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BGH, Urteil vom 6. März 2012 – II ZR 56/10

GmbHG §§ 7, 8, 9c, 16

a) Unterbleibt die mit der Versicherung entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG und der Anmeldung etwaiger mit einer wirtschaftlichen Neugründung einhergehender Satzungsänderungen zu verbindende Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht, haften die Gesellschafter im Umfang einer Unterbilanz, die in dem Zeitpunkt besteht, zu dem die wirtschaftliche Neugründung entweder durch die Anmeldung der Satzungsänderungen oder durch die Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit erstmals nach außen in Erscheinung tritt (Klarstellung zu BGH, Beschlüsse vom 26. November 2007 – II ZA 14/06 Rn. 4 und II ZA 15/06 Rn. 4).

b) Bei fehlender Offenlegung einer wirtschaftlichen Neugründung tragen die unter dem Gesichtspunkt der Unterbilanzhaftung in Anspruch genommenen Gesellschafter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in dem Zeitpunkt, zu dem die wirtschaftliche Neugründung nach außen in Erscheinung getreten ist, keine Differenz zwischen dem (statutarischen) Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens bestanden hat.

c) Die Verpflichtung des Gesellschafters, eine zum Zeitpunkt einer wirtschaftlichen Neugründung bestehende Unterbilanz auszugleichen, ist eine auf den Geschäftsanteil rückständige Leistung, für die der Erwerber des Geschäftsanteils haftet.

d) Als wirtschaftliche Neugründung ist es anzusehen, wenn eine durch Eintragung in das HandelsregisterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Eintragung
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Handelsregister
als juristische Person (§ 11 Abs. 1, § 13 Abs. 1 GmbHG) bereits entstandene GmbH als unternehmensloser Rechtsträger besteht und sodann mit einem Unternehmen ausgestattet wird. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob eine bewusst für eine spätere Verwendung „auf Vorrat“ gegründete Gesellschaft mit einem Unternehmen ausgestattet wird und erstmals ihren Geschäftsbetrieb aufnimmt (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2002 II ZB 12/02, BGHZ 153, 158, 161 f.; vgl. auch BGH, Be-schluss vom 16. März 1992 II ZB 17/91, BGHZ 117, 323, 331 f. für die AG) oder ob der „alte Mantel“ einer im Rahmen ihres früheren Unternehmensgegenstands tätig gewesenen, dann aber unternehmenslos gewordenen GmbH wiederverwendet wird (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2003 II ZB 4/02, BGHZ 155, 318, 322). Auf die wirtschaftliche Neugründung sind die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften des GmbH-Gesetzes einschließlich der registergerichtlichen Kontrolle entsprechend anzuwenden (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2002 II ZB 12/02, BGHZ 153, 158, 161; Beschluss vom 7. Juni 2003 II ZB 4/02, BGHZ 155, 318, 321).

e) Die unterlassene Offenlegung ist wegen des strafrechtlichen Analogieverbots nicht nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG strafbewehrt (vgl. Bachmann, NZG 2011, 441, 444; Heidinger/Meyding, NZG 2003, 1129, 1132; Heinze, GmbHR 2011, 962, 967; Krafka, ZGR 2003, 577, 584; Thaeter, DB 2003, 2112, 2113; Michalski, GmbHG, 2. Aufl., § 3 Rn. 28; MünchKommGmbHG/Wicke, § 3 Rn. 38; aA Schall, NZG 2011, 656, 657).

f) Der in der Jahresbilanz zu aktivierende Anspruch aus Unterbilanzhaftung geht – gleichgültig, ob diese bilanztechnische Aktivierung stattgefunden hat oder nicht – ebenso wenig wie der echte Einlageanspruch oder der Erstattungsanspruch nach § 31 GmbHG automatisch „durch Zweckerreichung“ unter, wenn die Gesellschaft nach dem Stichtag aus anderen Gründen über ein die Stammkapitalziffer deckendes Vermögen verfügt (BGH, Urteil vom 16. Januar 2006 II ZR 65/04, BGHZ 165, 391, 400 f.). So dient der Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG der Wiederaufbringung des durch die verbotene Auszahlung verletzten Stammkapitals der Gesellschaft und ist deshalb funktional mit dem Einlageanspruch der Gesellschaft zu vergleichen, für dessen Bestand es wegen des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung keine Rolle spielt, ob das Stammkapital der Gesellschaft möglicherweise bereits auf andere Weise gedeckt ist (BGH, Urteil vom 29. Mai 2000 II ZR 118/98, BGHZ 144, 336, 340 f.; Urteil vom 18. Juni 2007 II ZR 86/06, BGHZ 173, 1 Rn. 16).

g) Nach dem insoweit entsprechend geltenden Grundsatz der realen Kapitalaufbringung ist damit auch bei der Unterbilanzhaftung nicht anders bei der für Sacheinlagen geltenden Differenzhaftung (§ 9 GmbHG) ein automatisches Erlöschen des Anspruchs durch faktische Zweckerreichung infolge einer anderweitigen Auffüllung des Haftungsfonds ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 16. Januar 2006 II ZR 65/04, BGHZ 165, 391, 401).

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