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KG, Beschluss vom 26.07.2012 – 2 W 44/12

SpruchG

1. Die seit dem Spruchverfahrens-Neuordnungsgesetz von 2003 erforderliche konkrete Bewertungsrüge gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 SpruchG ist ein zentraler Beitrag zur Verfahrensbeschleunigung (Regierungsbegründung, BT-Drucks. 15/371, S. 13; Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, Anhang § 305, § 4 SpruchG Rn. 8; Leuering, in: Simon, SpruchG, 2007, § 4 Rn. 34). Durch das Erfordernis konkreter Einwendungen soll vermieden werden, dass mit pauschalen und unspezifischen Rügen gleichsam „ins Blaue hinein“ ein aufwendiges und kostenträchtiges Spruchverfahren in Gang gesetzt werden kann. Der Amtsermittlungsgrundsatz ist insofern zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung eingeschränkt worden (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NZG 2006, 674, 675; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NZG 2009, 190, 191). Ein diesen Anforderungen nicht genügender Antrag ist bereits unzulässig.

2. Die Anforderungen an die konkrete Bewertungsrüge dürfen allerdings nicht überspannt werden. So ist es der Begründetheitsprüfung vorbehalten, ob die vorgetragene Bewertungsrüge schlüssig ist (Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 4 SpruchG Rn. 22, § 8 SpruchG Rn. 3; strenger – Schlüssigkeit bereits für die Zulässigkeit verlangend – Leuering, in: Simon, § 4 SpruchG Rn. 35). Zudem weist der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hin, dass „etwaige besondere Schwierigkeiten der Informationsbeschaffung für den Antragsteller“ nach dem Maßstab von § 9 SpruchG zu berücksichtigen sind (Regierungsbegründung, BT-Drucks. 15/371, S. 13).

3. Der erkennende Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass die Anforderungen an die konkrete Bewertungsrüge im Hinblick auf die genannte gesetzgeberische Zielsetzung generell hoch sind (NZG 2008, 469, 470 mit zustimmender Anm. Simon/Leuering, NJW-Spezial 2008, 337; ZIP 2009, 1714). So ist die Mitteilung des Antragstellers, er halte den angebotenen Betrag nicht für angemessen, unzureichend (so auch OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ZIP 2009, 1395, 1396). Dies entspricht der überwiegenden Ansicht im Schrifttum (Bungert/Mennicke, BB 2003, 2021, 2026; Lamb/Schluck-Amend, DB 2003, 1259, 1262; Wittgens, NZG 2007, 853, 854; s. auch Klöckner/Frowein, SpruchG, 2004, § 4 Rn. 29; Krieger/Mennicke, in: Lutter, UmwG, 4. Aufl. 2009, Anhang I SpruchG, § 4 Rn. 19; Wasmann, WM 2004, 819, 823; tendenziell anders ders., in: Kölner Komm. zum SpruchG, 2005, § 4 Rn. 17; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 4 SpruchG Rn. 7 ff.; differenzierend Drescher, in: Spindler/Stilz, § 4 SpruchG Rn. 22). Demnach genügt es nicht, wenn einzelne Bewertungsfaktoren lediglich mit formelhaften Wendungen angegriffen werden. Anderenfalls könnte ein Antragsteller entgegen der gesetzgeberischen Zielsetzung auch ohne die gebotene sachliche Auseinandersetzung mit der im konkreten Einzelfall vorgenommenen Bewertung durch den sachverständigen Prüfer das zeit- und kostenaufwendige gerichtliche Überprüfungsverfahren in Gang setzen. Daher muss der Antragsteller beispielsweise konkret angeben, welche Elemente der in den Unterlagen zugrunde gelegten Ertragsprognose oder des Kapitalisierungszinssatzes er beanstandet und warum dies geschieht (Krieger/Mennicke, in: Lutter, UmwG, Anhang I SpruchG, § 4 Rn. 19). Diese Anforderungen bedeuten, dass auch ein Laie sich dann, wenn er eine durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen geprüfte Bewertung nicht akzeptieren möchte, im Rahmen des Zumutbaren mit den speziellen Fragen der Unternehmensbewertung zu beschäftigen hat (Hölters, AktG, 2011, § 4 SpruchG Rn. 18). Es ist mithin Aufgabe des Antragstellers, den Bericht soweit nachzuvollziehen, dass er Fehler feststellen und konkrete Einwendungen formulieren kann (Leuering, in: Simon, § 4 SpruchG Rn. 45).

4. Der Senat hält auch nach nochmaliger Überprüfung an diesem strengen Maßstab fest. Er gilt jedenfalls dann, wenn die dem Antragsteller zugänglichen Unterlagen im Sinne von § 7 Abs. 3 SpruchG umfassende und detaillierte Angaben zu den Bewertungsgrundlagen enthalten. In solchen Fällen gebietet das gesetzgeberische Ziel, das Spruchverfahren wesentlich zu beschleunigen, dass der Antragsteller sich im Rahmen der konkreten Bewertungsrüge mit den Feststellungen der Unterlagen, insbesondere des Prüfungsberichts, inhaltlich auseinandersetzt. Jene Unterlagen sind mithin für die erforderliche konkrete Bewertungsrüge von entscheidender Bedeutung (Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, § 4 SpruchG Rn. 21).

5. Die Anforderungen an die konkrete Bewertungsrüge sind umso höher, je umfassender und detaillierter die Unterlagen im Sinne von § 7 Abs. 3 SpruchG und insbesondere der Prüfungsbericht die Bewertungsgrundlagen darlegen. Sofern nämlich aussagekräftige Unterlagen vorliegen, so würde dem Anliegen des Gesetzgebers, namentlich dem Prüfungsbericht im Spruchverfahren höheres Gewicht zu geben, nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn ein Antragsteller sich bei der Antragsbegründung ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit den darin enthaltenen Ausführungen darauf beschränken könnte, deren Inhalt mit mehr oder minder allgemein gehaltenen Wendungen in Zweifel zu ziehen. Das Erfordernis einer konkreten Bewertungsrüge, das der Gesetzgeber als wesentliche Neuerung eingeführt hat, liefe dann hinsichtlich des Ziels, im Spruchverfahren den Unterlagen nach § 7 Abs. 3 SpruchG und namentlich dem Prüfungsbericht stärkeres Gewicht zukommen zu lassen, weitgehend leer.

6. Umgekehrt ist es einem Antragsteller nicht zumutbar, konkrete Einwendungen gegen einzelne Elemente der Bewertung zu erheben, sofern die Unterlagen hierzu nur vage Angaben enthalten. Fehlen die Unterlagen oder enthalten sie überhaupt keine Angaben zu den maßgeblichen Unternehmenswerten, so sind Einwendungen sogar gänzlich entbehrlich (Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, § 4 SpruchG Rn. 21). Mithin besteht eine Korrelation zwischen dem Konkretisierungsgrad der einem Antragsteller zugänglichen Unterlagen und demjenigen der erforderlichen Bewertungsrüge (zur Abhängigkeit der Anforderungen vom inhaltlichen Gehalt der Unterlagen s. auch Drescher, in: Spindler/Stilz, AktG, § 4 SpruchG Rn. 22).

7. Es genügt nicht die Rüge des Antragsstellers, dass die Ausführungen zur Bewertung unangemessen oder unzutreffend seien, ohne konkrete Fehler zu benennen. Konkrete Einwendungen im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 4 SpruchG sind allein solche Ausführungen, die in Auseinandersetzung mit den Unterlagen darlegen, dass und warum diese Bewertungsfehler enthalten, die zu einer wesentlich zu niedrigen Unternehmenswertbemessung führen (vgl. dazu Simon, SpruchG, § 4 Rn. 50).

8. In der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion haben sich bislang keine einheitlichen Grundsätze zur Unternehmensbewertung herausgebildet. Vor diesem Hintergrund kann es von vornherein nicht darum gehen, mit gleichsam naturwissenschaftlich-mathematischer Genauigkeit eine objektiv verifizierbare Berechnung vorzunehmen. Vielmehr genügt es für eine unangreifbare Unternehmensbewertung, wenn eine bestimmte konkret vorgenommene Berechnung auf der Grundlage zutreffender Ausgangszahlen zu einem plausibel hergeleiteten Ergebnis führt (vgl. Senat, NZG 2011, 1302, 1303; OLGReport KG 2009, 657 = BeckRS 2009, 20226;LG Frankfurt/M. AG 2007, 42, 43; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 6. Aufl. 2011, Rn. 772). Für die konkrete Bewertungsrüge folgt daraus, dass es nicht darum geht darzulegen, dass eine andere als die in den Unterlagen nach § 7 Abs. 3 SpruchG vorgenommene Unternehmensbewertung vertretbar wäre, sondern dass die tatsächlich vorgenommene Bewertung unvertretbar und damit falsch ist (Leuering, in: Simon, § 4 SpruchG Rn. 50). Ob diese für die Antragsbegründung erforderliche Darlegung inhaltlich zutrifft, ist sodann im Rahmen der Begründetheit zu beurteilen.

9. Der Antragssteller kann sich nicht Antragsbegründungen aus anderen Verfahren in derselben Abfindungsangelegenheit zu eigen machen; wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (NZG 2008, 469, 470; zust. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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NZG 2009, 190, 191), bedarf jeder Antrag einer eigenen Begründung. Der Beibringungsgrundsatz tritt insoweit nach dem gesetzgeberischen Willen im Bereich des § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 SpruchG an die Stelle des Amtsermittlungsgrundsatzes (Winter/Nießen, NZG 2007, 13, 15).

Schlagworte: Bewertungsmethoden, Rügepflicht, Spruchverfahren, Unternehmensbewertung