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LG Bonn, Urteil vom 25.08.2006 – 15 O 198/06

§ 134 BGB, § 203 Abs 1 Nr 3 StGB

1. Ein Prozessfinanzierungsvertrag, der die Beitreibung einer anwaltlichen Honorarforderung zum Gegenstand hat, ist ohne Einwilligung des Mandanten gem. §§ 134 BGB i.V.m. 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB nichtig.

Ein vertraglicher Anspruch gegen die Beklagten gem. Ziffer 4 des Prozessfinanzierungsvertrag besteht nicht. Dieser ist wegen Verstoßes gegen § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB gem. § 134 BGB nichtig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, von der auch die Kammer ausgeht, verletzt ein Vertrag, in der sich ein Rechtsanwalt ohne die eindeutige Einwilligung des davon betroffenen Mandanten zur Preisgabe von mandantenbezogenen Informationen verpflichtet, das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Mandanten und die dem Rechtsanwalt nach § 203 StGB auferlegte Schweigepflicht (vgl. zuletzt: BGH, Urteil vom 11. November 2004, NJW 2005, 507-509 m.w.N.). Dabei reicht aufgrund der großen Bedeutung, die das aus Art. 2 Abs. 1 GG sich ergebende Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung und der Schutz personenbezogener Daten in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erlangt hat, die zivilrechtliche Nichtigkeitsfolge sehr weit:

Für die Nichtigkeit reicht bereits die abstrakte Möglichkeit einer Gefährdung personengeschützten Daten aus (OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Urteil vom 21. November 1997, OLGR Hamm 1999, 168-170). Nicht erforderlich ist es, ob es im konkreten Fall später tatsächlich zu einer Verletzung des Berufsgeheimnisses kommt (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995, NJW 1996, 775-776; BGH, Urteil vom 13.5.1993, NJW 1993, 1912). Ein Vertrag, der einen Berufsgeheimnisträgers zur Auskunft verpflichtet, ist nur dann wirksam, wenn – z.B. aufgrund einer ausdrücklichen Einwilligung des Mandanten – zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, dass in Erfüllung dieser Pflicht Berufsgeheimnisse unbefugt offenbart werden müssen (vgl. OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, Urteil vom 2. Oktober 1992, NJW 1993, 791-793).  Dabei ist es nicht möglich, anzunehmen, der Umfang der Informationspflicht werde durch § 203 StGB inzidenter auf solche Tatsachen begrenzt, deren Offenbarung nicht tatbestandsmäßig und daher straffrei ist (BGH, Urteil vom 13. Mai 1993, MDR 1993, 912-913 zu § 402 BGB). Denn soll die Auskunftspflicht nicht im Belieben des Auskunftsschuldners stehen, muss sie klagbar sein. Würde nun aber die Auskunftspflicht nur im Einzelfall entfallen, wenn die Auskunft mit der Offenbarung von Berufsgeheimnissen verbunden wäre, müssten die Berufsgeheimnisse – um dem Gläubiger und dem Gericht eine Prüfung der Auskunftsverweigerung zu ermöglichen – vom Berufsgeheimnisträger in einer Auseinandersetzung mit dem Auskunftsberechtigten offenbart werden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995, NJW 1996, 775-776). Der Berufsgeheimnisträger wäre also im Rahmen der Auskunftsverweigerung gezwungen, gegenüber einem außerhalb der Mandatsbeziehung stehenden Dritten, dem Auskunftsberechtigten, die Berufsgeheimnisse zu offenbaren. Das Geheimnis des Mandanten würde auf diese Weise ohne seine Zustimmung und ohne, dass dafür – wie dies etwa in einem Honorarprozess gegen ihn selbst der Fall wäre – eine Rechtsfertigung ersichtlich wäre, entgegen der gesetzlichen Wertung zum Gegenstand fremder Rechtsstreitigkeiten. Eine Auskunftspflicht ist vielmehr nur dann wirksam, wenn im Vorfeld eine eindeutige Einwilligung des Mandanten in die Offenbarung vorliegt oder vergleichbar eindeutig und unmissverständlich von einer Einwilligung des Mandanten auszugehen ist (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991, NJW 1992, 737-741; OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Koblenz
, Urteil vom 23. Juli 1999, GI 2000, 39-42). Auch ist das Rechtsgeschäft bereits dann nichtig, wenn die Voraussetzungen des § 203 StGB objektiv erfüllt sind. Für den Betroffenen bedeutet es nämlich keinen Unterschied, ob der Geheimnisträger vorsätzlich, fahrlässig oder gar schuldlos sein Berufsgeheimnis offenbart (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1991, NJW 1992, 737-741; OLG DresdenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Dresden
Senat für Familiensachen, Beschluss vom 26. Januar 2004, NJW 2004, 1464-1465; BGHZ 115, 123 (130); KG Berlin, Urteil vom 12. Oktober 1999, NJW-RR 2001, 1215-1218).

Konkret bezogen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus folgendes: Nicht nur die Abtretung der Honorarforderung an die Klägerin ist gem. § 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO unwirksam, sondern der gesamte Prozessfinanzierungsvertrag als solcher verstößt gegen §§ 134 BGB i.V.m. 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Für die Klägerin war von zentralem Interesse, dass sie umfassend durch die Beklagten informiert wurde. In Ziffer 2.4. und 6.5. des Prozessfinanzierungsvertrages wurden deshalb Auskunftspflichten vereinbart. Nach Ziffer 2.4. hatten die Beklagten der Klägerin sämtliche im Zusammenhang mit den streitigen Ansprüchen stehenden Dokumente auszuhändigen. Gem. Ziffer 6.5. hatten sie ihren Prozessbevollmächtigten zudem von der Schweigepflicht zu entbinden und diesen dazu zu verpflichten, die Klägerin ständig über den Gang des Verfahrens auf dem Laufenden zu halten und die Klägerin unaufgefordert über sämtliche Umstände zu informieren, die für die Beurteilung und/ oder Durchsetzung der streitigen Ansprüche von Bedeutung sein könnten. Diese umfassenden Informationspflichten wurden vereinbart, um der Klägerin eine zuverlässige Prüfung zu ermöglichen, ob sie das Prozessrisiko finanzieren wollte oder nicht.

2. Durch einen Prozessfinanzierungsvertrag wird eine (stille) Innengesellschaft bürgerlichen Rechts nicht begründet. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sind auf einen Prozessfinanzierungsvertrag nicht anwendbar.

Dies kann indes dahinstehen: Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft sind auf Prozessfinanzierungsverträge bereits deshalb nicht anwendbar, weil eine Prozessfinanzierung kein Gesellschaftsverhältnis begründet. Ein Prozessfinanzierungsvertrag begründet vielmehr ein partiarisches Rechtsverhältnis, welches bei Vertragsmängeln den allgemeinen Nichtigkeitsfolgen unterliegt.

Schlagworte: Prozessfinanzierungsvertrag, Rechtliche Einordnung des Prozessfinanzierungsvertrags