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LG Mannheim, Urteil vom 17.01.1990 – 21 O 9/89

§ 124 Abs 4 AktG, § 243 AktG, § 245 AktG, § 246 AktG, § 251 AktG, § 311 AktG

1. Das mit der Mitgliedschaft verbundene Anfechtungsrecht des Aktionärs verbleibt bei diesem, auch wenn er die Aktie verpfändet hat.

2. Beschließt die Hauptversammlung im Rahmen des zunächst angekündigten Tagesordnungspunktes „Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds“ nach zwischenzeitlich erfolgter Mandatsniederlegung des Aufsichtsratsmitglieds die Annahme dieser Mandatsniederlegung, so handelt es sich nicht um eine Änderung der Tagesordnung, sondern lediglich um eine Anpassung der hierzu gestellten Anträge. Der Antrag zu einer solchen Anpassung kann von jedem Aktionär gestellt werden.

3. Ein herrschendes Unternehmen ist nicht gehindert, den Aufsichtsrat der beherrschten Aktiengesellschaft in der Weise mit Personen seines Vertrauens zu besetzen, daß über die Vorstandswahlen in der beherrschten Gesellschaft eine faktische Konzernverbindung geschaffen wird. Auch ist das herrschende Unternehmen nicht verpflichtet, einen Vertreter der außenstehenden Aktionäre in den Aufsichtsrat zu wählen (vergleiche OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, 1986-11-03, 8 U 59/86, NJW 1987, 1030).

Aus den Gründen

1. Niederlegung des Aufsichtsratsmandants

Soweit der Kläger geltend macht, die von der Hauptversammlung ausgesprochene Annahme der Amtsniederlegung des Aufsichtsratsmitglieds X sei unwirksam, handelt es sich um eine Anfechtungsklage i. S. der §§ 246, 243 AktG. Seine Anfechtungsbefugnis folgt aus § 245 Nr. 1 AktG. Der Kläger ist als Aktionär bei der Hauptversammlung erschienen … Der Aktionärseigenschaft des Klägers steht nicht entgegen, daß er die Aktien verpfändet hat. Das Anfechtungsrecht kann als Verwaltungsrecht nicht ohne die Mitgliedschaft isoliert dem Pfandgläubiger übertragen werden; vielmehr verbleibt dieses Recht bei dem Pfandgeber. Der Pfandnehmer muß daher dem Aktionär die Anfechtung ermöglichen (vgl. Geßler/Hefermehl, AktG, § 245 Rdnrn. 17 ff.)…

Der Beschluß ist nicht gemäß § 124 Abs. 4 AktG unwirksam. Die gegenüber der angekündigten Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds beschlossene Annahme einer Amtsniederlegung ist keine Änderung der Tagesordnung, die nicht bekanntgemacht worden ist. Gemäß § 124 Abs. 1 AktG ist bekanntzumachen der Gegenstand der Tagesordnung. Das ist der Gegenstand, über den die Hauptversammlung beschließen soll. Zweck der Bekanntmachung ist es, jedem Aktionär Gelegenheit zu geben, sich entscheiden zu können, ob er an der Hauptversammlung teilnehmen will, und sich auf diese vorzubereiten. Anträge, die zu Gegenständen der Tagesordnung gestellt werden, brauchen daher nicht vorher bekanntgemacht zu werden. Denn abgestimmt wird nicht über die Gegenstände der Tagesordnung, sondern ausschließlich über die Anträge, die zu ihnen gestellt werden. Solange sich die Anträge im Rahmen der Tagesordnung bewegen, können sie in der Hauptversammlung gestellt werden, auch wenn sie nicht angekündigt sind (vgl. Geßler/Hefermehl, § 124 Rdnr. 15). Wie sich aus der bekanntgemachten Tagesordnung ergibt, war ihr Gegenstand die Ersetzung des Aufsichtsratsmitglieds X durch den als Nachfolger zu wählenden Y. Dies war auch Gegenstand der Beschlußfassung in der Hauptversammlung. Das vorherige Ausscheiden des Aufsichtsratsmitglieds X, um seiner Abberufung zuvorzukommen, führte nicht zu einer Änderung dieser Tagesordnung, sondern lediglich zu einer Anpassung der hierzu gestellten Anträge, die immer noch das angekündigte Ziel weiter verfolgten. Unschädlich ist ferner, daß der angegriffene Beschluß auf einen Antrag eines Aktionärs zurückging. Das Recht, Anträge zur Tagesordnung zu stellen, ist Bestandteil des Teilnahmerechts und steht daher jedem anwesenden Aktionär zu (vgl. Geßler/Hefermehl, § 118 Rdnr. 13) …

§ 8 Abs. 3 der Satzung bestimmt, daß das Aufsichtsratsmitglied sein Amt „unter Einhaltung einer Frist von 6 Wochen auch ohne wichtigen Grund” niederlegen kann. Diese Regelung steht jedoch der Wirksamkeit des Beschlusses nicht entgegen. Das Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, sein Amt jederzeit aus wichtigem Grund niederzulegen. Ob ein solcher vorlag und ob die in der Satzung vorgesehene Frist einzuhalten war, kann im Streitfall dahinstehen, denn der gefaßte Beschluß ist jedenfalls als Genehmigung anzusehen, der das Erlöschen des Amtes wie die ursprünglich vorgesehene Abberufung herbeiführte (Geßler/Hefermehl, § 103 Rdnr. 31). Er stellt ferner keine Änderung der Satzung dar, da er ihre Geltung im übrigen unberührt läßt und nur den vorliegenden Fall erfassen sollte …

2. Neuwahl des Aufsichtsrats

Soweit der Kläger sich gegen die wahl des Y in den Aufsichtsrat wendet, ist die Klage zulässig. Sie richtet sich nach § 251 AktG, der eine abschließende Regelung der Anfechtung von Aufsichtsratswahlen enthält (vgl. Geßler/Hefermehl, § 251 Rdnr. 1); Nichtigkeitsgründe i. S. von § 250 AktG werden vom Kläger nicht geltend gemacht.

Die Klage ist eine Feststellungsklage, auf die teilweise die für die Anfechtungsklage gegebenen Vorschriften anzuwenden sind (Geßler/Hefermehl, § 253 Rdnr. 3). Dem trägt der Hilfsantrag des Klägers Rechnung, der als Feststellungsklage gefaßt ist. Eine Abweisung des Hauptantrages (als unzulässig) kommt trotz der unterschiedlichen Rechtsnatur beider Anträge nicht in Betracht, da der Streitgegenstand in beiden Anträgen identisch ist. Er ist auf den gleichen Lebenssachverhalt gestützt und begehrt den Ausspruch der gleichen Rechtsfolge durch das Gericht…

Die Klage ist unbegründet, weil dem Kläger keine Anfechtungsgründe i. S. des § 251 AktG zur Seite stehen. Seine Behauptung, die Nebenintervenientin erstrebe mit der wahl von Y und A eine Schädigung der Beklagten, da sie über einen willfährigen Aufsichtsrat und einen gefügigen Vorstand die Geschäftsinteressen ihrer 100%igen Tochtergesellschaft zum Nachteil der Beklagten durchsetzen wolle, ist nicht geeignet, die erfolgte wahl als unwirksam anzusehen. Auch wenn in der Person des A davon auszugehen ist, daß dieser gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der alleinigen Gesellschafterin der… ist und die ihm vom Kläger zugeschriebenen Äußerungen über die Beklagte als tatsächlich geschehen unterstellt werden, ist nicht ersichtlich, worin die vom Kläger befürchteten Schäden für die Beklagte bestehen sollen …

Auch der hiermit vom Kläger weiter verbundene Vorwurf, die Nebenintervenientin betreibe eine rechtlich unzulässige „qualifizierte faktische Konzernierung” der Beklagten dadurch, daß sie nunmehr alle sechs Aufsichtsratsmandate der Anteilseignerseite besetzt habe und auf diese Weise die Beklagte trotz Fehlens eines wirksamen Beherrschungs- oder Verschmelzungsvertrages in (ihren Konzern) eingliedere, führt nicht zur Nichtigkeit der wahl. Ein herrschendes Unternehmen, wie im Streitfall die Nebenintervenientin gegenüber der Beklagten, ist nicht gehindert, den Aufsichtsrat der beherrschten AG in der Weise mit Personen seines Vertrauens zu besetzen, daß über die Vorstandswahlen in der beherrschten Gesellschaft eine faktische Konzernverbindung geschaffen wird. Dies folgt aus der Zulässigkeit des faktischen Konzerns, wie sie auch das Gesetz in § 311 AktG als gegeben voraussetzt. Auch ist das herrschende Unternehmen nicht verpflichtet, einen Vertreter der außenstehenden Aktionäre in den Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft zu wählen. Anderenfalls bekämen diese Aktionäre einen mit dem geltenden Recht unvereinbar starken Einfluß auf die Personalpolitik des herrschenden Unternehmens. Denn den rechtspolitischen Vorschlag, den Minderheitsaktionären einen obligatorischen Repräsentanten im Aufsichtsrat zu gewähren, hat der Gesetzgeber des AktG 1965 ausdrücklich abgelehnt (vgl. OLG Hamm, NJW 1987, 1030 [1031]). Das AktG sieht mithin keinen konzernrechtlichen Präventivschutz vor. Die Vorverlegung des Schutzes der abhängigen Gesellschaft und ihrer Gesellschafter in den Bereich der Konzernbildung ist deshalb mit der Struktur des geltenden Aktienkonzernrechtes unvereinbar. Vielmehr hat der Schutz durch eine Rechtskontrolle über einzelne schädigende Maßnahmen zu erfolgen (vgl. Timm, NJW 1987, 977 [979]). Bei Führung der Geschäfte haben die hierfür Verantwortlichen im Einzelfall die zulässigen Entscheidungen zu treffen und müssen für schädigende Handlungen einstehen, wie sich den §§ 311, 317 AktG entnehmen läßt. Ein vorweggenommener Eingriff in die eigenverantwortliche Personalpolitik der beteiligten Unternehmen zur Vermeidung von möglichen Interessenkollisionen oder zur Wahrung der Rechte von Minderheitsaktionären ist im Gesetz nicht vorgesehen und dem Gericht verwehrt…

Schlagworte: Aufsichtsratswahlen nach § 251 AktG analog, Verpfändung oder Pfändung der Mitgliedschaft des Anfechtungsklägers