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KG, Urteil vom 24.02.2011 – 19 U 83/10

GmbHG §§ 43, 46 Nr. 8, ZPO §§ 240, 287; InsO § 21; BGB §§ 133, 157, 611

1. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH haftet der Kommanditgesellschaft unabhängig vom Bestehen eines Dienstverhältnisses zumindest dann allein aufgrund der drittschützenden Wirkung seiner Organstellung entsprechend § 43 Abs. 2 GmbHG, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe der Komplementär-GmbH darin besteht, die Geschäfte der Kommanditgesellschaft zu führen.

2. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Kommanditgesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH bedarf keines vorherigen Beschlusses der Gesellschafter nach § 46 Nr. 8 GmbHG.

3. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH verletzt die von ihm gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG zu beachtende Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, wenn er trotz zuvor im Zusammenhang mit der Erstellung eines Emissionsprospekts erfolgter mündlicher Beauftragung einer Rechtsanwaltssozietät nach Erbringung der beauftragten anwaltlichen Leistungen Honorarvereinbarungen schließt, die die Kommanditgesellschaft zur Zahlung von 375.000,00 EUR und 150.000,00 EUR an die Rechtsanwaltssozietät verpflichten, ohne zuvor (Rechts-)Rat darüber einzuholen, ob die Kommanditgesellschaft zum – nachträglichen – Abschluss der Honorarvereinbarungen verpflichtet ist und ihr aus der Höhe der vereinbarten Honorare ein wirtschaftlicher Nachteil, ggfs. in welcher Höhe, erwächst.

4. Die Gesellschaft genügt der ihr im Hinblick auf § 43 Abs. 2 GmbHG obliegenden Darlegungs- und Beweislast bereits dann, wenn sie ein „möglicherweise pflichtwidriges“ Verhalten des Geschäftsführers dartut und im Bestreitensfalle beweist. Demgegenüber hat der Geschäftsführer Umstände darzutun und im Bestreitensfalle zu beweisen, dass das schadensauslösende Verhalten nicht pflichtwidrig gewesen ist oder ihn zumindest kein Schuldvorwurf hinsichtlich der Pflichtverletzung trifft. Diese Grundsätze gelten auch für einen ausgeschiedenen Gesellschafter.

5. Eine Haftung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Haftung des Geschäftsführers
entfällt, wenn sein Handeln auf einer Weisung der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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beruht oder von diesen gebilligt worden ist. Dies gilt aber nur dann, wenn der Geschäftsführer den Gesellschaftern vor deren Weisung oder Billigung die Tatsachengrundlage für die zu treffende Entscheidung ausreichend vermittelt, ausreichend über Risiken oder sonstige Bedenken hinsichtlich der betroffenen Maßnahme informiert und eine pflichtwidrige Beeinflussung der Willensbildung unterlassen hat.

Ein Geschäftsführer handelt im Verhältnis zur Gesellschaft zwar grundsätzlich dann nicht pflichtwidrig, wenn er auf Grund bindender Weisung eines anderen Organs oder mit dessen Billigung tätig wird (BGH, NZG 2003, 528 Tz. 4). Die haftungsfreistellende Wirkung von Weisung oder Billigung der Gesellschafter entfällt immer dann, wenn der Geschäftsführer den Gesellschaftern vor deren Weisung oder Billigung die Tatsachengrundlage nicht ausreichend vermittelt, nicht ausreichend über Risiken oder sonstige Bedenken hinsichtlich der betroffenen Maßnahmen informiert oder sonst wie pflichtwidrig die Willensbildung beeinflusst (Haas/Ziemons, a.a.O., § 43 Rz. 183a m.w.N.). So liegt der Fall hier, weil der Beklagte aus obigen Erwägungen vor Abschluss der jeweiligen Honorarvereinbarung und deren behaupteter Billigung über die für eine hinreichende Entscheidungsgrundlage der Gesellschafter über die zur Verfügung stehenden unterschiedlichen Handlungsalternativen und die mit dem Abschluss der Honorarvereinbarung verbundenen wirtschaftlichen Risiken erforderlichen Informationen selbst nicht verfügt hat, so dass er folglich mangels eigener Informationsgewinnung auch außer Stande war, die Gesellschafter hinreichend in Kenntnis zu setzen. Demzufolge steht auch eine etwaige – stillschweigende – Billigung der Prospekte durch die Gesellschafter der Klägerin der Pflichtverletzung des Beklagten nicht entgegen; eine Haftungsausschluss wäre allenfalls in Betracht zu ziehen gewesen, wenn aus den dort veröffentlichten Investitions- und Finanzierungsplänen deutlich und nachvollziehbar hervorgegangen wäre, dass die dort angegebenen Rechts- und Steuerberatungskosten jeweils aus einer – trotz bereits bestehender anwaltsvertraglicher Bindung zu den gesetzlichen Gebühren – ohne vorherige rechtliche und tatsächliche Prüfung geschlossenen nachträglichen Honorarvereinbarung stammen.

6. Im Falle des ohne vorherigen (Rechts-)Rat erfolgten Abschlusses einer Honorarvereinbarung für bereits erbrachte anwaltliche Leistungen durch den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zu Lasten der Kommanditgesellschaft bemisst sich der letzterer entstandene Schaden aus der Differenz zwischen den vereinbarten und gezahlten Honoraren sowie den für die honorierten anwaltlichen Leistungen bereits angefallenen gesetzlichen Höchstgebühren. Die Gesellschaft hat den Schaden darzutun und zu beweisen; dabei kommen ihr über § 287 ZPO Darlegungs- und Beweiserleichterungen zu Gute.

7. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft handelt pflichtwidrig, wenn er einen zwischen der Kommanditgesellschaft und einer weiteren Gesellschaft bestehenden Produktionsdienstleistungsvertrag durch eine nachträgliche Kooperationsvereinbarung zum Nachteil der Kommanditgesellschaft abändert, ohne zuvor durch Einholung von (Rechts-)Rat zu klären, ob eine Rechtspflicht zum Abschluss der nachträglichen Vereinbarung besteht und welche rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile damit für die Kommanditgesellschaft verbunden sind. Verstößt der Abschluss der nachträglichen Vereinbarung durch den Geschäftsführer – auch – gegen die Satzung der Gesellschaft, muss nicht die Gesellschaft den behaupteten Schaden dartun und beweisen, sondern trägt der Geschäftsführer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der von der Gesellschaft behauptete Schaden nicht eingetreten ist.

Schlagworte: allgemeine Regeln, Darlegungs- und Beweislast, Dienstverhältnis, Entlastung durch Weisungen, Geschäftsführer, Geschäftsleiterpflichten, Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG, GmbH & Co. KG, Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Haftung nach § 43 GmbHG, Innenhaftung, nachteiliges Rechtsgeschäft, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Schadensschätzung, Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns, Verschulden, Weisung der Gesellschafter