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BGH, Urteil vom 29. Mai 1989 – II ZR 220/88

Koppelungsvereinbarung VorstandBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Koppelungsvereinbarung Vorstand
Vorstand

§ 622 Abs 1 S 2 BGB, § 84 Abs 3 AktG

Die Beendigung des Dienstvertrages, den ein Vorstandsmitglied mit einer Aktiengesellschaft abschließt, kann durch Vereinbarung der Parteien an den Widerruf der Organbestellung iSd AktG § 84 Abs 3 gekoppelt werden.

Beruht der Widerruf auf dem Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, der nicht aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt ist, tritt die Beendigung des Dienstvertrages erst mit Ablauf der Frist des BGB § 622Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 622
Abs 1 S 2 ein.

Der Kläger ist durch Aufsichtsratsbeschluß vom 20. Oktober 1978 mit Wirkung vom 1. Oktober 1978 zum Mitglied und Vorsitzenden des Vorstandes der Beklagten, einer Aktiengesellschaft, bestellt worden. Diese Bestellung ist mehrfach – zuletzt im Juli 1985 bis zum 30. September 1988 – verlängert worden. Nachdem es zwischen ihm und der Alleinaktionärin der Beklagten zu Meinungsverschiedenheiten insbesondere über die Frage gekommen war, ob – und gegebenenfalls auf welche Weise – die Zahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer gesenkt und einem verringerten Produktionsvolumen angepaßt werden könne, entzog ihm diese auf der Hauptversammlung vom 30. September 1986 mit der Begründung, zwischen der Aktionärin und dem Vorstandsvorsitzenden hätten sich angesichts der prekären wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten über die Geschäftspolitik entwickelt und in letzter Zeit verschärft, förmlich das Vertrauen. Der noch an demselben Tage zu einer Sitzung einberufene Aufsichtsrat widerrief die Bestellung des Klägers zum Mitglied und Vorsitzenden des Vorstandes der Beklagten im Hinblick auf diesen Beschluß der Hauptversammlung aus wichtigem Grund. Zugleich stellte er fest, daß der mit dem Kläger am 20. Oktober 1978 abgeschlossene Dienstvertrag beendet sei. Insoweit heißt es in Abschnitt 10 des Vertrages wie folgt:

„Sollte die Bestellung als Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Vorstandes gemäß § 75 Abs. 3 AktG (wichtiger Grund) widerrufen werden, so endet damit auch dieser Dienstvertrag.“

Ferner wurde der Dienstvertrag mit Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 30. September 1986 – ebenfalls entsprechend dem vorgenannten Beschluß des Aufsichtsrats – fristlos aus wichtigem Grund sowie nach Abschnitt 8 des Dienstvertrages fristgemäß zum 30. September 1987 gekündigt.

Der Kläger wendet sich u.a. gegen den Widerruf seiner Bestellung zum Mitglied und Vorsitzenden des Vorstandes (Klageantrag zu 1) und gegen die Kündigung des Dienstvertrages sowie – hilfsweise – auch dagegen, daß dieser mit dem Widerruf seiner Organstellung wirksam beendet worden sei (Klageantrag zu 2). Er macht ferner Gehaltsansprüche geltend (Klageantrag zu 4) und möchte die Verpflichtung der Beklagten zur Erfüllung ihrer Pensionszusage (Klageantrag zu 3) und zur Leistung von Schadenersatz (Klageantrag zu 5) festgestellt wissen. Das Landgericht hat durch Teilurteil festgestellt, daß die am 30. September 1986 erfolgte Fristlose KündigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Fristlose Kündigung
Kündigung
unwirksam ist und das Anstellungsverhältnis zum 30. September 1987 endet. Es hat die Klage bezüglich des weitergehenden Klageantrages zu 2 und der Klageanträge zu 1 und 5 abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die AnschlußBerufung der Beklagten die weitergehende Klage, über die das Landgericht erkannt hat, abgewiesen.

Der Senat hat die Revision nur insoweit angenommen, als sich der Kläger mit seinem Hilfsantrag dagegen wendet, daß der Dienstvertrag vom 20. Oktober 1978 mit dem Widerruf seiner Organstellung wirksam beendet worden ist. Im Umfang der Annahme der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Die Revision führt, soweit sie angenommen worden ist, in dem erkannten Umfange zur Aufhebung des Berufungsurteils und zu der Feststellung, daß der zwischen den Parteien abgeschlossene Dienstvertrag vom 20. Oktober 1978 mit Ablauf des 31. Oktober 1986 beendet worden ist. Die weitergehende Revision hingegen ist nicht begründet.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß durch die in Abschnitt 10 des Dienstvertrages getroffene Regelung dessen Beendigung über die in § 75 Abs. 3 AktG 1937 enthaltenen Gründe der groben Pflichtverletzung und der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung hinaus auch an den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung gekoppelt und der Dienstvertrag durch den vom Aufsichtsrat der Beklagten ausgesprochenen Widerruf der Organstellung des Klägers am 30. September 1986 beendet worden ist. Die Nichtbeachtung der in § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltenen Frist sei angesichts des zwischen vorzeitiger und planmäßiger Beendigung des Anstellungsverhältnisses liegenden Zeitraums sowie der fehlenden Schutzbedürftigkeit des Klägers als Organmitglied von solch untergeordneter Bedeutung, daß sie eine abweichende Beurteilung der vereinbarten Klausel nicht zu rechtfertigen vermöge.

I. Die Revision wendet sich ohne Erfolg dagegen, daß das Berufungsgericht Abschnitt 10 des Dienstvertrages gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend ausgelegt hat, dessen Beendigung trete auch dann ein, wenn die Organstellung des Klägers aufgrund Vertrauensentzuges durch die Hauptversammlung, der nicht auf offenbar unsachlichen Gründen beruht, widerrufen werde. Diese Auslegung kann nicht beanstandet werden. Nach zutreffender Ansicht des Berufungsgerichts mußte sich der Kläger als Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft auch mit den für diese geltenden gesetzlichen Vorschriften vertraut machen. Demzufolge war es für ihn zumindest erkennbar, daß die in Abschnitt 10 des Vertrages zitierte Vorschrift des § 75 Abs. 3 AktG dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Aktienrecht nicht entsprach. Die vertragliche Gestaltung des Abschnittes 10 ergibt eindeutig, daß die Beklagte die Beendigung des Dienstvertrages an die Wirksamkeit des Widerrufs der Vorstandsbestellung koppeln wollte. Da der Kläger mangels anderweitiger Absprache der Parteien davon ausgehen mußte, daß diese Frage nach geltendem Recht geregelt werden sollte, war es für ihn auch hinreichend deutlich, daß die Beklagte der Regelung die Vorschrift des § 84 Abs. 3 AktG 1965 zugrunde legen und die Beendigung des Dienstvertrages von dem Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S. dieser Vorschrift abhängig machen wollte. Damit hätte er das Zitat des § 75 Abs. 3 AktG als sich auf das Aktiengesetz 1937 beziehendes Fehlzitat werten müssen. Dadurch war aber für ihn zugleich erkennbar, daß nach dem Willen der Beklagten der nicht aus offenbar unsachlichen Gründen durch die Hauptversammlung ausgesprochene Vertrauensentzug als Widerrufsgrund für die Vorstandsbestellung auch als Grund für die Beendigung des Dienstvertrages vereinbart werden sollte.

II. Die Revision ist der Ansicht, die Auflösung des Dienstvertrages für die Zukunft könne nicht, wie das in dem Abschnitt 10 geschehen sei, in der Weise an den Widerruf der Organbestellung gekoppelt werden, daß dessen Beendigung automatisch mit der Wirksamkeit des Widerrufs eintrete. Eine solche Regelung sei gemäß § 134 BGB nichtig, weil sie zu einer Verknüpfung von Organbestellung und Dienstvertrag in einem einheitlichen Rechtsgeschäft führe und somit gegen die Vorschrift des § 84 AktG verstoße, welche die Trennung von Organ- und Dienstverhältnis zwingend gebiete und damit zugleich deren Verbindung zu einem Rechtsgeschäft untersage. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden.

1. Die Trennung, die das Gesetz zwischen dem Organverhältnis und dem Dienstvertrag vollzieht, gebietet nicht unabdingbar, daß jegliche Verknüpfung zwischen beiden Rechtsvorgängen durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung zu unterbleiben hat. Allerdings dürfen die Vereinbarungen, die das zwischen Aktiengesellschaft und Vorstandsmitglied bestehende Dienstverhältnis regeln, in die Ausgestaltung des Organverhältnisses nicht eingreifen. Wenn auch zwischen beiden Rechtsverhältnissen gewisse Zusammenhänge bestehen, die zu tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen aufeinander führen können, gebührt der Organstellung im Hinblick auf ihre wesentliche Bedeutung für die eigenverantwortliche Leitung und gesetzliche VertretungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
gesetzliche Vertretung
Vertretung
der Aktiengesellschaft im Interesse des Unternehmens der Vorrang vor der dienstvertraglichen Regelung (BGHZ 79, 39, 41ff.; Mertens in Kölner Komm., 2. Aufl. § 34 Rdnrn. 2, 7 und 42; Martens in FS Werner 1984, 495, 507f.; 511). Dieser Vorrang hat im Gesetz darin seinen Niederschlag gefunden, daß die Dauer des Dienstvertrages auf den für die Organbestellung höchstzulässigen Zeitraum beschränkt und eine Vereinbarung über ihre Verlängerung nur für den Fall der Verlängerung der Organbestellung (§ 84 Abs. 1 Satz 2 AktG) zugelassen wird (§ 84 Abs. 1 Satz 5 AktG). Ziel dieser Regelung ist es, die Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrats im wohlverstandenen Unternehmensinteresse der Aktiengesellschaft zu gewährleisten und zu verhindern, daß dessen Entscheidung über die Neubestellung eines Vorstandsmitglieds durch den Fortbestand des Dienstvertrages und die sich daraus ergebenden finanziellen Belastungen nachhaltig beeinflußt wird (Martens in FS Werner a.a.O. S. 508). Da somit die das Dienstverhältnis regelnde Vereinbarung dem Organverhältnis nachrangig ist, kann es unter diesem Gesichtspunkt auch nicht ausgeschlossen sein, daß die Beendigung des Dienstvertrages an den Widerruf der Organbestellung gekoppelt wird. Auch die Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrats wird dadurch, daß die vorzeitige Beendigung des Dienstvertrages durch schuldrechtliche Vereinbarung von der Abberufung des Organs abhängig gemacht wird, nicht beeinträchtigt.

2. Entgegen der Ansicht der Revision führt die gerügte Koppelungsvereinbarung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG zur Nichtigkeit gemäß § 134 BGB. Machen die Parteien eines Dienstvertrages dessen Beendigung von dem Widerruf des Organverhältnisses abhängig, tritt diese auflösende Bedingung nur dann ein, wenn der Widerruf der Bestellung rechtmäßig erfolgt ist. Ist die Abberufung unrechtmäßig vorgenommen worden, hindert das zwar ihre vorläufige Wirksamkeit aufgrund der in § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG getroffenen Regelung nicht. Das betroffene Organmitglied hat es jedoch in der Hand, die Feststellung ihrer Unwirksamkeit mit Rechtskraftwirkung herbeizuführen, so daß die auflösende Bedingung nicht eintritt und dem Organmitglied die Rechte aus dem Vertrag erhalten bleiben (Mertens in Kölner Komm. a.a.O. § 84 Rdnr. 50).

III. Die Revision meint, die in § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag vorgenommene Verweisung auf die allgemeinen Vorschriften sei als Hinweis auf das Dienstvertragsrecht des bürgerlichen Rechts zu verstehen, das eine Erweiterung der Kündigungsmöglichkeiten über die in § 626 Abs. 1 BGB aufgeführten Voraussetzungen hinaus allenfalls bis zur Grenze des § 622 BGB ermögliche. Eine anstellungsvertragliche Regelung, welche die Beendigung des Dienstvertrages an den Widerruf der Organstellung knüpfe, ohne daß den Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB Rechnung getragen werde, sei wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig. Diesen Ausführungen der Revision ist insoweit zu folgen, als die von ihr gerügte Vereinbarung an der in § 622 BGB getroffenen Regelung ihre Grenze findet.

1. Aus der in § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG für die Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag enthaltenen Verweisung auf die allgemeinen Vorschriften folgt, daß der zwischen Vorstandsmitglied und Aktiengesellschaft geschlossene Anstellungsvertrag den Vorschriften des Dienstvertragsrechts (§ 611ff. BGB) unterstellt wird. Diese sehen eine Auflösung des Dienstverhältnisses vor dem Ablauf der Zeit, für die es abgeschlossen worden ist (§ 620 Abs. 1 BGB, § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG), nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 626 Abs. 1 BGB) vor. Allerdings können Vorstandsmitglied und Aktiengesellschaft in den Dienstvertrag eine Vereinbarung aufnehmen, nach der die Kündigung des Vertrages aus denselben Gründen zulässig ist, aus denen die Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen werden kann (Sen.Urt. v. 11. Mai 1981 – II ZR 126/80, WM 1981, 759, 760; Hefermehl in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1974, § 84 Rdnr. 92; Mertens in Kölner Komm. a.a.O. § 84 Rdnr. 138; Säcker, BB 1979, 1321, 1322; zweifelnd Schwerdtner in MünchKomm., 2. Aufl. § 626 Rndr. 16). Das beinhaltet eine vertragliche Erweiterung der eine Auflösung des Dienstvertrages herbeiführenden Gründe, da die Voraussetzungen, unter denen eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB ausgesprochen werden darf, enger gezogen sind als der Kreis der Gründe, die den Widerruf der Organstellung erlauben (§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG). Insbesondere berechtigt der nicht aus offenbar unsachlichen Gründen durch die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft ausgesprochene Vertrauensentzug nicht ohne weiteres, vor allem bei Geringfügigkeit oder Fehlen eines schuldhaften Verhaltens, zur fristlosen Kündigung des Anstellungsverhältnisses (Sen.Urt. v. 11. Mai 1981 – II ZR 126/80 a.a.O. S. 759 m.w.N.). Die Kündigung des Dienstvertrages aus einem Grunde, der lediglich kraft Vereinbarung zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages führt, ist aber nur unter Wahrung der Mindestfrist des § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB möglich. Diese Regelung enthält zwingendes Recht, da die in § 622 Abs. 1 BGB vorgesehene Kündigungsmöglichkeit allein im Rahmen der für den vorliegenden Fall maßgebenden Vorschrift des § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB abbedungen werden kann. Sie gilt für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft entsprechend (Sen.Urt. v. 11. Mai 1981 – II ZR 126/80 a.a.O. S. 760; Schwerdtner in MünchKomm. a.a.O. § 622 Rdnr. 6).

2. Die Vorschrift des § 622 BGB soll nicht nur dem Arbeitgeber eine sachgemäße Personalplanung ermöglichen, sondern sie dient auch dazu, den Arbeitnehmer bis zum Antritt einer neuen Dienststellung so weitgehend wie möglich vor dem Eintritt wirtschaftlicher Nachteile zu schützen (Schwerdtner in MünchKomm. a.a.O. § 622 Rdnr. 1). Fraglich ist, ob dieser Schutz zugunsten eines Vorstandsmitgliedes auch dann zwingend eingreift, wenn der Anstellungsvertrag nicht durch eine Kündigung aufgelöst wird, sondern seine Beendigung vereinbarungsgemäß auflösend bedingt durch den Widerruf der Organstellung eintreten soll. Das wird verneint von Mertens (Kölner Komm. a.a.O. § 84 Rdnr. 138), im übrigen wird in der Literatur die Zulässigkeit einer solchen Koppelung der Beendigung des Anstellungsvertrages an den Widerruf des Organverhältnisses bejaht, ohne daß die Regelung des § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB in diesem Zusammenhang erörtert wird (Mertens in Kölner Komm. a.a.O. Rdnrn. 50 und 127; Hefermehl in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff a.a.O. § 84 Rdnr. 43; Meyer-Landruth in Großkomm. z. AktG, 3. Aufl. § 84 Rdnr. 48; Wiesner in Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, 1988, § 21 Rdnr. 78; Fleck WM 1968 Sonderbeilage 3 S. 10; vgl. auch Sen.Urt. v. 16. Februar 1967 – II ZR 53/66, WM 1967, 540, 541).

Die aufgeworfene Frage ist dahin zu beantworten, daß die Beendigung des zwischen einem Vorstandsmitglied und einer Aktiengesellschaft geschlossenen Dienstvertrages, die von dem Widerruf des Organverhältnisses abhängig gemacht wird, erst nach Ablauf der Frist des § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB eintritt, soweit der Widerruf auf dem Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung beruht, der nicht aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt ist.

Die Trennung, die das Gesetz zwischen dem Organverhältnis einerseits und dem Anstellungsverhältnis andererseits vollzieht, und der Vorrang, den die Organstellung gegenüber der dienstvertraglichen Regelung genießt, finden, wie bereits ausgeführt, letztlich ihren Grund darin, daß eine unabhängige, allein an dem Unternehmensinteresse orientierte Leitung und Vertretung der Aktiengesellschaft auf Dauer sichergestellt werden soll. Das Dienstvertragsverhältnis bleibt jedoch von den für das Organverhältnis getroffenen Regelungen unberührt, soweit es dieses nicht beeinträchtigt. Das kommt sinnfällig in der Verweisungsvorschrift des § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG zum Ausdruck. Das heißt mit anderen Worten, daß eine für das Anstellungsverhältnis vom Gesetz getroffene zwingende Regelung, welche die Ausgestaltung des Organverhältnisses nicht beeinträchtigt, nicht dadurch beseitigt werden kann, daß das Anstellungsverhältnis durch Parteivereinbarung an das Organverhältnis gekoppelt wird, weil es im Interesse der Aktiengesellschaft geringere Anforderungen stellt. Eine Beeinträchtigung des Organverhältnisses stellt die unter die Frist des § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB gestellte Koppelungsvereinbarung nicht dar. Das folgt schon daraus, daß die Kündigungsfrist vom Aktiengesetz für den Fall der Auflösung des Dienstvertrages durch Kündigung aufgrund der im § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG enthaltenen Verweisung ohne Bedenken akzeptiert wird. Würde man eine Koppelungsvereinbarung, wie sie von den Parteien getroffen worden ist, zulassen, ohne daß der Frist des § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB Rechnung getragen würde, käme das der Umgehung dieser zwingenden Kündigungsvorschrift gleich (weitergehend Eckardt, Die Beendigung der Vorstands- und Geschäftsführerstellung in Kapitalgesellschaften, 1989, S. 152ff.).

3. Die Parteien haben diese Frist in die Vereinbarung, die sie in Abschnitt 10 des Vertrages vom 20. Oktober 1978 getroffen haben, nicht einbezogen. Das führt jedoch entgegen der Ansicht der Revision nicht zu ihrer Nichtigkeit. Vielmehr ist sie einschränkend dahin auszulegen, daß die Beendigung des Vertrages nicht nur auflösend bedingt durch den Widerruf eintritt, sondern darüber hinaus auch befristet ist (§ 163 BGB). Der Senat hat eine solch einschränkende Auslegung in bezug auf die Vereinbarung eines Kündigungsgrundes in der Entscheidung vom 11. Mai 1981 (II ZR 126/80, a.a.O. S. 760) vorgenommen. Die Revision, die darin eine geltungserhaltende Reduktion sieht, meint, diese komme im vorliegenden Falle schon deswegen nicht in Betracht, weil die Vereinbarung nicht nur inhaltlich reduziert, sondern völlig umgestaltet werde. Da jedoch, wie bereits dargelegt, eine solche Umgestaltung nicht vorliegt, bedarf es auch keiner Erörterung der von der Revision dazu weiter aufgeworfenen Fragen.

Die Revision beruft sich weiter darauf, der Kläger habe behauptet, bei dem Vertrag handele es sich um einen vorformulierten Vertrag i.S. des § 1 Abs. 1 AGBG, so daß bereits mit Rücksicht darauf eine geltungserhaltende Reduktion der in Abschnitt 10 des Dienstvertrages getroffenen Vereinbarung nicht möglich sei (zur geltungserhaltenden Reduktion bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen vgl. Ulmer/H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 5. Aufl. § 6 Rdnr. 20ff.; Lindacher in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 2. Aufl. § 6 Rdnr. 26ff.). Auch wenn man mit der Revision davon ausgeht, die einschränkende Auslegung des Abschnittes 10 des Dienstvertrages sei als geltungserhaltende Reduktion zu werten, dringt sie mit ihrer Auffassung nicht durch. Denn sie verweist in diesem Zusammenhang auf einen Tatsachenvortrag des Klägers, mit dem die Voraussetzungen für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht schlüssig dargelegt werden. Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, § 1 Abs. 1 AGBG setze die Absicht einer Mehrfachverwendung voraus, die als Ausdruck einseitiger Gestaltungsmacht erscheine (vgl. Wolf in Wolf/Horn/Lindacher a.a.O. § 1 Rdnrn. 12 – 14; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen a.a.O. § 1 Rdnrn. 22/24). Gerade das ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht. Dieser hat nur behauptet, daß der Inhalt des mit ihm abgeschlossenen Vertrages auch den Vereinbarungen mit anderen Vorstandsmitgliedern zugrundegelegt worden sei. Damit bestätigt er lediglich die Behauptung der Beklagten, sie habe bei dem Abschluß dieser Vorstandsverträge auf früher abgeschlossene Verträge zurückgegriffen. Eine Wiederverwendungsabsicht als Ausdruck einseitiger Gestaltungsmacht der Beklagten kommt in diesem Vortrag nicht zum Ausdruck.

Die in Abschnitt 10 des Dienstvertrages getroffene Vereinbarung ist somit dahin auszulegen, daß die Auflösung des Dienstvertrages einen Monat nach Wirksamkeit des Widerrufs der Organstellung eintritt. Da der Widerruf am 30. September 1986 ausgesprochen worden ist, ist der Dienstvertrag mit Ablauf des 31. Oktober 1986 beendet worden.

IV. Da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.

Der Klage war daher im Umfange der getroffenen Feststellung stattzugeben, die weitergehende Revision hingegen zurückzuweisen.

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