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BGH, Urteil vom 4. Juli 1960 – II ZR 168/58

Abberufung Vorstandsmitglied

§ 40 GenG

a) Der Zweck der Berufung der Hauptversammlung muß so deutlich angegeben werden, daß sich der Gegenstand der Verhandlung erkennen läßt (vgl. RGZ 68, 235; Lang/Weidmüller, GenG § 46 Anm. 2 Abs. 2; Meyer/Meulenbergh, GenG § 46 Anm. 2). Hierzu genügt falls ein Beschluß über die Amtsenthebung eines Vorstandsmitglieds beabsichtigt ist, der Hinweis, daß die Verhandlung den Vorstand betreffen soll, und die Zahlenangabe derjenigen Satzungsbestimmungen, die von der Amtsenthebung des Vorstandes handeln (vgl. RG JW 1908, 674).

Es ist unschädlich, daß die Einberufung nicht sagt, daß nur der Kläger zu 1 und nicht Temme des Amtes enthoben werden sollte. Denn, daß mindestens auch über den Kläger zu 1 Beschluß gefaßt werden sollte, war zweifelsfrei, da er zum Vorstand gehörte. Die namentliche Nennung des Klägers war nicht erforderlich (vgl. RG Recht 1905 Nr. 2740; Parisius/Crüger/Crecelius/Citron, GenG § 24 Anm. 25).

Schließlich war die Fassung der Einberufung auch nicht deshalb unzulänglich, weil die Generalversammlung „die erfolgte vorläufige Entlassung“ des Klägers zu 1 billigte „und seine sofortige fristlose Entlassung“ beschloß. Denn, wenn eine Generalversammlung zur Beschlußfassung über die Amtsenthebung eines Vorstandsmitglieds oder über eine vorläufige Amtsenthebung einberufen ist, ist auch zur Entscheidung über eine etwaige fristlose Auflösung des Anstellungsverhältnisses eingeladen, da beide Beschlußgegenstände zusammengehören.

b) Die Kläger sehen einen Verstoß gegen diesen Grundsatz darin, daß der Kläger zu 1 infolge eines Verkehrsunfalls im Krankenhaus lag, deshalb am Erscheinen in der Hauptversammlung verhindert war und ihm trotz Aufforderung nicht mitgeteilt worden sei, welche Vorwürfe gegen ihn erhoben würden, so daß er nicht die Möglichkeit der Rechtfertigung gehabt habe. Das Berufungsgericht meint: Der Anhörung des Klägers zu 1 habe es nicht bedurft, da ein Vorstandsmitglied nach § 24 Abs. 3 Satz 2 GenG jederzeit, nicht nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes, abberufen werden dürfe. Es sei nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, ob der Kläger zu 1 zu Recht entlassen worden sei. Hierüber sei ein anderer Prozeß anhängig. Die Amtsenthebung und die Entlassung des Klägers müßten auseinandergehalten werden. Allein die Tatsache, daß drei Angestellte der Beklagten (H, E und B) während der Amtszeit des Klägers zu 1 hohe Geldbeträge veruntreut hätten, rechtfertige es, daß die Mitglieder der Beklagten dem Kläger zu 1 ihr Vertrauen entzogen und ihn aus seinem Vorstandsamt abberufen hätten, ohne daß es darauf ankomme, inwieweit ihn hieran ein Verschulden treffe. Da der Sachverhalt offengelegen habe, habe der Kläger zu 1 nicht angehört zu werden brauchen. Im übrigen habe der Kläger zu 2, der ein Schwiegersohn des Klägers zu 1 und selbst Genosse der Beklagten ist, die Interessen des Klägers zu 1 wahrgenommen und sich zu den dem Kläger zu 1 gemachten Vorwürfen in der Generalversammlung geäußert. Das Berufungsgericht übersieht hierbei, daß sowohl über die Amtsenthebung des Klägers zu 1 wie über seine fristlose Entlassung Beschluß gefaßt wurde, daß der Kläger zu 2 nach dem eigenen Vortrag der Beklagten (S. 4 ihres Schriftsatzes vom 2.6.1958, Bl. 81 der Akten) in der Generalversammlung vom 12. Juni 1957 kraft eigenen Mitgliedschaftsrechts und nicht in Vollmacht des Klägers zu 1 aufgetreten ist, und daß da, wo eine Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs besteht, diese Pflicht nur dann nicht erfüllt zu werden braucht, wenn die Abstimmung auch ohne Anhörung des Betroffenen offensichtlich mit Sicherheit zu keinem anderen Ergebnis führen konnte (RGZ 171, 205, 208).Auf diesen Mängeln beruht das Berufungsurteil aber nicht. Generalversammlungsbeschlüsse über die Abberufung eines Vorstandsmitglieds und die fristlose Kündigung seines Dienstvertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Gewährung rechtlichen Gehörs. Die Mitglieder einer Genossenschaft haben allerdings im genossenschaftsinternen Ausschließungsverfahren auch ohne dahingehende Satzungsbestimmung Anspruch auf rechtliches Gehör (RG DR 1940, 2013; OGHZ 1, 370, 375). Das folgt aus den einschneidenden Wirkungen der Maßnahme für den betroffenen Genossen, den möglicherweise einander widersprechenden Belangen der einzelnen Genossen in wirtschaftlichen Fragen (RGZ 171, 205, 206) und aus der genossenschaftlichen Treupflicht, die nicht nur den Genossen gegenüber der Genossenschaft, sondern auch der Genossenschaft ihren Mitgliedern gegenüber obliegt. Bei dem hier angegriffenen Generalversammlungsbeschluß ging es aber nicht um die Mitgliedsstellung des Klägers zu 1, sondern um seine Amtsenthebung und fristlose Entlassung. Ein Vorstandsmitglied hat kein Recht auf den Fortbestand seiner Organstellung. Die Bestrafung eines Vereinsmitglieds oder Genossen und die Ausschließung aus einem Verein oder einer Genossenschaft erfordert die Anhörung des Betroffenen, um eine sachgerechte Entscheidung in dem dafür vorgesehenen vereinsgerichtlichen oder genossenschaftsinternen Verfahren zu ermöglichen. Bei der Abberufung eines Vorstandsmitglieds aus seinem Amt geht es nicht um eine Gerichtsentscheidung in einem internen Verfahren, sondern um eine einseitige Willensentschließung, die auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, nach dem Ermessen der Genossen vorgenommen werden kann. Hierfür sind nicht die für das vereinsgerichtliche oder das Ausschließungsverfahren maßgebenden Regeln einzuhalten und demzufolge der Betroffene auch nicht anzuhören. Auch die Wirksamkeit des Generalversammlungsbeschlusses, das Anstellungsverhältnis eines Vorstandsmitglieds fristlos zu kündigen, ist nicht von der Gewährung rechtlichen Gehörs abhängig.

Tenor

Die Revision gegen das am 13. Juni 1958 verkündete Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Oldenburg wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Die Kläger sind Mitglieder der beklagten Genossenschaft. Auf Grund Generalversammlungsbeschlusses vom 12. Juni 1957 wurde der Kläger zu 1 aus seinem Amt als Vorstandsmitglied abberufen. Die Kläger beantragen, diesen Beschluß für nichtig zu erklären. Sie sind der Meinung, daß die Generalversammlung nicht ordnungsgemäß einberufen worden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

In der Berufungsinstanz haben die Kläger noch hilfsweise die Feststellung der Nichtigkeit des Generalversammlungsbeschlusses vom 12. Juni 1957 begehrt und neben nicht mehr interessierenden Punkten geltend gemacht, dem Kläger zu 1 sei das rechtliche Gehör versagt worden. Ihre Berufung hatte keinen Erfolg.

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Berufungsanträge weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision gebeten hat.

I.

1. Nach § 26 Abs. 2 des Statuts der Beklagten ist die Generalversammlung unter Einhaltung einer Frist von mindestens einer Woche schriftlich oder durch öffentliche Bekanntmachung einzuberufen. § 48 Abs. 2 der Satzung sieht als Veröffentlichungsorgan u.a. das Osnabrücker Kreisblatt vor. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Einladung zur Generalversammlung vom 12. Juni 1957 im Osnabrücker Kreisblatt am 4. Juni 1957 veröffentlicht worden ist. Damit ist der Satzung genügt. Die Einladung brauchte nicht noch, wie die Kläger meinen, in der „Neuen Tagespost“ Osnabrück und auch nicht im Bundesanzeiger veröffentlicht zu werden.

2. Zu Punkt 2 der Tagesordnung lautet die Einberufung: „Beschlußfassung gemäß §§ 18 und 34 Nr. 6 der Satzung betr. Vorstand“. § 18 handelt von der Enthebung der Vorstandsmitglieder vom Amt. Er bestimmt in seinem Satz 1, daß der Vorstand sowie jedes seiner Mitglieder jederzeit, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen, durch Beschluß der Generalversammlung von seinen Geschäften enthoben werden kann. Nach seinem Satz 2 ist auch der Aufsichtsrat befugt, nach seinem Ermessen Mitglieder des Vorstandes vorläufig, bis zur Entscheidung der ohne Verzug zu berufenden Generalversammlung, von ihren Geschäften zu entheben. Nach § 34 Nr. 6 der Satzung unterliegt die Enthebung der Mitglieder des Aufsichtsrats von ihren Ämtern und die Bestätigung der Enthebung der Mitglieder des Vorstandes von ihrem Amt der Beschlußfassung der Generalversammlung. Die Kläger meinen, durch die gewählte Fassung der Einberufung sei der Gegenstand der Beschlußfassung nicht ausreichend gekennzeichnet gewesen. Das ist nicht richtig. Der Zweck der Berufung der Hauptversammlung muß so deutlich angegeben werden, daß sich der Gegenstand der Verhandlung erkennen läßt (vgl. RGZ 68, 235; Lang/Weidmüller, GenG § 46 Anm. 2 Abs. 2; Meyer/Meulenbergh, GenG § 46 Anm. 2). Hierzu genügt falls ein Beschluß über die Amtsenthebung eines Vorstandsmitglieds beabsichtigt ist, der Hinweis, daß die Verhandlung den Vorstand betreffen soll, und die Zahlenangabe derjenigen Satzungsbestimmungen, die von der Amtsenthebung des Vorstandes handeln (vgl. RG JW 1908, 674).

a) Der Kläger zu 1 war hauptamtliches, der Kaufmann Rudolf T war nebenamtliches Vorstandsmitglied. Nur der Kläger zu 1 sollte des Amtes enthoben werden. Es ist unschädlich, daß die Einberufung nicht sagt, daß nur der Kläger zu 1 und nicht Temme des Amtes enthoben werden sollte. Denn, daß mindestens auch über den Kläger zu 1 Beschluß gefaßt werden sollte, war zweifelsfrei, da er zum Vorstand gehörte. Die namentliche Nennung des Klägers war nicht erforderlich (vgl. RG Recht 1905 Nr. 2740; Parisius/Crüger/Crecelius/Citron, GenG § 24 Anm. 25).

b) Es mag sein, daß die Einberufung durch die Erwähnung sowohl des § 18 wie des § 34 Nr. 6 der Satzung offen läßt, ob eine Amtsenthebung (§ 18 Satz 1) oder die Bestätigung einer vom Aufsichtsrat vorgenommenen vorläufigen Amtsenthebung (§ 18 Satz 2, § 34 Nr. 6) zum Gegenstand der Beschlußfassung gemacht werden sollte. Denn die Einberufung war auch dann, wenn sie beide Möglichkeiten offenließ, aber nur eine von ihnen meinte, nicht ordnungswidrig da sich beide Möglichkeiten nur der äußeren Form nach, nicht aber im sachlichen Ergebnis unterscheiden. In der Sache blieb es sich gleich, ob die Mitglieder der Beklagten eine vom Aufsichtsrat vorgenommene vorläufige Amtsenthebung gutheißen oder selbst die Amtsenthebung vornehmen sollten.

c) Die Revision hat auch nicht recht, daß bei der Fassung der Einberufung die Tragweite der zu treffenden Entscheidung unklar geblieben sei. § 18 Satz 2 der Satzung ist eindeutig, er behandelt die vorläufige Amtsenthebung und deckt sich mit § 40 GenG. Die endgültige Entscheidung über die Abberufung eines Vorstandsmitglieds und die fristlose Kündigung seines Anstellungsverhältnisses obliegt der Generalversammlung (KG OLG 19, 344; RGZ 115, 351, 355; 144, 384, 385; RAG JW 1933, 2721). Angesichts dieser Rechtslage konnte es für die einberufene Generalversammlung gar nicht darum gehen, einen vom Aufsichtsrat bereits endgültig vorgenommenen Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied, wie die Revision sagt, zu rechtfertigen, sondern ausschließlich darum, eine entweder bereits vorläufig vorgenommene Amtsenthebung zu bestätigen oder selbst die Amtsenthebung vorzunehmen.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der Aufsichtsrat mit Schreiben vom 17. Mai 1957 (Bl. 52 SA) die fristlose Entlassung des Klägers zu 1 ausgesprochen hat. Denn diese Erklärung hat im Hinblick auf die gesetzlich (§ 40 GenG) der Generalversammlung vorbehaltene Entscheidung über Abberufung und fristlose Entlassung nur die Bedeutung einer vorläufigen Amtsenthebung und wurde als Kündigung und endgültige Amtsenthebung erst durch einen entsprechenden Generalversammlungsbeschluß wirksam. Das hat der erkennende Senat bereits in seinem zum Abdruck in der amtlichen Sammlung bestimmten Urteil vom 10.3.1960 – II ZR 56/59 – (WM 1960,428) ausgesprochen.

d) Schließlich war die Fassung der Einberufung auch nicht deshalb unzulänglich, weil die Generalversammlung „die erfolgte vorläufige Entlassung“ des Klägers zu 1 billigte „und seine sofortige fristlose Entlassung“ beschloß. Denn, wenn eine Generalversammlung zur Beschlußfassung über die Amtsenthebung eines Vorstandsmitglieds oder über eine vorläufige Amtsenthebung einberufen ist, ist auch zur Entscheidung über eine etwaige fristlose Auflösung des Anstellungsverhältnisses eingeladen, da beide Beschlußgegenstände zusammengehören.

II.

Auch der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt.

Die Kläger sehen einen Verstoß gegen diesen Grundsatz darin, daß der Kläger zu 1 infolge eines Verkehrsunfalls im Krankenhaus lag, deshalb am Erscheinen in der Hauptversammlung verhindert war und ihm trotz Aufforderung nicht mitgeteilt worden sei, welche Vorwürfe gegen ihn erhoben würden, so daß er nicht die Möglichkeit der Rechtfertigung gehabt habe. Das Berufungsgericht meint: Der Anhörung des Klägers zu 1 habe es nicht bedurft, da ein Vorstandsmitglied nach § 24 Abs. 3 Satz 2 GenG jederzeit, nicht nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes, abberufen werden dürfe. Es sei nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, ob der Kläger zu 1 zu Recht entlassen worden sei. Hierüber sei ein anderer Prozeß anhängig. Die Amtsenthebung und die Entlassung des Klägers müßten auseinandergehalten werden. Allein die Tatsache, daß drei Angestellte der Beklagten (H, E und B) während der Amtszeit des Klägers zu 1 hohe Geldbeträge veruntreut hätten, rechtfertige es, daß die Mitglieder der Beklagten dem Kläger zu 1 ihr Vertrauen entzogen und ihn aus seinem Vorstandsamt abberufen hätten, ohne daß es darauf ankomme, inwieweit ihn hieran ein Verschulden treffe. Da der Sachverhalt offengelegen habe, habe der Kläger zu 1 nicht angehört zu werden brauchen. Im übrigen habe der Kläger zu 2, der ein Schwiegersohn des Klägers zu 1 und selbst Genosse der Beklagten ist, die Interessen des Klägers zu 1 wahrgenommen und sich zu den dem Kläger zu 1 gemachten Vorwürfen in der Generalversammlung geäußert.

Das Berufungsgericht übersieht hierbei, daß sowohl über die Amtsenthebung des Klägers zu 1 wie über seine fristlose Entlassung Beschluß gefaßt wurde, daß der Kläger zu 2 nach dem eigenen Vortrag der Beklagten (S. 4 ihres Schriftsatzes vom 2.6.1958, Bl. 81 der Akten) in der Generalversammlung vom 12. Juni 1957 kraft eigenen Mitgliedschaftsrechts und nicht in Vollmacht des Klägers zu 1 aufgetreten ist, und daß da, wo eine Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs besteht, diese Pflicht nur dann nicht erfüllt zu werden braucht, wenn die Abstimmung auch ohne Anhörung des Betroffenen offensichtlich mit Sicherheit zu keinem anderen Ergebnis führen konnte (RGZ 171, 205, 208).

Auf diesen Mängeln beruht das Berufungsurteil aber nicht. Generalversammlungsbeschlüsse über die Abberufung eines Vorstandsmitglieds und die fristlose Kündigung seines Dienstvertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Gewährung rechtlichen Gehörs. Die Mitglieder einer Genossenschaft haben allerdings im genossenschaftsinternen Ausschließungsverfahren auch ohne dahingehende Satzungsbestimmung Anspruch auf rechtliches Gehör (RG DR 1940, 2013; OGHZ 1, 370, 375). Das folgt aus den einschneidenden Wirkungen der Maßnahme für den betroffenen Genossen, den möglicherweise einander widersprechenden Belangen der einzelnen Genossen in wirtschaftlichen Fragen (RGZ 171, 205, 206) und aus der genossenschaftlichen Treupflicht, die nicht nur den Genossen gegenüber der Genossenschaft, sondern auch der Genossenschaft ihren Mitgliedern gegenüber obliegt. Bei dem hier angegriffenen Generalversammlungsbeschluß ging es aber nicht um die Mitgliedsstellung des Klägers zu 1, sondern um seine Amtsenthebung und fristlose Entlassung. Ein Vorstandsmitglied hat kein Recht auf den Fortbestand seiner Organstellung. Die Bestrafung eines Vereinsmitglieds oder Genossen und die Ausschließung aus einem Verein oder einer Genossenschaft erfordert die Anhörung des Betroffenen, um eine sachgerechte Entscheidung in dem dafür vorgesehenen vereinsgerichtlichen oder genossenschaftsinternen Verfahren zu ermöglichen. Bei der Abberufung eines Vorstandsmitglieds aus seinem Amt geht es nicht um eine Gerichtsentscheidung in einem internen Verfahren, sondern um eine einseitige Willensentschließung, die auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, nach dem Ermessen der Genossen vorgenommen werden kann. Hierfür sind nicht die für das vereinsgerichtliche oder das Ausschließungsverfahren maßgebenden Regeln einzuhalten und demzufolge der Betroffene auch nicht anzuhören. Auch die Wirksamkeit des Generalversammlungsbeschlusses, das Anstellungsverhältnis eines Vorstandsmitglieds fristlos zu kündigen, ist nicht von der Gewährung rechtlichen Gehörs abhängig.

Eine ganz andere Frage ist es, ob die gegenüber dem Kläger zu 1 ausgesprochene Kündigung vor Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist wirksam ist. Eine fristlose Kündigung setzt einen wichtigen Grund voraus. Das Verhältnis zwischen der Genossenschaft und ihren Vorstandsmitgliedern beruht auf gegenseitigem Vertrauen. Das zwischen ihnen bestehende Treuverhältnis verlangt sorgsame Prüfung. Daher gibt der bloße Verdacht einer pflichtwidrigen Handlung nicht ohne weiteres das Recht zur fristlosen Kündigung (RG JW 1930, 2701). Der wichtige Grund erfordert seinerseits eine umfassende Prüfung aller für die sofortige Auflösung des Dienstverhältnisses wesentlichen Umstände und eine sorgfältige Abwägung des Interesses des Kündigenden an der fristlosen Entlassung gegen das Interesse des anderen Teils an der Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses (BAG 2, 333, 336). Darum können es die lange Dauer des Anstellungsverhältnisses und der Umstand, daß das Vorstandsmitglied seine Pflicht stets erfüllt und wertvolle Dienste geleistet hat, der Genossenschaft zur Pflicht machen, die Entlassungsgründe dem Betroffenen im einzelnen darzulegen (vgl. das Senatsurteil v. 20.10.1954 – II ZR 280/53BGHZ 15, 71, 76/77) und es ihm zu überlassen, ob und inwieweit er hierzu Stellung nehmen will. Überhaupt unterliegt die fristlose Kündigung eines langjährigen Dienstverhältnisses von Vorstandsmitgliedern strengen Anforderungen (RG JW 1937, 2827; Senatsurteil vom 26.3.1956 – II ZR 57/55BGHZ 20, 239, 249). Aber das ist im wesentlichen auch bei Angestellten in sozial abhängiger Stellung nicht anders und rechtfertigt keinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Daß die Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft nur auf Grund Generalversammlungsbeschlusses ihres Amtes enthoben und fristlos entlassen werden können, rechtfertigt es nicht, ihnen im Unterschied zu allen anderen Angestellten einen Anspruch auf rechtliches Gehör zu geben.

Der Generalversammlungsbeschluß vom 12. Juni 1957 ist daher weder nichtig noch anfechtbar.

Die Klage ist darum zu Recht abgewiesen worden.

Deshalb war die Revision mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

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Schlagworte: Abberufung, Abberufung aus wichtigem Grund, Abberufung des Vorstandsmitglieds, Anfechtungsgründe, Außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages, Beschlussmängelklage, grundsätzlich freie Abberufbarkeit, Grundsätzlich keine Anhörung vor Kündigung, Kündigungsgrund, Mangelhafte Ankündigung des Beschlussgegenstandes