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BGH, Versäumnisurteil vom 23. Oktober 2013 – VIII ZR 423/12

HGB § 25

a) Der in § 25 HGB geregelte Schuldbeitritt beruht nicht auf vertraglicher Vereinbarung, sondern tritt bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen nachträglich kraft Gesetzes ein (vgl. BGH, Urteile vom 8. Mai 1989 – II ZR 237/88, WM 1989, 1219 unter 3 b; vom 5. März 1974 – VI ZR 240/73, WM 1974, 395, 396; vom 26. November 1964 – VII ZR 75/63, BGHZ 42, 381, 384; RGZ 135, 104, 107 f.). Als Folge dieser Mithaftung treffen die in dem fortgeführten Unternehmen begründeten Verbindlichkeiten den Erwerber in dem Zustand, in dem sie sich bei Geschäftsfortführung befinden. Die Gläubiger erhalten also nur einen neuen Schuldner, wobei die Schuld des Erwerbers grundsätzlich den gleichen Inhalt und die gleiche Beschaffenheit hat wie die Schuld des bisherigen Inhabers. Dementsprechend laufen auch die (begonnenen) Verjährungsfristen für den Erwerber in gleicher Weise weiter wie für den originären Schuldner (RGZ 135, 104, 107 f.; Staub/Burgard, HGB, 5. Aufl., § 25 Rn. 83; Heymann/Emmerich, HGB, 2. Aufl., § 25 Rn. 31).

b) 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, wonach derjenige, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers haftet, greift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber in seinem wesentlichen Bestand unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird. Das setzt voraus, dass neben einer (Weiter-)Verwendung zumindest von prägenden Bestandteilen der bisherigen Firma auch der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden und auf diese Weise dem Verkehr eine nach außen in Erscheinung tretende Unternehmenskontinuität vermittelt wird, die den tragenden Grund für die Erstreckung der Haftung auf den Erwerber bildet (BGH, Urteile vom 28. November 2005 – II ZR 355/03, WM 2006, 434 unter 1 a; vom 24. September 2008 – VIII ZR 192/06, WM 2008, 2273 Rn. 12 f., 19; vom 5. Juli 2012 – III ZR 116/11, WM 2012, 1482 Rn. 18; jeweils mwN). Ob dieser in den Augen des Verkehrs auf eine ungebrochene Kontinuität des bisherigen Unternehmens hindeutenden Fortführung ein rechtsgeschäftlicher, derivativer Erwerbsvorgang zugrunde liegt, ist dabei unmaßgeblich; ausreichend für ein Eingreifen der Fortführungshaftung ist vielmehr bereits die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung unabhängig davon, ob zwischen dem alten und dem neuen Inhaber zum Zwecke der Fortführung des Unternehmens bestimmte Abreden getroffen sind oder ob die zu prüfende Fortführung lediglich tatsächlich erfolgt ist (BGH, Urteile vom 10. Oktober 1985 – IX ZR 153/84, WM 1985, 1475 unter a; vom 28. November 2005 – II ZR 355/03, aaO; vom 24. September 2008 – VIII ZR 192/06, aaO Rn.13; jeweils mwN).

c) 25 Abs. 1 Satz 1 HGB mit der darin angeordneten Fortführungshaftung ist bei Unternehmensveräußerungen durch den Insolvenzverwalter einschränkend auszulegen und kann keine Anwendung finden, wenn der Insolvenzverwalter aus der Insolvenz heraus ein zur Masse gehörendes Unternehmen ganz oder in seinem wesentlichen Kern durch Veräußerung an einen Dritten verwertet. Denn in solch einem Fall geriete eine Fortsetzungshaftung in einen unauflöslichen Widerspruch zu der dem Insolvenzverwalter durch das Insolvenzrecht zugewiesenen und bei Eingreifen einer Fortführungshaftung zumindest erschwerten Aufgabe, ein sanierungsfähiges Unternehmen nach Möglichkeit nicht zu zerschlagen, sondern es im Interesse der Gläubiger an einer schnellst- und bestmöglichen Verwertung der Masse etwa im Ganzen zu veräußern (BGH, Urteile vom 11. April 1988 – II ZR 313/87, BGHZ 104, 151, 153 f. mwN; vom 4. November 1991 – II ZR 85/91, WM 1992, 55 unter II 2; vom 24. September 2008 – VIII ZR 192/06, aaO Rn. 22; Beschluss vom 9. November 2006 – IX ZA 27/06, juris Rn. 1; BAG, NJW 2007, 942). Zudem käme es in diesem Fall bei einer Fortsetzungshaftung auch zu einer systemwidrigen Bevorzugung einzelner hierdurch begünstigter Insolvenzgläubiger unter Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger, die sich angesichts einer dadurch zu erwartenden Erlösschmälerung mit einer geringeren Verteilungsmasse zu begnügen hätten (BAG, aaO S. 942 f. mwN).

d) Die durch diese Besonderheiten des Insolvenzverfahrens bedingten Gesichtspunkte treffen aber auf die Fortführung eines überschuldeten Unternehmens außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist deshalb die Anwendbarkeit von 25 Abs. 1 HGB nicht ausgeschlossen, wenn ein Handelsunternehmen von einem Sequester (§ 105 KO) oder einem vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO) erworben wird, ohne dass sich daran die Eröffnung eines Konkurs- oder Insolvenzverfahrens anschließt (BGH, Urteil vom 11. April 1988 – II ZR 313/87, aaO). Gleiches gilt in Fällen, in denen der Unternehmenserwerb einem mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse nicht eröffneten Konkurs- oder Insolvenzverfahren nachfolgt (BGH, Urteil vom 4. November 1991 – II ZR 85/91, aaO) oder in denen schon vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens das Unternehmen des späteren Schuldners von einem Dritten in seinem wesentlichen Bestand unverändert fortgeführt wird (BGH, Urteile vom 28. November 2005 – II ZR 355/03, aaO unter 2; vom 24. September 2008 – VIII ZR 192/06, aaO).

e) 25 HGB ist auch dann anwendbar, wenn ein in Insolvenz befindliches Unternehmen von einem Dritten außerhalb des Insolvenzverfahrens lediglich tatsächlich fortgeführt wird, ohne dass diese Fortführung vom Insolvenzverwalter abgeleitet ist. Weder kollidiert in solch einem Fall eine Fortführungshaftung des Erwerbers mit den aus § 159 InsO folgenden Verwertungspflichten des Insolvenzverwalters noch folgt aus der lediglich tatsächlichen Unternehmensfortführung die beschriebene Gefahr einer ungleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger. Ein quasi stichtagsbezogener Ausschluss jeglicher Fortführungshaftung nach Insolvenzeröffnung findet in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Rechtfertigung einer einschränkenden Auslegung des § 25 HGB keine Stütze.

 

Schlagworte: Erwerberhaftung, Firma, Firmenfortführung, Haftung Firmenfortführung, HGB § 25, Insolvenzverfahren, Insolvenzverwalter, Schuldbeitritt