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BGH, Urteil vom 27. Oktober 2008 – II ZR 255/07

GmbHG §§ 35, 66, 68; BGB § 181

a) Nach § 68 Abs. 1 Satz 2 GmbHG besteht für mehrere Liquidatoren – vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung im Gesellschaftsvertrag oder eines abweichenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung – nur Gesamtvertretungsberechtigung. Die Vorschrift regelt die Aktivvertretungsbefugnis bei Vorhandensein mehrerer Liquidatoren einer GmbH schlechthin (Senat, BGHZ 121, 263, 264; Sen.Beschl. v. 7. Mai 2007 – II ZB 21/06, ZIP 2007, 1367, 1368 Tz. 10) unabhängig davon, ob – wie im Regelfall des § 66 Abs. 1 Halbs. 1 GmbHG – die letzten Geschäftsführer so genannte geborene Liquidatoren sind oder ob die Liquidatoren durch die Gesellschaft oder durch das Registergericht bestellt wurden.

2. Dies entspricht dem Willen des historischen Gesetzgebers, der sich bei der Schaffung dieser Vorschrift von der gemeinrechtlichen Vorstellung hat leiten lassen, dass mit der Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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die bisherigen Vertretungsbefugnisse der Gesellschafter enden (ROHG, Urt. v. 13. April 1872 – R 202/72, ROHGE V, 386, 390; Puchelt, Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch 1874 Art. 133 Anm. 3; vgl. auch Staub, Kommentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch 5. Aufl. 1897 Art. 136 § 3).

3. Daher muss eine von der gesetzlichen Gesamtvertretung abweichende Regelung ausdrücklich getroffen werden.

4. Eine von der gesetzlichen Gesamtvertretungsbefugnis abweichende Regelung kann nicht nur bei der Bestellung der Liquidatoren, sondern auch im Gesellschaftsvertrag oder durch späteren Beschluss der Gesellschafterversammlung getroffen werden (h. M., vgl. z.B. Schulze-Osterloh/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. § 68 Rdn. 4 ff.; Hachenburg/Hohner, GmbHG 8. Aufl. § 68 Rdn. 4 ff.; Lutter/Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 68 Rdn. 2).

5. Sieht die Satzung für die Liquidatoren keine – vom gesetzlichen Grundsatz der Gesamtvertretung durch sämtliche Liquidatoren abweichende – Vertretungsregelung vor, sondern bestimmt nur die Alleinvertretungsbefugnis der Geschäftsführer, setzt sich eine Einzelvertretungsbefugnis der Geschäftsführer einer GmbH auch dann nicht ohne weiteres in der Liquidationsphase fort, wenn diese nach Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gemäß § 66 Abs. 1 Halbs. 1 GmbHG als geborene Liquidatoren weiterhin für die Gesellschaft tätig sind (Lutter/Kleindiek aaO § 68 Rdn. 2; Hachenburg/Hohner aaO § 68 Rdn. 7; OLG RostockBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NZG 2004, 288; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
ZIP 1989, 917, 918 f.; BayObLG GmbHR 1986, 392; OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbHR 1997, 553; OLG ZweibrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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GmbHR 1999, 237, 238; vgl. schon OLG Colmar Jur. Zeitschr. f. Elsaß-Lothringen 1907, 545; offen gelassen, aber tendenziell anders BayObLG GmbHR 1994, 478, 479; a. A. Scholz/K. Schmidt, GmbHG 9. Aufl. § 66 Rdn. 5; § 68 Rdn. 5; Schulze-Osterloh/Noack in Baumbach/Hueck aaO § 68 Rdn. 4; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 66 Rdn. 15; § 68 Rdn. 12; Rasner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 68 Rdn. 3; Paura in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG § 68 Rdn. 4; Michalski/Nerlich, GmbHG 2002 § 68 Rdn. 10; BayObLG ZIP 1996, 2110, 2111; vgl. auch BFH, Urt. v. 12. Juli 2001 – VII R 19/00, – VII R 20/00, GmbHR 2001, 927, 931 für Befreiung des Gesellschaftergeschäftsführers einer Einmann-GmbH von den Beschränkungen des § 181 BGB). Dies gilt für jede gesellschaftsvertragliche Vertretungsregelung, gleichgültig, ob den Geschäftsführern Einzelvertretungsbefugnis eingeräumt war oder ob sie von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit waren (anders wohl nur Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner aaO § 68 Rdn. 6).

6. Der in § 66 Abs. 1 GmbHG statuierte Grundsatz der Amtskontinuität besagt nur, dass die Geschäftsführer mangels abweichender Regelung ihr Amt für die Gesellschaft – wenn auch mit verändertem Zweck – weiterführen. Dass auch ihre bisherige Vertretungsmacht als Geschäftsführer – im Sinne einer mit der Amtskontinuität einhergehenden Kompetenzkontinuität (so Scholz/K. Schmidt aaO § 68 Rdn. 5) – in dem nunmehr von ihnen ausgeübten Amt als Liquidatoren unverändert fortbestehen würde, ergibt sich aus § 66 Abs. 1 GmbHG nicht. Das Gesetz trifft vielmehr in § 68 Abs. 1 GmbHG für die Liquidationsphase eine eigene Vertretungsregelung, mag diese inhaltlich auch mit der Vertretungsregelung für mehrere Geschäftsführer einer werbenden GmbH (§ 35 Abs. 2 GmbHG) übereinstimmen. Dementsprechend hat auch eine in der Satzung enthaltene oder durch Gesellschafterbeschluss getroffene Bestimmung, die allein die Vertretung durch die Geschäftsführer regelt, von vornherein nur im Stadium der werbenden Gesellschaft Gültigkeit und endet mit ihrer Auflösung.

7. Dieser Beurteilung kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, es entspreche regelmäßig dem Willen der Gesellschafter, dass eine für mehrere Geschäftsführer bestehende Alleinvertretungsregelung ohne weiteres auch für ihre Funktion als geborene Liquidatoren gelte. Für eine solche Vermutung besteht keine hinreichende Grundlage. Ihr steht nicht nur die gesetzliche, die Interessen der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und der Gesellschaft in der Liquidationsphase besonders in den Blick nehmende Wertung in § 68 Abs. 1 Satz 2 GmbHG entgegen; diese Vorschrift bestimmt eindeutig, dass die Liquidatoren nur dann gesamtvertretungsberechtigt sind, wenn die Gesellschafter für die Liquidation keine andere Regelung getroffen haben. Die genannte Vermutung ist auch deswegen nicht gerechtfertigt, weil sich durch die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der Gesellschaftszweck ändert und nach Beendigung der Geschäftstätigkeit für die Gesellschafter nicht mehr – wie bei der werbenden Gesellschaft – die jederzeitige Handlungsfähigkeit der Gesellschaft im Vordergrund stehen, sondern der Schutz der Gesellschaft, ihrer Gläubiger und/oder der der Mitgesellschafter höher zu bewerten sein kann. Soll nach dem wirklichen Willen der Gesellschafter die bis zur Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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für die Geschäftsführer maßgebliche Vertretungsregelung auch für die Liquidatoren gelten, haben sie es jederzeit in der Hand, einen solchen von der gesetzlichen Regelung abweichenden Beschluss zu fassen, sofern nicht bereits in der Satzung Entsprechendes niedergelegt ist. Dies ist ihnen im Interesse des Rechtsverkehrs an der Klarheit der Vertretungsverhältnisse in der Abwicklungsphase auch zumutbar.

8. Eine für die Geschäftsführer geltende Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB gilt – ebenso wie eine Regelung über ihre Alleinvertretungsbefugnis – im Liquidationsstadium auch für geborene Liquidatoren nicht fort.

Schlagworte: Geschäftsführer, Gesellschafterbeschluss, Gesellschaftsvertrag, Liquidation, Liquidator, Vertretungsbefugnis