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BGH, Urteil vom 29. November 2004 – II ZR 14/03

GmbHG §§ 46, 70

a) Ein Gesellschafter einer zweigliedrigen, wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöschten GmbH i.L. kann den Mitgesellschafter, der die Gesellschaft geschädigt haben soll, auch nach Bestellung eines Nachtragsliquidators mit einer Gesellschafterklage auf Auskunft und Schadensersatzleistung an die Gesellschaft in Anspruch nehmen.

b) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Gesellschafter einer GmbH unter noch zu erörternden Voraussetzungen berechtigt sein, einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen (vgl. BGHZ 65, 15, 19 ff.), was namentlich dann in Betracht kommt, wenn dieser seine zwischen den Gesellschaftern bestehende Treuepflicht verletzt und durch eine damit verbundene Schädigung des Vermögens der Gesellschaft mittelbar auch dasjenige des klagenden Gesellschafters geschädigt hat (vgl. BGHZ 65, 15 „ITT“; Sen.Urt. v. 28. Juni 1982 – II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203; v. 14. Mai 1990 – II ZR 185/89, WM 1990, 1240). Auch in der Verletzung der Organpflichten eines Gesellschaftergeschäftsführers oder eines Gesellschafters als Liquidator kann zugleich eine Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht liegen (vgl. Sen.Urt. v. 14. September 1998 – II ZR 175/97, ZIP 1999, 240; v. 28. Juni 1982 – II ZR 121/81, ZIP 1982, 1073).

c) Gegenüber einer Gesellschafterklage besteht allerdings ein grundsätzlicher Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft
(vgl. Sen.Urt. v. 28. Juni 1982 aaO; v. 4. Februar 1991 – II ZR 246/89, ZIP 1991, 582; mißverständlich Sen.Urt. v. 14. Mai 1990 aaO), der aber jedenfalls dann entfällt, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, daß es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müßte er die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zwingen (dazu BGHZ 65, 15, 21; Sen.Urt. v. 28. Juni 1982 aaO). Weiter hat der Senat im Urteil vom 4. Februar 1991 (aaO) eine Gesellschafterklage im Fall einer im Handelsregister gelöschten zweigliedrigen GmbH mit Rücksicht darauf zugelassen, daß ihr ein Vertretungsorgan fehlte und das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG hier wegen des Stimmrechtsausschlusses des in Anspruch zu nehmenden Gesellschafters (§ 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG) eine überflüssige Formalität bedeuten würde.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Dezember 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Hilfsantrag des Klägers zum Hauptantrag Ziff. 1 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Prozeßparteien sind Brüder und Gesellschafter einer Ingenieurs-GmbH. Alleingesellschafter war zunächst der Beklagte, der im Jahr 1990 die Hälfte seiner Geschäftsanteile auf den Kläger übertrug. Beide waren dann Geschäftsführer bis zum Ausscheiden des Beklagten aus diesem Amt im September 1993. Im Mai 1999 beschlossen sie die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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; Liquidator wurde der Beklagte; er ließ durch einen Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluß und eine Liquidationseröffnungsbilanz per 28. bzw. 29. Mai 1999 erstellen. Im August 2000 beantragte er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH i.L. Durch Beschluß vom 25. Mai 2001 lehnte das Amtsgericht den Antrag aufgrund des Berichts des vorläufigen Insolvenzverwalters mangels Masse ab. Am 1. Oktober 2001 wurde die GmbH i.L. wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 141 a FGG im Handelsregister gelöscht.

Mit seiner kurz danach erhobenen Klage hat der Kläger von dem Beklagten Auskunft sowie die Vorlegung von Unterlagen über den Verbleib und die Verwertung bestimmter von der GmbH entwickelter Computerprogramme (Antrag zu 1), weiter die Aufstellung und Vorlage von Jahresabschlüssen mit Lageberichten zu den Geschäftsjahren 1999 und 2000 begehrt (Antrag zu 2). Nach erstinstanzlicher Klageabweisung hat er in zweiter Instanz den zusätzlichen Hilfsantrag (zu Antrag Ziff. 1) gestellt, den Beklagten zur Erteilung der begehrten Auskunft an einen inzwischen bestellten Nachtragsliquidator zu verurteilen, dessen Bestellung der Kläger bereits während des Rechtsstreits in erster Instanz beantragt hatte. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers – unter Abweisung des Hilfsantrags als unzulässig – zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat die Revision nur hinsichtlich der Abweisung des (zweitinstanzlichen) Hilfsantrages zugelassen, den der Kläger mit seinem Rechtsmittel weiterverfolgt.

Die Revision führt im Umfang ihrer Zulassung zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I. Das Berufungsgericht hält die zweitinstanzliche Klageerweiterung um den Hilfsantrag zwar für sachdienlich (§ 533 ZPO), diesen aber für unzulässig, weil dem Kläger die Klagebefugnis zur Geltendmachung des allenfalls der GmbH i.L. zustehenden Auskunftsanspruchs fehle. Eine Gesellschafterklage sei gegenüber einer möglichen Klage der Gesellschaft subsidiär und komme hier nach Bestellung des Nachtragsliquidators nicht (mehr) in Betracht, zumal das Auskunftsbegehren dem Zweck einer weitergehenden Verfolgung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft dienen solle und dafür der Nachtragsliquidator zuständig sei. Ihn könne der Kläger auch durch Gesellschafterbeschluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG, bei dem der Beklagte gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG kein Stimmrecht habe, zu der Rechtsverfolgung veranlassen. Die zweitinstanzliche Behauptung des Klägers, die GmbH verfüge laut Auskunft des Nachtragsliquidators über keine finanziellen Mittel für die Prozeßführung, sei gemäß § 531 Abs. 2 ZPO „präkludiert“ und überdies im Hinblick auf §§ 114 ff. ZPO unerheblich.

II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Gesellschafter einer GmbH unter noch zu erörternden Voraussetzungen berechtigt sein, einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen (vgl. BGHZ 65, 15, 19 ff.), was namentlich dann in Betracht kommt, wenn dieser seine zwischen den Gesellschaftern bestehende Treuepflicht verletzt und durch eine damit verbundene Schädigung des Vermögens der Gesellschaft mittelbar auch dasjenige des klagenden Gesellschafters geschädigt hat (vgl. BGHZ 65, 15 „ITT“; Sen.Urt. v. 28. Juni 1982 – II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203; v. 14. Mai 1990 – II ZR 185/89, WM 1990, 1240). Auch in der Verletzung der Organpflichten eines Gesellschaftergeschäftsführers oder eines Gesellschafters als Liquidator kann zugleich eine Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht liegen (vgl. Sen.Urt. v. 14. September 1998 – II ZR 175/97, ZIP 1999, 240; v. 28. Juni 1982 – II ZR 121/81, ZIP 1982, 1073). Entsprechendes macht der Kläger im vorliegenden Fall sinngemäß mit der Behauptung geltend, der Beklagte habe sich unter Verstoß gegen seine Pflichten als Liquidator und Gesellschafter die von dem Auskunftsbegehren betroffenen Computerprogramme der GmbH i.L. angeeignet und diese verwertet.

b) Gegenüber einer Gesellschafterklage besteht allerdings ein grundsätzlicher Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft
(vgl. Sen.Urt. v. 28. Juni 1982 aaO; v. 4. Februar 1991 – II ZR 246/89, ZIP 1991, 582; mißverständlich Sen.Urt. v. 14. Mai 1990 aaO), der aber jedenfalls dann entfällt, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, daß es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müßte er die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zwingen (dazu BGHZ 65, 15, 21; Sen.Urt. v. 28. Juni 1982 aaO). Weiter hat der Senat im Urteil vom 4. Februar 1991 (aaO) eine Gesellschafterklage im Fall einer im Handelsregister gelöschten zweigliedrigen GmbH mit Rücksicht darauf zugelassen, daß ihr ein Vertretungsorgan fehlte und das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG hier wegen des Stimmrechtsausschlusses des in Anspruch zu nehmenden Gesellschafters (§ 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG) eine überflüssige Formalität bedeuten würde.

c) Im vorliegenden Fall verfügt die GmbH i.L. zwar nach Bestellung des Nachtragsliquidators wieder über ein Vertretungsorgan. Sie verfügt aber nicht über die Mittel für die Prozeßführung, was – zumindest prima facie – schon aufgrund ihrer Löschung im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit anzunehmen ist, ohne daß es insoweit auf den vom Berufungsgericht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als „präkludiert“ angesehenen Vortrag des Klägers ankommt. Prozeßkostenhilfe könnte die GmbH i.L. – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – gemäß § 116 Nr. 2 ZPO nicht beanspruchen, weil die Kosten von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Prozeßparteien aufgebracht werden könnten und der Rechtsstreit allgemeine Interessen nicht berührt. Ein Anspruch der GmbH i.L. gegen den Kläger auf Prozeßkostenvorschuß folgt aber weder aus § 116 Nr. 2 ZPO noch aus dem GmbH-Recht. Auf die Möglichkeit, ihr die Prozeßkosten gleichwohl vorzustrecken, um ihr damit die Prozeßführung zu Lasten der eigenen bereits begonnenen zu ermöglichen, muß sich der Kläger nicht verweisen lassen. Maßgebend ist vielmehr, daß die GmbH i.L. von sich aus zur Klageerhebung nicht in der Lage und der Beklagte deshalb – im vorliegenden Fall einer zweigliedrigen Gesellschaft auch ohne förmlichen Gesellschafterbeschluß gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG (vgl. Sen.Urt. v. 4. Februar 1991 aaO) – zu der Gesellschafterklage befugt ist.

Die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und ihrer Gläubiger werden durch die Gesellschafterklage nicht berührt, weil mit ihr grundsätzlich nur eine Leistung an die Gesellschaft begehrt werden kann. Letzteres gilt auch für den hier geltend gemachten Anspruch auf Auskunft zur Bestimmung und als Annex eines etwaigen Schadensersatzanspruchs. Ebenso wie der ggf. in das Gesellschaftsvermögen zu leistende Schadensersatz steht auch das Ergebnis der begehrten Auskunft primär der Gesellschaft zu. Von ihr kann der Kläger gemäß § 51 a GmbHG ggf. die Weitergabe der für eine Gesellschafterklage auf Schadensersatz erforderlichen Informationen verlangen.

2. Sonach scheitert die Zulässigkeit des Hilfsantrages des Klägers – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht daran, daß inzwischen ein Nachtragsliquidator für die GmbH i.L. bestellt worden ist, zu dessen Händen die von dem Kläger begehrte Auskunft ggf. zu erteilen ist (vgl. Sen.Urt. v. 4. Februar 1991 aaO). Das angefochtene Urteil kann daher mit der ihm von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bestehenbleiben.

II. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist der Hilfsantrag des Klägers auch nicht deshalb unzulässig, weil er dazu in seiner Berufungsbegründung nichts ausgeführt, sondern erst in einem späteren Schriftsatz vorgetragen hat, der Nachtragsliquidator sei auf die im Rechtsstreit begehrten Auskünfte angewiesen. Wie die Revisionserwiderung selbst sieht, gilt § 520 ZPO für eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nicht, weil es sich insoweit nicht um eine Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils handelt (vgl. Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. § 520 Rdn. 27 m.w.Nachw.). Die Begründung für den Hilfsantrag als solchen ergibt sich ohnehin aus den Ausführungen des Klägers zu seinem Hauptantrag auf Auskunftserteilung in Zusammenhang mit den Grundsätzen der Gesellschafterklage von selbst.

III. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt. Sie käme in dem hier gegebenen Fall fehlerhafter vorinstanzlicher Abweisung einer Klage als unzulässig nur dann in Betracht, wenn die getroffenen Feststellungen ein abschließendes Urteil erlaubten und bei Zurückverweisung ein anderes Ergebnis nicht möglich erschiene (vgl. BGHZ 123, 137, 141 f.; BGH, Urt. v. 29. September 1993 – VIII ZR 107/93, NJW-RR 1994, 175 f. jew. m.w.Nachw.). Das ist hier nicht der Fall, weil das Berufungsgericht zum Grund des Auskunftsanspruchs und zu dem von dem Beklagten erhobenen Einwand sachfremder Rechtsverfolgung, worauf die Revisionserwiderung hinweist, keine Feststellungen getroffen hat.

Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die noch erforderlichen Feststellungen – ggf. nach ergänzendem Vortrag der Parteien – zu treffen.

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