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FG Münster, Urteil vom 23.02.2012 – 9 K 3556/10 K, G

KStG §§ 14, 17; EStG § 15; GewStG; AktG § 291, 302

1. Verpflichtet sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Aktien
Kommanditgesellschaft
Kommanditgesellschaft auf Aktien
mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft, soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt, dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen, wenn die Voraussetzungen von § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG erfüllt sind. Nach § 17 KStG gilt das entsprechend, wenn eine andere Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland sich wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn im Sinne des § 14 KStG abzuführen.

2. Sind die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 KStG erfüllt, so wird das von der Organgesellschaft erwirtschaftete Einkommen zwar bei dieser selbst ermittelt, jedoch steuerlich beim Organträger im Rahmen der diesem gegenüber vorzunehmenden Steuerveranlagung erfasst. Soweit die Organgesellschaft selbst über kein weiteres, nicht an den Organträger abzuführendes Einkommen verfügt, wird die Körperschaftsteuer ihr gegenüber auf Null festgesetzt (BFH-Urteil vom 28.01.2004 I R 84/03, BFHE 205, 1, BStBl II 2004, 539).

3. In gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht gelten nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG Organgesellschaften im Sinne der §§ 14, 17 oder 18 KStG als Betriebsstätten des anderen Unternehmens.

4. Trotz dieser Fiktion bilden die Organgesellschaften und der Organträger kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie, BFH-Urteile vom 28.01.2004, I R 84/03, BFHE 205, 1, BStBl II 2004, 539 und vom 22.04.1998 I R 109/97, BFHE 186, 443, BStBl II 1998, 748 m.w.N.). Die Organschaft führt jedoch dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet wird. Abweichend von der körperschaftsteuerlichen Organschaft ist der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag für die zum Organkreis gehörenden Gewerbebetriebe – das sind die Gewerbebetriebe des Organträgers und der Organgesellschaft(en) – deshalb allein gegenüber dem Organträger festzusetzen (BFH a.a.O.).

5. Voraussetzung für die Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG ist die ausdrückliche Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG. Durch das Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3214) ist § 302 AktG durch einen neuen Absatz 4 um eine Verjährungsregelung ergänzt worden. Für vor dem 1.1.2006 abgeschlossene und ins Handelsregister eingetragene Gewinnabführungsverträge ist es nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 16.12.2005, BStBl I 2006, 12) nicht zu beanstanden, dass der Vertrag nur auf die bisherigen Absätze des § 302 AktG allgemein verweist, und nicht explizit auf § 302 Abs. 4 AktG.

6. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG muss der Organträger eine unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person oder eine nicht steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des § 1 mit Geschäftsleitung im Inland sein. Organträger kann auch eine Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit Geschäftsleitung im Inland sein, wenn sie eine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübt.

7. Eine Personengesellschaft, die nicht während des gesamten Wirtschaftsjahres gewerbliche Einkünfte i.S.v. § 15 EStG erzielt hat, kann nicht Organträgerin sein. Nach Sinn und Zweck ist vielmehr zu fordern, dass die originär gewerbliche Tätigkeit des Organträgers vom Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft an erfüllt sein muss (ebenso im Ergebnis: Neumann in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, Rz. 79; Lademann/Lohmar, § 14 KStG Rz. 90, § 14 Rz. 79; Mössner/Seeger, KStG, § 14 Rz. 77; Müller/Stöcker, Die Organschaft, 8. Aufl. 2011, Rz. 321; Blumers/Goerg, DStR 2005, 397, 402; Haase, DB 2004, 1580, 1583; Füger, BB 2003, 1755; Stollenwerk, GmbH-StB 2003, 199; BMF-Schreiben 10.11.2005, BStBl I 2005, 1038, Tz. 21); eine unterjährige Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit ist nicht ausreichend (a. A. im Umkehrschlusses zu § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG: Sterner in Hermann/Heuer/Raupach, § 14 KStG Rz. 164; Walter in Ernst & Young, § 14 KStG Rz. 235; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, GewStG, UmwStG § 14 KStG Rz 135 und 85; Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 14 Rz. 71, 99; Erle/Heurung in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl. 2010, § 14 Rn. 65; Löwenstein/Maier/Lohrmann, DStR, Beihefter 4/2003, 1, 11; Orth, WPg-Sonderheft 2006, 46; wohl auch Gosch, Festschrift für Raupach, 2006, 461, 464).

8. Zweck der Neuregelung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KStG war es, eine Umqualifizierung des Organeinkommens zu verhindern (vgl. auch BT-Drs. 15/119, Begründung zu § 14 Abs. 1 Nr. 2). Die Einkünfte der Organgesellschaft, die immer eine Kapitalgesellschaft sein muss und daher nach § 8 Abs. 2 KStG, § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG nur gewerbliche Einkünfte haben kann, sollen durch die Organschaft nicht in eine andere Einkunftsart umqualifiziert werden. Dies erfordert es, dass im Veranlagungszeitraum des Organträgers, bei dem eine Zurechnung des Organeinkommens erfolgt, gewerbliche Einkünfte vorliegen. Bei einer nur unterjährigen gewerblichen Tätigkeit der Personengesellschaft ist der Gesetzeszweck, dass die Einkünfte der Organgesellschaft zu den gewerblichen Einkünften der Personengesellschaft gehören und der Gewerbesteuer unterliegen, aber gerade nicht sichergestellt, denn bei einer nur unterjährigen originär gewerblichen Tätigkeit der Personengesellschaft infizieren diese gewerblichen Einkünfte gerade nicht zwingend ihre übrigen Einkünfte des ganzen Wirtschaftjahres mit der Folge, dass ihre Gewerbesteuerpflicht nicht (zwingend) ganzjährig besteht, sondern erst beginnt, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllt sind und der Gewerbebetrieb tatsächlich in Gang gesetzt worden ist. Dazu gehört bei § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, dass neben der nicht gewerblichen Tätigkeit eine gewerbliche Tätigkeit tatsächlich aufgenommen wird. Solange eine Personengesellschaft z.B. nur freiberufliche Tätigkeiten oder eine Vermögensverwaltung ausübt, ist sie daher nicht gewerbesteuerpflichtig (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.12.2000 XI R 8/00, BFHE 194, 206, BStBl II 2002, 478, m.w.N.).

9. Weder das bloße Halten und Verwalten einer Beteiligung noch die mit Wirksamwerden des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages durch Eintragung ins Handelsregister ausgeübte geschäftsleitende Tätigkeit für die Organgesellschaft begründet eine originär gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zwar hat der BFH mit Urteil vom 17.12.1969 (I R 252/64, BFHE 98, 152, BStBl II 1970, 257) entschieden, dass die Ausübung der einheitlichen Leitung im Konzern (sog. geschäftsleitende Holding) unter gewissen Voraussetzungen eine originär gewerbliche Tätigkeit begründen kann. Dies setzt aber unter anderem voraus, dass die Holding mindestens zwei Tochtergesellschaften beherrschen muss. Bei nur einer Tochtergesellschaft führt die Muttergesellschaft lediglich den Betrieb der Tochtergesellschaft und übt gerade keine einheitliche Leitung gegenüber mehreren abhängigen Gesellschaften aus, die sie zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenfasst, die neben die einzelnen Unternehmen tritt (vgl. auch BFH-Urteil vom 13.09.1989 I R 110/88, BFHE 158, 346, BStBl II 1990, 24; und BFH-Beschluss vom 12.08.2002 VIII B 69/02, BFH/NV 2002, 1579).

10. Gewerbesteuerrechtlich beginnt die Gewerbesteuerpflicht bei einer Personengesellschaft, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs vorliegen und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 17.04.1986 IV R 100/84, BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527).

Schlagworte: Gewerbesteuer, Gewinnabführungsvertrag, Handelsregister, Körperschaftsteuer, Organgesellschaft, Organschaft, Organträger, Personengesellschaft, Steuerrecht, Verjährung, Verlustübernahme, Zurechnung