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LG Hamburg, Beschluss vom 08. Dezember 2005 – 417 T 16/05

§ 123 UmwG, § 132 UmwG, § 324 UmwG, § 4 BetrAVG, § 139 BGB, § 613a BGB

Die Ausgliederung von laufenden Pensionsverbindlichkeiten ohne die Ausgliederung eines gesamten laufenden Betriebs mit Aktiva und Passiva bzw. ohne die Gewährung von Anteilen ist ohne Zustimmung der betroffenen Pensionäre und des Pensionssicherungsvereins unwirksam; sie kann deshalb nicht im Handelsregister eingetragen werden (Abgrenzung BAG, 22. Februar 2005, 3 AZR 499/03 (A), ZIP 2005, 957).

Das Handelsregister hat die Eintragung des angemeldeten Vertrages zu Recht abgelehnt, weil der Vertrag nicht wirksam ist.

Ihm haben weder die von der Ausgliederung betroffenen Pensionäre noch der PSV zugestimmt. Nach § 4 II BetrAVG in der ab dem 1.1.05 geltenden Fassung bedarf die Übernahme der Vorsorgungszusage nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen neuen Arbeitgeber des Einvernehmens des ehemaligen Arbeitgebers, des neuen Arbeitgebers sowie des Arbeitnehmers, also eines dreiseitigen Vertrages (Bahnsen, NJW 2005, 3328, 3329). Nach herrschender Auffassung und herrschender Rechtsprechung ist im Fall des § 4 BetrAVG auch die Zustimmung des PSV erforderlich (BAGE 54, 297 ff = DB 1988, 122 ff. = ZIP 1987, 1600 ff.; BAG DB 2005, 954 ff. = ZIP 2005, 957 ff.).
Es kann dahinstehen, ob das UmwG generell dem BetrAVG vorgeht und die dortigen Voraussetzungen nicht nach § 132 UmwG einbezogen sind (BAG DB 2005, 954 ff. = ZIP 2005, 957 ff.). Denn jedenfalls die von der Beschwerdeführerin und ihrer Muttergesellschaft beabsichtigte Ausgliederung kann diese Privilegierung nicht für sich in Anspruch nehmen.
Nach § 123 III 1 UmwG kann ein Rechtsträger aus seinem Vermögen einen Teil oder mehrere Teile zur Aufnahme durch Übertragung auf einen bestehenden Rechtsträger jeweils als Gesamtheit ausgliedern gegen Gewährung von Anteilen dieses Rechtsträgers an den übertragenden Rechtsträger. Im vorliegenden Fall ist die Ausgliederung nicht gegen Gewährung von Anteilen beabsichtigt. Zwar soll (aufschiebend für den Fall der Eintragung der Ausgliederung) der Anteil des übertragenden Rechtsträgers um € 1.000.- erhöht werden; dies ist aber nach der in der Beschwerdeschrift bekundeten Absicht der Beschwerdeführerin nicht als Gegenleistung für die Übertragung der Pensionsverpflichtungen gedacht, sondern soll nur sicherstellen, dass die übertragende Gesellschaft überhaupt noch an der Beschwerdeführerin beteiligt ist und eine Ausgliederung nicht bereits wegen Fehlens jeglicher Anteile an dem übernehmenden Unternehmen rechtlich unzulässig wird; ansonsten ist beabsichtigt (und bereits vollzogen), dass die übertragende Gesellschaft als Kommanditistin zugunsten des beabsichtigten Gemeinschaftsunternehmens ausscheidet.
Kennzeichen der hier beabsichtigten Ausgliederung ist es vielmehr, die Druckbetriebe und die Pensionsverpflichtungen zunächst rechtlich voneinander zu trennen und die Druckbetriebe gegen Gewährung von Anteilen und die Pensionsverpflichtungen ohne Gewährung neuer Anteile zu übertragen. Dies führt dazu, dass die mit einer gleichzeitigen Ausgliederung beider Teile einhergehende Nachhaftung für beide Teile von 5 Jahren (§ 133 III UmwG) sich auf die Nachhaftung für die Pensionsverbindlichkeiten beschränkt und die Nachhaftung für die Druckbetriebe nur 1 Jahr betragen soll (§ 613a II 1 BGB).
Es kann dahinstehen, ob überhaupt bloße Verbindlichkeiten Gegenstand einer Ausgliederung sein können (arg. § 126 Ziffer 9 UmwG; hierzu Schmitt/Hörtnagel/Stratz-Hörtnagel, UmwG, 126, Rdn. 52). Das mögliche Privileg einer Freistellung von der Zustimmungspflicht nach den § 4 BetrAVG, 132 UmwG kann jedenfalls nur dann gewährt werden, wenn gleichzeitig („gegen Gewährung von Anteilen“) ein gleichwertiges Vermögen übertragen wird. Andernfalls erscheint die Ausgliederung als Missbrauch der Rechtsform.
Die Beschwerdeführerin und die ihr zustimmenden Besprechungen der angegriffenen Entscheidungen (Flitsch; EwiR 2005, 779 f.; Grub, DZWIR 2005, 397 f.; Louis/Nowak, DB 2005, 2354 f.; Schmidt/Heinz, GmbHR 2005, 1307 f.; Simon/Leuering, NJW-Spezial 10/05, 464) nehmen in diesem Zusammenhang zu Unrecht die Entscheidung des BAG vom 22.2.05 (DB 2005, 954 ff: = ZIP 2005, 957 ff.) für sich in Anspruch. Das BAG hatte über die Zulässigkeit der Ausgliederung eines gesamten Betriebsteiles (Städtische Kliniken) mit allen Aktiven und Passiven zu befinden und hat nur für diesen Fall das UmwG als geschlossenes Haftungssystem und den Ausschluss des § 4 BetrAVG angenommen. Die hier beabsichtigte rechtliche Konstruktion bricht dieses Haftungssystem gerade entzwei und kann daher die Vergünstigungen nicht beanspruchen.
Dies kann auch nicht unter Hinweis auf angeblich „für Unternehmen wichtige Gestaltungsmöglichkeiten“ (Louis/Nowak, DB 2005, 2354, 2356) gerechtfertigt werden. Die Ausgliederung von Pensionsverpflichtungen birgt immer die Gefahr, dass die übernehmende Gesellschaft („Rentner-GmbH“) nach Auslaufen der fünfjährigen Nachhaftung des § 133 UmwG in die Insolvenz gerät und die Ansprüche der Pensionäre über den PVS letztlich entweder auf den Staat oder auf andere Unternehmen verteilt werden. Diese Gefahr wird vom Gesetzgeber offenbar geringer eingeschätzt, wenn die Ausgliederung einhergeht mit der Übertragung eines gesamten laufenden Betriebes mit Aktiva und Passiva und höher bewertet, wenn nur die Pensionsverpflichtungen mit einer Ausstattung in Geld oder anderen Werten übertragen werden. Deshalb lässt § 123 II UmwG die Ausgliederung jeder Art nur gegen Gewährung von Anteilen zu. Außerdem kann so der oben beschriebenen teilweisen Verkürzung der Nachhaftungszeit wirksam begegnet werden.
Die fehlende Zustimmung hat auch die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages zur Folge. Zwar hat die Nichtzustimmung grundsätzlich nur die Unwirksamkeit des betroffenen Teiles der Vereinbarung zur Folge; im vorliegenden Fall wird aber neben der Übertragung der Pensionsverpflichtungen auch der Haftungsanteil der AG um € 1.000.- erhöht. Jedoch ist nach § 139 BGB das gesamte Rechtsgeschäft nichtig, wenn ein Teil des Rechtsgeschäfts nichtig ist und nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Nach der Darstellung der Beschwerdeführerin diente die Anteilserhöhung um € 1.000.- ausschließlich der rechtlichen Ermöglichung der beabsichtigten Ausgliederung der Pensionsverbindlichkeiten; ein anderer Sinn ist nicht dargestellt oder ersichtlich. Deshalb ist anzunehmen, dass sich die Unwirksamkeit auf dem gesamten Vertrag erstreckt, § 139 BGB.

Schlagworte: Ausgliederung, Mittelversorgungsverpflichtung