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BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – VIII ZR 185/00

§ 286 Abs 1 ZPO, § 17 InsO, § 64 GmbHG

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß eine Zahlungsunfähigkeit im Sinne der §§ 60, 63 GmbHG (in der bei Vertragsschluß am 13. Februar 1998 geltenden Fassung) voraussetzt, daß der Schuldner dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, einen wesentlichen Teil seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, und die Liquidität auch nicht durch die kurzfristige Aufnahme von Krediten wiederhergestellt werden kann (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 5. November 1957 – III ZR 139/55, WM 1957, 67 unter II und BGHZ 118, 171, 174; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 17. Aufl., § 64 Rdn. 5, Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 30 KO Anm. 5).

Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit überspannt und erheblichen klägerischen Vortrag hierzu unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt gelassen hat. Der Kläger hat bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 27. August 1998 eine Auflistung von 31 Forderungen im Gesamtumfang von 59.889,38 DM vorgelegt, die sämtlich am 13. Februar 1998 gegen die V. GmbH bestanden haben und fällig gewesen sein sollen. Für 29 dieser Forderungen hat der Kläger gleichzeitig Kopien von Rechnungen vorgelegt, die an die V. GmbH unter der Adresse des Fitness-Studios in D. gerichtet sind. Aus den in den Rechnungen beschriebenen Leistungen ergibt sich der Rechtsgrund der Forderungen; für die beiden übrigen Forderungen ist er aus der Forderungsbezeichnung in der Auflistung des Klägers erkennbar. Dieser Vortrag des Klägers, auf den er mit seiner Berufungsbegründung ausdrücklich Bezug genommen hat, genügt den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung offener Verbindlichkeiten, zumal die Beklagte die Entstehung der Forderungen im wesentlichen nicht bestritten hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Mai 2001 – IX ZR 188/98, WM 2001, 1225 = NJW-RR 2001, 1204 unter II. 3. a)-c) ).

Aus der Auflistung des Klägers in Verbindung mit den Rechnungen ergeben sich nach Abzug der nicht näher erläuterten Beträge für die Lohnsteuervoranmeldung und kleinerer Forderungen, die erst nach dem 13. Februar 1998 fällig wurden, Verbindlichkeiten der V. GmbH zum 13. Februar 1998 in Höhe von 51.472,56 DM. Diesen Verbindlichkeiten standen nach dem von der Revision in Bezug genommenen Klägervortrag als liquide Mittel der V. GmbH lediglich 2.235,90 DM Kassenbestand gegenüber, so daß die Verbindlichkeiten bei Vertragsschluß aus liquiden Mitteln der Gesellschaft nicht beglichen werden konnten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergab sich aus dem Vortrag des Klägers mit hinreichender Klarheit, daß es sich dabei nicht um eine bloß vorübergehende Zahlungsstockung handelte, die durch zu erwartende Einnahmen oder kurzfristige Kredite hätte beseitigt werden können. Nach den vom Kläger mit den bilanziellen Auswertungen der Buchhaltung zum 31. Dezember 1997 und zum 13. Februar 1998 vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen lagen die von der V. GmbH zwischen September 1997 und dem 13. Februar 1998 aus dem Betrieb des Fitness-Clubs erzielten Umsätze unterhalb der regelmäßigen Kosten, so daß die V. GmbH seit der Übernahme des Clubs mit diesem nur Verluste erzielt hatte. Es konnte danach auf absehbare Zeit nicht damit gerechnet werden, die Verbindlichkeiten mit erhöhten Einnahmen bezahlen zu können. Hinzu kommt, daß von den offenen Verbindlichkeiten ein Betrag von 16.646,88 DM auf seit November 1997 nicht mehr gezahlte Krankenkassenbeiträge entfiel. Rückstände bei Sozialversicherungsbeiträgen sind ein Indiz für eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende Zahlungsunfähigkeit (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 2001 – VIII ZR 32/00, WM 2001, 1118 unter II 3 c aa). Umstände dafür, daß die Zahlungsunfähigkeit durch eine kurzfristige Kreditaufnahme hätte behoben werden können, sind nicht vorgetragen. Die V. GmbH hätte die dafür erforderliche Sicherheit einem Kreditgeber nicht stellen können. Nach der vom Kläger vorgelegten und insoweit von der Beklagten auch nicht bestrittenen bilanziellen Auswertung verfügte die GmbH über ein Anlagevermögen von lediglich 18.000 DM.

Schlagworte: Darlegungs- und Beweislast, Erkennbarkeit der Insolvenzreife, GmbHG § 64 Satz 1, Innenhaftung, Insolvenzreife, Zahlungen nach Insolvenzreife, Zahlungsunfähigkeit