellschafterstreit vor Gericht, Gesellschafterstreitigkeiten, Gesellschafterstreitigkeiten sicher vermeiden oder schnell gewinnen, GmbHG § 48, Grundsätzliche Anfechtbarkeit, Lösung von Gesellschafterstreit, Mitwirkungspflichten, Mitwirkungsrechte, Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen nach § 241 AktG analog und nach GmbHG, Nichtigkeits- und Anfechtungsklage, Nichtigkeitsgründe, Nichtigkeitsklage, rechtliches Gehör, Rechtsfolgen bei Verletzungen des Teilnahmerechts, Sonstige zur Nichtigkeit führende Beschlussmängel, Teilnahmerecht des betroffenen Gesellschafters, Teilnahmerecht in Gesellschafterversammlungen, Teilnahmerechte, Treuepflicht, Unvereinbarkeit mit dem Wesen der GmbH, Verfahrensmängel, Verletzung zwingenden Rechts über tragende Strukturprinzipien, Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht