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BGH, Urteil vom 6. Dezember 2011 – II ZR 149/10

AktG §§ 9, 36a, 66, 183, 188

a) Der gesetzliche Differenzhaftungsanspruch besteht bei der Aktiengesellschaft auch, soweit der Wert der Sacheinlage zwar den geringsten Ausgabebetrag (§ 9 Abs. 1 AktG), aber nicht das Aufgeld (§ 9 Abs. 2 AktG) deckt.

Ein gesetzlicher Differenzhaftungsanspruch besteht auch, soweit der Wert der Sacheinlage zwar den geringsten Ausgabebetrag (§ 9 Abs. 1 AktG), aber nicht das Aufgeld (§ 9 Abs. 2 AktG) deckt (OLG Jena ZIP 2006, 1989, 1997; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 185 Rn. 70; MünchKommAktG/Pentz, 3. Aufl., § 27 Rn. 44; Arnold in KK-AktG, 3. Aufl., § 27 Rn. 74; Heidinger/Benz in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 27 Rn. 48; Bayer inK. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 27 Rn. 26; Veil in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 183 Rn. 8; MünchHdbGesR IV/Krieger, 3. Aufl., § 56 Rn. 49; Priester, FS Lutter, 2000, S. 617, 622; Loges/Zimmermann WM 2005, 349, 350; zur Gründung Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 27 Rn. 105; im Ergebnis ebenso – zwingende Kapitaldeckungszusage – Servatius in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 183 Rn. 73; aA – allenfalls aufgrund vertraglicher Wertdeckungsgarantie – Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 183 Rn. 21; Lutter in KK-AktG, 2. Aufl., § 183 Rn. 66; MünchKommAktG/Peifer, 3. Aufl., § 183 Rn. 72; Marsch-Barner in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 183 Rn. 31; Habersack, FS Konzen, 2006, S. 179, 183). Das Aufgeld ist bei der Aktiengesellschaft nach § 9 Abs. 2 AktG Teil des Ausgabebetrags und der mitgliedschaftlichen Leistungspflicht der Aktionäre nach § 54 Abs. 1 AktG, von der sie nach § 66 Abs. 1 AktG grundsätzlich nicht befreit werden können. Insoweit unterscheidet es sich vom Agio bei der GmbH, auf das sich der Differenzhaftungsanspruch nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nach herrschender Ansicht nicht erstreckt (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen – MoMiG, BT-Drucks. 16/6140 S. 36; MünchKommGmbHG/Märtens, § 9 Rn. 13; Scholz/Winter/Veil, GmbHG, 10. Aufl., § 9 Rn. 7). Eine bei einer Sacheinlage nur auf eine vertragliche Wertdeckungszusage gestützte Haftung, die – wie die Beklagten meint – zur Disposition in der Zeichnungserklärung oder im Einbringungsvertrag steht, wird dem Charakter der Wertdeckungsverpflichtung als mitgliedschaftliche Leistungspflicht nicht gerecht und steht im Widerspruch zur Verpflichtung zur Kapitalaufbringung bei der Bareinlage, die unstreitig auch das Aufgeld umfasst. Es wäre auch nicht nachvollziehbar, bei der verdeckten Sacheinlage der Geldeinlagepflicht, auf die der Wert der Sacheinlage angerechnet wird, den Ausgabebetrag zu Grunde zu legen (§ 27 Abs. 3, § 37 Abs. 1 Satz 1, § 36a Abs. 1 AktG), bei der offenen Sacheinlage aber nur für den geringsten Ausgabebetrag eine zwingende Wertdeckung vorzuschreiben.

b) Ein Vergleich über den Differenzhaftungsanspruch ist grundsätzlich zulässig und bedarf nicht der Zustimmung der Hauptversammlung.

c) Eine Aufrechnungsvereinbarung über unter § 66 Abs. 1 AktG fallende Ansprüche ist wirksam, wenn die Forderung des Aktionärs gegen die Gesellschaft vollwertig, fällig und liquide ist.

Für den Differenzhaftungsanspruch gilt das Befreiungs- und Aufrechnungsverbot des § 66 Abs. 1 AktG (Vatter in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 9 Rn. 20; Servatius in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 183 Rn. 81; Loges/Zimmermann, WM 2005, 349, 352). Mit dem Befreiungs- und Aufrechnungsverbot sollen Kapitalaufbringung und KapitalerhaltungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gesichert werden. Dem Schutz der vollständigen Kapitalaufbringung dient auch der Differenzhaftungsanspruch. Außerdem ordnet § 66 Abs. 2 AktG ausdrücklich die entsprechende Anwendung bei Leistungsstörungen an, die im Ergebnis ebenfalls auf der fehlenden Gleichwertigkeit einer Sacheinlage beruhen. Da sich der Differenzhaftungsanspruch auch auf die fehlende Wertdeckung für das Aufgeld erstreckt, gelten die Beschränkungen des § 66 Abs. 1 AktG auch insoweit.

Ein Vergleich über unter § 66 Abs. 1 AktG fallende Ansprüche ist trotz des dort enthaltenen Verbotes, die Aktionäre von ihren Leistungspflichten zu befreien, zulässig, wenn er wegen tatsächlicher oder rechtlicher Ungewissheit über den Bestand oder Umfang des Anspruchs geschlossen wird und sich dahinter nicht nur eine Befreiung in der Form eines Vergleichs versteckt (Gehrlein in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 66 Rn. 22; Fleischer in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 66 Rn. 6; Cahn in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 66 Rn. 16; Westermann in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 66 Rn. 4; Hölters/Solveen, AktG, § 66 Rn. 5; vgl. zur GmbH RGZ 79, 271, 274; BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 65/03, BGHZ 160, 127, 133; enger MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl., § 66 Rn. 23; Drygala in KK-AktG, 3. Aufl., § 66 Rn. 14; Hueck/Fastricht in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 19 Rn. 20; Ulmer/ Ulmer, GmbHG, § 19 Rn. 54).

Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine solche Verrechnungsvereinbarung wirksam ist, wenn die Forderung des Aktionärs gegen die Gesellschaft vollwertig, fällig und liquide ist. Da der Gesellschaft im Gegensatz zum Aktionär die Aufrechnung nach § 66 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht verboten ist, sind Aufrechnungsvereinbarungen zulässig, wenn die Gesellschaft ihrerseits die Aufrechnung erklären könnte (Gehrlein in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 66 Rn. 45; MünchKommAktG/Bayer, 3. Aufl., § 66 Rn. 53; Fleischer in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 66 Rn. 14). Um zu verhindern, dass gleichartige, aber nicht gleichwertige Forderungen zur Aufrechnung gestellt werden und so der Sache nach eine Teilbefreiung eintritt, kann die Gesellschaft die Aufrechnung nur erklären, wenn die Forderung des Aktionärs gegen die Gesellschaft vollwertig, fällig und liquide ist (vgl. RGZ 94, 61, 63; 134, 262, 268; Gehrlein in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 66 Rn. 35; MünchKommAktG/ Bayer, 3. Aufl., § 66 Rn. 38; zur GmbH BGH, Urteil vom 21. Februar 1994 – II ZR 60/93, BGHZ 125, 141, 143; einschränkend Cahn in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 66 Rn. 25). Die Vollwertigkeit ist entgegen dem Berufungsgericht nicht nach den subjektiven Vorstellungen der Parteien bei der Vereinbarung, sondern objektiv zu bestimmen (Gehrlein in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 66 AktG Rn. 38; Fleischer in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 66 Rn. 9).

 

Schlagworte: Aktienrecht, Aufrechnung durch die Gesellschaft, Aufrechnungsverbot, Bareinlagen, Differenzhaftungsanspruch, Einlagenrückgewähr, Gründungshaftung, Hauptversammlung, Hin- und Herzahlen, Kapitalerhaltung, Klage der GmbH gegen Gesellschafter auf Zahlung des Differenzbetrages bei Sacheinlage, Sacheinlagen, Tatbestand, Vergleich über die Einlageforderung