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BGH, Urteil vom 7. Dezember 2009 – II ZR 15/08

KWG §§ 1, 32; BGB §§ 276, 823; BörsG § 46

a) Eine Kommanditgesellschaft, die die eingeworbenen Mittel ihrer Treugeberkommanditisten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung in Finanzinstrumenten anlegt, betreibt weder ein nach § 32 KWG erlaubnispflichtiges Finanzkommmissionsgeschäft noch ein Investmentgeschäft (Anschluss an BVerwG, 27. Februar 2008, 6 C 11/07, BVerwGE 130, 262; BVerwG, 8. Juli 2009, 8 C 4/09, ZIP 2009, 1899).

b) Finanzkommissionsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG ist der Handel mit Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung, bei dem die typischen Merkmale eines Kommissionsgeschäfts nach §§ 383 ff. HGB gewahrt sind, ohne dass alle diese Merkmale vorliegen müssen (BVerwGE 130, 262 Tz. 23 ff., 36 ff.; BVerwG, ZIP 2009, 1899 Tz. 28 ff.). Dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf fremde Rechnung gehandelt wird, genügt nicht (BVerwGE 130, 262 Tz. 43 ff.; BVerwG, ZIP 2009, 1899 Tz. 28). § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG bietet keinen allgemeinen Auffangtatbestand für Anlagemodelle, bei denen im Drittinteresse mit Finanzinstrumenten gehandelt wird, und erfasst die Vermögensverwaltung durch die Anlage von Investorengeldern in Finanzinstrumenten nicht (BVerwGE 130, 262 Tz. 47). Das wird durch § 1 Abs. 1 a Satz 2 Nr. 11 KWG i.d.F. von Artikel 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts vom 20. März 2009 (BGBl. I S. 607) bestätigt, der einen besonderen erlaubnispflichtigen Tatbestand der Anlageverwaltung schafft (BVerwG, ZIP 2009, 1899 Tz. 28). Zwischen einem Finanzkommissionsgeschäft und einer Beteiligung an einer Anlagegesellschaft ist auch zu unterscheiden, wenn die Beteiligung über einen Treuhandvertrag vermittelt ist, weil sich insoweit der Charakter der Tätigkeit durch die Einschaltung eines Treuhänders nicht ändert.

c) Zielt der Geschäftsbetrieb zwar auf den Erwerb, das Halten und die Veräußerung von Wertpapieren und Fondsanteilen und damit auf die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG ab, werden die Finanzinstrumente aber nicht auf eigene Rechnung erworben und veräußert, liegt kein Kommissionsgeschäfte entsprechend §§ 383 ff. HGB vor.

d) Der Begriff des Investmentgeschäfts nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG in der Fassung des Investmentmodernisierungsgesetzes vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2676) entsprach dem des § 7 Abs. 2 InvG. § 7 Abs. 2 InvG umschrieb Investmentgeschäfte als Geschäfte von Kapitalanlagegesellschaften. Das waren nach § 6 Abs. 1 Satz 2 InvG Gesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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. Entsprechend bezog sich auch § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG – dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprechend (BT-Drucks. 15/1553, S. 74) – nur auf Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (vgl. BVerwGE 130, 262 Tz. 57), nicht aber auf Personenhandelsgesellschaften.

e) Wenn die Gesellschaft die Anlagegelder in erster Linie für den Aufbau eines dritten Unternehmens verwendet, müssen im Emissionsprospekt das Geschäftsmodell dieses Unternehmens, seine Chancen und Risiken zutreffend dargestellt werden. Ein Emissionsprospekt hat dem Anleger ein zutreffendes Bild von der angebotenen Kapitalbeteiligung zu vermitteln. Dazu gehört, dass sämtliche Umstände, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind oder sein können, zutreffend, verständlich und vollständig dargestellt werden (Senat, BGHZ 123, 106, 109 f.; Sen.Urt. v.3. Dezember 2007 – II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Tz. 7; v. 19. Juli 2004 – II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707; v. 1. März 2004 – II ZR 88/02, ZIP 2004, 1104, 1106).

f) Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn wegen fehlerhafter Angaben in Prospekten, die seit dem Inkrafttreten des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes am 1. Juli 2002 veröffentlicht wurden, verjähren in entsprechender Anwendung von § 46 BörsG in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, in dem der Gesellschafter von dem Prospektfehler Kenntnis erlangt, spätestens drei Jahre nach dem Abschluss des Gesellschafts- oder Beitrittsvertrages (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG München
, Urt. v. 23. Mai 2007 – 20 U 5471/06, juris, Tz. 20;Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts 3. Aufl. § 6 Rdn. 211; Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze 2. Aufl. § 46 BörsG Rdn. 9; Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt 2. Aufl. Rdn. 811 a.E.; offen Groß, Kapitalmarktrecht 4. Aufl. § 47 BörsG Rdn. 8; a.A. Röhricht/Graf v. Westphalen/v. Gerkan/Haas, HGB 3. Aufl. § 161 Rdn. 169). Die kurze kenntnisabhängige Verjährungsfrist für die Prospekthaftung im engeren SinnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Prospekthaftung
Prospekthaftung im engeren Sinn
hat der Senat in analoger Anwendung der in den gesetzlich geregelten Fällen der Prospekthaftung bestimmten Verjährungsfrist – u.a. § 47 BörsG a.F. – entnommen (vgl. Senat, BGHZ 177, 25 Tz. 23; 123, 106, 117 f.; 83, 222, 224 ff.; Sen.Urt. v. 3. Dezember 2007 aaO Tz. 29; v. 7. Juli 2003 – II ZR 18/01, ZIP 2003, 1536, 1537;v. 18. Dezember 2000 – II ZR 84/99, ZIP 2001, 369). Die Gesichtspunkte, die den Gesetzgeber des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist veranlassten (BT-Drucks. 14/8017, S. 81), treffen auch auf die Prospekthaftung im engeren Sinne zu (Assmann/Schütze aaO). Der Gesetzgeber hielt angesichts der Komplexität zahlreicher Sachverhalte eine Frist von sechs Monaten nicht für ausreichend, um die zur Vorbereitung eines Haftungsanspruchs erforderlichen Recherchen durchzuführen.

g) Neben den Initiatoren, Gründern und Gestaltern der Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen (Senat, BGHZ 177, 25 Tz. 12; 123, 106, 109 f.; 83, 222, 223 f.; 79, 337, 340 ff.; 72, 382, 387; 71, 284, 287 ff.; BGHZ 115, 213, 217 f.), haften auch die Personen, die hinter der Gesellschaft stehen, auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Modells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen (Senat, BGHZ 79, 337, 340/348; BGHZ 158, 110, 115; 115, 213, 217 f.; BGH, Urt. v. 14. Juni 2007 – III ZR 185/05, NJW-RR 2007, 1479 Tz. 11; v. 27. Januar 2004 – XI ZR 37/03, ZIP 2004, 606, 609; v. 1. Dezember 1994 – III ZR 93/93, WM 1995, 344, 345). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Hintermänner nach außen in Erscheinung getreten sind (Senat, BGHZ 79, 337, 340; 72, 382, 387; BGH, Urt. v. 14. Juni 2007 aaO).

Schlagworte: Anlageberatung und Prospekthaftung, Außenhaftung, Haftung aus Inanspruchnahme typisierten Vertrauens, Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss, Prospekthaftung im engeren Sinn, Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinn, Publikumsgesellschaft, Publikumspersonengesellschaft