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BGH, Urteil vom 31. Mai 2011 – II ZR 106/10

§ 31 Abs 5 GmbHG, § 32b  GmbHG vom 05.10.1994, § 146 Abs 1 InsO, § 172a HGB

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats trägt der Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast für den objektiven Tatbestand einer haftungsbegründenden Insolvenzverschleppung und damit auch für die Überschuldung der Gesellschaft. Für die Feststellung, dass die Gesellschaft insolvenzrechtlich überschuldet ist, bedarf es grundsätzlich der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz, in der die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerten auszuweisen sind. Hingegen kommt einer Handelsbilanz für die Frage, ob die Gesellschaft überschuldet ist, lediglich indizielle Bedeutung zu. Legt der Anspruchsteller für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, nur eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er jedenfalls die Ansätze dieser Bilanz darauf zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind. Ist der Anspruchsteller diesen Anforderungen nachgekommen, ist es Sache des beklagten Gesellschafters, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind (BGH, Urteil vom 15. März 2011 – II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 33 m.w.N. für den vergleichbaren Fall des Geschäftsführers).

Die vom Kläger erstellte Handelsbilanz weist allerdings die rechnerische ÜberschuldungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht offen aus. Die Gesellschafterdarlehen in Höhe von rund 1,5 Mio. € sind unzutreffend auf der Aktivseite gebucht. Richtig müssen sie entweder auf der Passivseite aufgeführt werden oder – bei einem qualifizierten Rangrücktritt – bei der Feststellung der Überschuldung unberücksichtigt bleiben. In beiden Fällen ist das bereinigte Aktivvermögen aber geringer als die Summe der Verbindlichkeiten und Rückstellungen. Es liegt also eine rechnerische ÜberschuldungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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vor.

Für die Annahme einer Überschuldung kommt es hier nicht darauf an, ob eine Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich war. Davon hängt nach § 19 Abs. 2 InsO in der bis zum17. Oktober 2008 geltenden und hier zur Anwendung kommenden Fassung nur ab, ob die rechnerische ÜberschuldungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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anhand der Fortführungs- oder der Liquidationswerte zu ermitteln ist. Der Kläger hat eine Handelsbilanz vorgelegt, also Fortführungswerte zugrunde gelegt. Da diese regelmäßig höher sind als die Liquidationswerte, ist damit die Überschuldung unabhängig von der Fortführungsprognose dargelegt.

Es obliegt dem in Anspruch genommenen Gesellschafter, die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen trotz der rechnerischen Überschuldung fortzuführen (BGH, Urteil vom 15. März 2011 – II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 31). Dieser Darlegungslast, deren Erfüllung eine umfassende Einschätzung der Unternehmenslage voraussetzt (vgl. zu den Substantiierungsanforderungen BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010 – II ZR 151/09, ZIP 2010, 2400 Rn. 13 – Fleischgroßhandel), ist die Beklagte nicht nachgekommen.

Der Anspruch auf Erstattung des Wertes einer Gesellschaftersicherheit nach den sogenannten Rechtsprechungsregeln verjährt gemäß § 31 Abs. 5 GmbHG in fünf Jahren. Auf diesen Anspruch ist § 146 InsO auch dann nicht anwendbar, wenn zugleich der Tatbestand des § 32b GmbHG a.F. erfüllt ist .

Schlagworte: Bilanzierung von Gesellschafterdarlehen, Darlegungs- und Beweislast, einstufiger Überschuldungsbegriff, Erstattung, Fortführungsprognose, GmbHG § 64 Satz 1, Handelsbilanz, Liquidationswert, Passivierungspflicht von Gesellschafterdarlehen, Rangrücktritt, rechnerische Überschuldung, Rückstellungen, sekundäre Darlegungslast, stille Reserven, Überschuldung, Überschuldungsbilanz, Verjährung, Zahlungen nach Insolvenzreife, zweistufiger Überschuldungsbegriff