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FG Bremen, Urteil vom 07.07.2005 – 1 K 429/02

§ 5 AO 1977, § 34 AO 1977, § 69 AO 1977, § 191 Abs 1 AO 1977

1. Der Geschäftsführer einer Gesellschaft kann nach § 69 AO i. V. m. § 34 AO wegen nicht abgeführter Steuern der Gesellschaft durch Haftungsbescheid gem. § 191 AO in Anspruch genommen werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm auferlegten steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft nicht erfüllt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1976 I R 116/74, BFHE 121, 5, BStBl. II 1977, 257 m.w.N.). Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH ergibt sich allein aus seiner nominellen Bestellung zum GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Bestellung zum Geschäftsführer
Geschäftsführer
ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt werden kann (u.a. BFH-Beschluss vom 13. Februar 1996 VII B 245/95, BFH/NV 1996, 657 m.w.N.). Diese Pflichten, die dem Geschäftsführer als gesetzlichen Vertreter einer GmbH durch § 34 AO auferlegt werden, können nicht durch privatrechtliche Vereinbarungen abbedungen oder beschränkt werden (BFH-Urteil vom 23. Juni 1998 VII R 4/98, BFHE 186, 132, BStBl. II 1998, 761). Entsprechend kann sich ein GmbH-Geschäftsführer auch nicht damit entlasten, dass er von der Führung der Geschäfte ferngehalten wurde und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Duldet der Geschäftsführer einer GmbH die tatsächliche Geschäftsführung durch einen anderen, hat er durch geeignete Aufsichtsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass dieser die steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt, da die Verantwortlichkeit gegenüber dem Finanzamt beim Geschäftsführer verbleibt (vgl. Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 21. Januar 2004, Az. 7 K 1712/99, juris Nr.      STRE2004470440,      m.w.N. entspr. BFH-Entscheidungen).

2. Bei nicht abgeführter einbehaltener Lohnsteuer ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, die Frage des Verschuldens streng zu beurteilen. Der Grund dafür liegt im System des Verfahrens des Lohnsteuerabzugs begründet. Die abzuführende Steuer ist ein bei der Lohnzahlung zurückbehaltener Teil des Lohnes der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber zieht die Lohnsteuer vom Arbeitnehmer, der gem. § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der Lohnsteuer ist, gewissermaßen nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuerfiskus ein. Die einbehaltenen Lohnsteuerbeträge sind für den Arbeitgeber wirtschaftlich fremde Gelder. Er darf sie daher nicht sach- und zweckwidrig selbst verwenden. Die Nichtabführung der Lohnsteuer verletzt daher im allgemeinen ohne weiteres die Pflicht der den Arbeitgeber vertretenden Person, dafür zu sorgen, dass die Steuer aus den von ihr verwalteten Mitteln des Arbeitgebers entrichtet wird. Die Verletzung dieser Verpflichtung ist regelmäßig schuldhaft, denn die ordnungsgemäße Beachtung der gesetzlichen Vorschriften muss von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebes verlangt werden (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl. II 1982, 521 m.w.N.). Vertraut der Geschäftsführer auf erteilte Ratschläge anderer Organe des Unternehmens und handelt er danach, so schließt dies sein Verschulden im Zusammenhang mit der nicht fristgerechten Abführung der Steuerabzugsbeträge nicht aus, denn bei der  Verpflichtung zur Abführung der Lohnsteuer handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht des den Arbeitgeber vertretenden Geschäftsführers, die sich privatrechtlichen Vereinbarungen und auch den Dispositionen und Ratschlägen anderer Organe des Unternehmens entzieht (vgl. BFH-Urteil vom 21. Mai 1985 VII R 100/82, BFH/NV 1986, 126 m.w.N.).

3. Der Geschäftsführer einer GmbH begeht keine schuldhafte Pflichtverletzung allein dadurch, dass er sich mit seiner GmbH auf Weisung von deren Muttergesellschaft einem als automatisches Cash-Management System (ACMS) geführten konzerninternen Finanzierungsverbund anschließt mit der Folge, dass die Gesellschaft über keine eigenen liquiden Mittel mehr verfügen und ihren gesamten Zahlungsverkehr nur noch über den Verbund abwickeln kann.

4. Der Beitritt zu dem Finanzierungsverbund entbindet den Geschäftsführer nicht von seiner Verantwortlichkeit für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft. Im Gegenteil obliegen ihm auf Grund der eingegangenen vertraglichen Bindungen zusätzlich diverse Überwachungspflichten. Muss dem Geschäftsführer klar sein, dass er diese Überwachungspflichten mangels eigener Fähigkeit zur Überwachung nicht erfüllen kann, so handelt er grob fahrlässig pflichtwidrig, wenn er seine Tätigkeit als Geschäftsführer dennoch fortsetzt.

5. Der Geschäftsführer, der dem Finanzierungsverbund durch den Beitritt unbeschränkten Zugriff auf die liquiden Mittel seiner GmbH eingeräumt hat, muss sich schuldhaftes Handeln der für den Finanzierungsverbund handelnden Personen wie eigenes Verschulden bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Gesellschaft zurechnen lassen.

6. Die Entscheidung des Finanzamts, den GmbH-Geschäftsführer zur Lohnsteuerhaftung heranzuziehen, ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn eine Realisierung der Steueransprüche bei der GmbH als Arbeitgeberin (hier wegen des Antrags auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens und des Anschlusskonkursverfahrens) nicht in Betracht kommt.

Schlagworte: Cash Pooling, Haftung für Steuerschulden, Lohnsteuer, Pflichtverletzung und Kausalität, Verschulden