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BGH, Urteil vom 29. Mai 1978 – II ZR 52/77

§ 738 BGB, § 138 BGB, § 138 HGB, § 109 HGB

Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Abfindungsklausel nichtig ist, die für den Fall der Ausschließung ohne wichtigen Grund eine verhältnismäßig geringe Buchwertabfindung festlegt .Zum Begriff der Buchwertabfindung.

Das angefochtene Urteil kann mit dieser Begründung schon deshalb nicht bestehenbleiben, weil sich daraus nicht ergibt, daß der Klägerin nur ein Anspruch auf ihre Kommanditeinlage zum Nominalbetrag von 200.000 DM zusteht. Eine die gesetzliche Regelung abändernde gesellschaftsvertragliche Klausel, wonach das Abfindungsguthaben aufgrund der „Buchwerte“ zu errechnen ist, kann im allgemeinen nicht dahin verstanden werden, daß neben dem Gewinn für das laufende Geschäftsjahr nur der auf dem Kapitalkonto verbuchte Betrag der Festeinlage auszuzahlen ist. Die Revision weist insoweit zutreffend darauf hin, daß es in einem solchen Falle nahe läge zu bestimmen, der Abfindungsanspruch beschränke sich auf diesen Nominalbetrag. Im Regelfalle – sofern keine abweichenden Anhaltspunkte gegeben sind – ist, wenn der Gesellschaftsvertrag auf die „buchmäßigen“ Kapitalanteile abstellt, davon auszugehen, daß (nur) die stillen Reserven und der Firmenwert nicht erfaßt werden sollen, wohl aber die offenen Rücklagen wie überhaupt alle in der Bilanz ausgewiesenen Posten mit Rücklagencharakter (vgl Sudhoff, ZGR 1972, 157, 169).

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sind Vereinbarungen, die von der Vorschrift des § 738 Abs 1 Satz 2 BGB abweichen – insbesondere Klauseln, die dem ausscheidenden Gesellschafter den Firmenwert und die stillen Reserven vorenthalten -, grundsätzlich als zulässig anzusehen. Dies kann jedoch nicht ohne weiteres für den Fall gelten, daß ein Gesellschafter ohne wichtigen Grund – nach freiem Ermessen – der Gesellschaftermehrheit oder gar eines einzelnen Gesellschafters (durch „Kündigung“) ausgeschlossen wird. Insoweit sind an gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln strengere Anforderungen zu stellen. Ein rechtlich vertretbarer Interessenausgleich zwischen dem Ausscheidenden und den in der Gesellschaft Verbleibenden kann unter solchen Umständen im Regelfalle nur dann als gegeben angesehen werden, wenn dem ausscheidenden Gesellschafter eine – wie die Klägerin beantragt – „angemessene“ Abfindung zugebilligt wird.

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Abfindungsklausel als „angemessen“ anzusehen ist, kann nicht allgemein beantwortet werden. Den Gesellschaftern wird bei der vertraglichen Gestaltung möglicherweise dann ein größerer Spielraum einzuräumen sein, wenn die Art des Anteilserwerbs oder die besondere Situation der Gesellschaft eine stärkere Beschränkung des Abfindungsanspruchs rechtfertigen, wenn beispielsweise die zur Ausschließung ohne wichtigen Grund berechtigten Gesellschafter wegen besonderer Fähigkeiten und Begabungen das Gesellschaftsunternehmen tragen mit der Folge, daß dessen Bedeutung und Geltung und der innere Wert entscheidend von der Tätigkeit und dem Einsatz dieser Gesellschafter abhängen. Liegen keine besonderen Umstände vor, so wird eine Abfindungsklausel grundsätzlich nur dann als angemessen angesehen werden können, wenn die Abfindungsregelung so gestaltet ist, daß sie im Kern der gesetzlichen Regelung entspricht und im wesentlichen zur Abgeltung des vollen Wertes des Gesellschaftsanteils führt. Regelungen, die von diesen Grundsätzen zum Nachteil der von der Ausschließung ohne wichtigen Grund betroffenen Gesellschafter abweichen, führen zu einer Bereicherung der bevorzugten Gesellschafter und begründen damit einen besonderen Anreiz und die Gefahr, daß die Mehrheit der Gesellschafter oder die persönlich haftenden Gesellschafter von ihren Ausschließungsrechten aus sachfremden Erwägungen und willkürlich Gebrauch machen (vgl auch SenUrt v 23.10.72 – II ZR 31/70, LM HGB § 119 Nr 9). In den Regelfällen ist deshalb eine Beschränkung des Abfindungsanspruchs, die zur Folge hat, daß dieser erheblich hinter dem Wert des Anteils zurückbleibt, grundsätzlich als rechtlich unzulässig anzusehen (§ 138 BGB).

Allerdings mögen auch in den hier infrage stehenden (Regelfällen) Fällen vertragliche Gestaltungen denkbar sein, die den schützenswerten Interessen beider Seiten Rechnung tragen, indem sie einerseits den Abfindungsanspruch von vornherein so festlegen, daß er als angemessen anzusehen ist, andererseits aber die mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Schwierigkeiten bei der Errechnung des Abfindungsguthabens vermeiden und eine einfache und reibungslose Auseinandersetzung ermöglichen. Ob und in welcher Weise dies im Einzelfall geschehen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Bestimmung im Gesellschaftsvertrag der Parteien über die Abfindung zu Buchwerten überschreitet jedenfalls das insoweit möglicherweise Zulässige. Denn sie führt, wie sich nicht zuletzt aus den unter I 2 behandelten Vorschriften über die Abschreibungen und ihre Mindestsätze (§ 16 iVm § 6 des Gesellschaftsvertrages) ergibt, zwangsläufig zu einer erheblichen Beschränkung des Abfindungsanspruchs. Demgemäß ist die Abfindungsregelung nach § 138 BGB als nichtig anzusehen, soweit sie festlegt, daß der Abfindungsanspruch des Gesellschafters, der ohne wichtigen Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen oder „hinausgekündigt“ wird, auf der Grundlage der Buchwerte zu berechnen sei.

Schlagworte: Abfindung bei Hinauskündigung, Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters, anfänglich unwirksame Abfindungsklauseln, Beschränkung der Abfindung, Buchwertklausel, Buchwertmethode, Grenzen der Abfindungsbeschränkung, Hinauskündigungsklausel