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BGH, Urteil vom 8. März 2012 – IX ZR 51/11

BGB §§ 138, 164, 779

a) Beim Missbrauch der VertretungsmachtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Missbrauch der Vertretungsmacht
Vertretungsmacht
sind drei Fallgruppen zu unterscheiden, nämlich ein kollusives Zusammenwirken von Vertreter und Vertragspartner zum Nachteil des VertretenenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Nachteil
zum Nachteil des Vertretenen
, ein von dem Vertragspartner erkannter Missbrauch der VertretungsmachtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Missbrauch der Vertretungsmacht
Vertretungsmacht
und schließlich ein von dem Vertragspartner schuldhaft nicht erkannter evidenter Missbrauch der VertretungsmachtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Missbrauch der Vertretungsmacht
Vertretungsmacht
(vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 164 Rn. 13 f).

b) Gegenseitige Verträge können – auch zwischen Kaufleuten – als wucherähnliche Rechtsgeschäfte nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und daher nichtig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und eine verwerfliche Gesinnung des begünstigten Teils hervorgetreten ist, insbesondere wenn dieser die wirtschaftlich schwächere Lage des anderen Teils, dessen Unterlegenheit, bei der Festlegung der Vertragsbedingungen bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere Teil nur aufgrund seiner schwächeren Lage auf die ihn beschwerenden Bedingungen eingelassen hat (BGH, Urteil vom 11. Januar 1995 – VIII ZR 82/94, BGHZ 128, 255, 257 f m. w. N).

c) Ein besonders auffälliges, grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht jedenfalls dann, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH, Urteil vom 28. April 1999 – XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257, 262; vom 19. Januar 2001 – V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 302; vom 14. Juli 2004 – XII ZR 352/00, NJW 2004, 3553, 3554 f m. w. N). Kann ein solches Missverhältnis festgestellt werden, gestattet dies den tatsächlichen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363 Rn. 12).

d) Zwar bedarf es neben der Feststellung des groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung eines Vortrags zu einer verwerflichen Gesinnung (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363 Rn. 11). An den Vortrag der benachteiligten Partei sind jedoch keine hohen Anforderungen zu stellen. Diese muss die verwerfliche Gesinnung der anderen Vertragspartei nicht ausdrücklich behaupten; es genügt, wenn aus dem Kontext mit dem Vortrag zu einem groben objektiven Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ersichtlich ist, dass die davon benachteiligte Vertragspartei sich auf die daraus begründete Vermutung einer verwerflichen Gesinnung der anderen Vertragspartei beruft (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363 Rn. 19). Demnach kann es ausreichend sein, wenn die benachteiligte Partei vorträgt, dass es dem Initiator des Vertrags darum ging, erhebliche Mittel aus dem Vermögen der benachteiligten Partei auf den Initiator überzuleiten.

e) Wird im Wege der Umschaffung eine neue abstrakte Schuld im Sinne der §§ 780, 781 BGB begründet (abstrakte Schuldumschaffung), kann diese bei Nichtbestehen der alten Schuld nach § 812 BGB kondiziert werden (BGH, Urteil vom 25. September 1958 – VII ZR 85/57, BGHZ 28, 164, 166 f; Beschluss vom 8. November 1978 – IV ARZ 73/78, NJW 1979, 426, 427).

f) Eine kausale Umschaffung geht ins Leere, wenn die alte Schuld infolge eines Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB nicht bestand (BGH, Urteil vom 25. September 1958, aaO S. 167 f; vom 14. Januar 1972 – V ZR 164/69, WM 1972, 384, 386; Beschluss vom 8. November 1978, aaO; MünchKomm-BGB/Berger, aaO, § 488 Rn. 22).

g) Ein Vergleich wirkt regelmäßig nicht schuldumschaffend (BGH, Urteil vom 7. März 2002 – III ZR 73/01, NJW 2002, 1503 m. w. N; vom 24. Juni 2003 – IX ZR 228/02, NJW 2003, 3345, 3346, insoweit in BGHZ 155, 199 nicht abgedruckt). Folglich ändert der Vergleich das ursprüngliche Schuldverhältnis nur insoweit, als in ihm streitige oder ungewisse Punkte geregelt werden. Im Übrigen bleibt das ursprüngliche Rechtsverhältnis nach Inhalt und Rechtsnatur unverändert fortbestehen (BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 – XII ZR 52/08, NJW 2010, 2652 Rn. 15).

h) Wird ein Vergleich abgeschlossen, um die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegen-seitiges Nachgeben zu beseitigen, so lässt dies vermuten, dass die vereinbarte Regelung die gegenseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt hat. Inner-halb der von objektiver Ungewissheit gekennzeichneten Vergleichslage haben die Parteien für ihr gegenseitiges Nachgeben einen Ermessens- und Bewertungsspielraum (BGH, Urteil vom 9. November 2006 – IX ZR 285/03, WM 2007, 708 Rn. 16). Wird die ernstliche Ungewissheit darüber, was der Gesetzeslage entspricht, durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt, ist die Vermutung gerechtfertigt, dass das gegenseitige Nachgeben der Beteiligten in der ungewissen Sach- und Rechtslage begründet ist und demzufolge eine unentgeltliche Leistung ausschließt. Auf eine rechnerische Gegenüberstellung des beiderseitigen Nachgebens gegenüber der jeweiligen Ausgangsposition kommt es in diesem Rahmen nicht an (BGH, aaO Rn. 17). Das vergleichsweise Nachgeben eines Teils kann danach erst dann als unentgeltliche Leistung gewertet werden, wenn der Vergleichsinhalt den Bereich verlässt, der bei objektiver Beurteilung ernstlich zweifelhaft sein kann (BGH, aaO Rn. 17 f).

Schlagworte: Vergleich, Vertretungsbefugnis